und plötzlich zog sie einen Flor
mit ungerechten Händen vor,
der ihre Brust versteckte.
Ich schwieg, doch kehrte stets mein Blick
zu jenem Zauberritz zurück,
der sanft sich hob und blähte,
doch der vermaledeite Flor
hing wie ein Nebel dicht davor,
so sehr mein Aug’ auch spähte.
So gingen wir ein Weilchen fort
und keines sprach ein einzig Wort,
bis wir uns niedersetzten
und viel von himmlischem Gefühl
und unbekanntem Minnespiel
und Glück der Liebe schwätzten.
Wir saßen hier auf weichem Moos,
ich legte mich auf ihren Schoß;
mit glühendem Verlangen
hob ich mich leise dann empor,
verschob geschwind den Busenflor
und küsste Brust und Wangen.
Sie sträubte sich, doch wenig nur,
ich folgte dann der schönen Spur,
ihr Mund, gebaut zum Küssen,
war meiner Wünsche süßes Ziel,
ließ mich der Wollust Vorgefühl
in vollem Maß genießen.
Entflammter ward ich jetzt schon kühn,
ich hing mich fest an ihren Knien,
warf mich halb auf sie nieder.
Verstohlen zupfte meine Hand
schon an dem kleinen Strumpfenband
und an dem leichten Mieder.
Ihr Röckchen hob ich leicht empor,
noch leichter wie den Busenflor;
nun fuhr ich mit den Händen
empor zum purpurfarb’nen Schoß,
den braungelocktes Haar umfloss,
und küsste Marmorlenden.
Das Heiligtum von Amathunt,
der rosenfarb’ne kleine Mund,
den heilig Schilf beschirmet,
ward bald von meinem Aug’ entdeckt,
mit tausend Küssen überdeckt
und siegreich dann bestürmet.
Wie flog sie unter mir empor,
als sich ihr Blick in Nacht verlor!
Wie bebten ihre Glieder!
Heiß drängte sich mein kochend Blut,
hoch flog ich auf in Liebesglut
und sank dann heftig nieder.
So lernt’ ich, was man Liebe nennt,
und – o! – seit dieser Stunde brennt,
voll dürstendem Verlangen,
ein Feuer mir in dieser Brust,
um stets zu gleicher Liebeslust
ein Mädchen zu umfangen.
Kommt, Mädchen, die ihr lüstern seid,
und schmeckt durch mich die Süßigkeit
von Amors schönstem Spiele,
die Glut, die euer Herz verzehrt,
und euch erblasst, ist’s immer wert,
dass sie ein Jüngling kühle.
Anonym
Das Schreien
Jüngst schlich ich meinem Mädchen nach,
Und ohne Hindernis
Umfasst’ ich sie im Hain; sie sprach:
»Lass mich, ich schrei’ gewiss!«
Da droht’ ich trotzig: »Ha, ich will
Den töten, der uns stört.!«
»Still«, winkt sie lispelnd, »Liebster, still,
Damit dich niemand hört!«
Johann Wolfgang Goethe
An ein Mädchen
(nach Anakreon)
Und was blickst du, thrakisch Füllen,
Mich mit scheelen Augen an?
Und was fliehst du mich so trotzig
Und vermeinst, ich wisse nichts?
Wisse nur, mit leichter Mühe
Legt ich dir den Zaum ins Maul,
Und ich könnte mit dem Zügel
Dich ums Ziel der Rennbahn drehn.
Jetzo weidest du im Grünen,
Wo du flüchtig springst und spielst,
Weil kein Reiter auf dir sitzt,
Der die Schule recht versteht.
Johann Nikolaus Götz
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