Jo Hilmsen
Operativer Vorgang: Seetrift
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Das Telefon spielte seine Melodie. Ich saß gerade im Dunkeln und hörte das Mozart- Requiem. Eine Aufnahme von 1982 mit dem Rundfunkchor Leipzig und der Staatskapelle Dresden. Peter Schreier dirigierte und Theo Adam sang den Bass. Das Ganze auf Vinyl. Auf dem Cover war Casper David Friedrichs Mondnacht über der Ruine abgebildet.
Ich ließ es dreimal klingeln, bevor ich den Hörer abnahm. Es war Hannah, meine Freundin.
„Hallo Schatz“, sagte sie, und ich meinte für einen kurzen Moment irgendwo einen Hund bellen zu hören, „ich habe eine Überraschung für dich.“
Manche Überraschungen waren gut, andere weniger. Ich wackelte mit dem Kopf, aber das konnte Hannah nicht sehen.
„Ich habe uns für vier Tage ein Hotelzimmer gebucht. An der Ostsee. In Zinnowitz. Wellness und so. Sauna und ein Thermalbad mit 32 Grad gibt es auch. Kannst du dir ein paar Tage frei nehmen?“
Das konnte ich. Unsere kleine Werbefirma lief gerade nicht besonders gut, und Konrad, mein Partner, schluckte seit Wochen Antidepressiva. Die Aufträge waren mehr als dürftig und unsere derzeitige Geschäftssituation deutet darauf hin, entweder radikal umzustrukturieren oder Konkurs anzumelden. Aber wir trugen Verantwortung für fünf Mitarbeiter und mussten uns dringend etwas einfallen lassen. Einen Moment lang überlegte ich, was Hannah tun würde, wenn ich mir nicht frei nehmen könnte. Würde sie dann mit Felix nach Zinnowitz fahren?
„Toll“, antwortete ich, „ich habe große Lust, mal wieder aus der Stadt herauszukommen.“
Ich versuchte die dramatische Szenerie der fünf Biographien, die durch unseren möglichen Konkurs in Bedrängnis gerieten, zu verdrängen, und atmete tief durch.
„Danke für deine Überraschung…“
Hannah liebte diese Art von Überraschungen. Meistens hatte sie alles perfekt vorbereitet. Ich musste nur noch zustimmen. Wie konnte ich ihr diese Liebenswürdigkeiten übel nehmen? Ich überlegte kurz, ob Felix einen Hund besaß, wusste darauf aber keine Antwort.
„Für wann hast du gebucht?“
„Für morgen. Holst du mich ab?“
Wir verabredeten uns um Elf. Ich sagte ihr noch eine kleine Zärtlichkeit und legte auf. Der Rundfunkchor Leipzig sang gerade 1982 die letzten Takte vom Confutatis.
Ich sprang hoch, fingerte nach dem Lichtschalter, knipste das Licht an und eilte zum Plattenspieler.
Der Plattenspieler war eigentlich Schrott.
Irgendetwas mit der Mechanik war nicht in Ordnung. Ich vermute, dass eines der Plastikstäbchen abgebrochen war oder eines der kleinen Plastikzahnräder nicht mehr ordnungsgemäß mit den anderen ineinander griff. Jedenfalls funktionierte die Automatik nicht mehr, die dafür verantwortlich war, den Schwenkarm mit der Nadel auf die Platte zu legen. Manuell klappte es auch nicht. Sowie der Plattenteller seine Rotation begonnen hatte, und ich die Nadel auf dem Vinyl ablegte, blieb das Scheißding stehen.
Das Einzige was dann half, war den Plattenteller abnehmen, einen Metallhebel