Baphomets Jünger. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия: Dunkelwaldtrilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750232730
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die Männer auf den Zinnen zu beschießen. Nie war es ihm gelungen, näher zur Feste vorzudringen. Doch nun schien er seine Taktik geändert zu haben, denn die Pfeile stammten von Bögen, die nur eine kürzere Distanz zu ihrem Ziel überwinden konnten.

      „Wir haben in unserer Achtsamkeit nachgelassen“, mahnte Gero von Mücheln, der den anderen Männern voranging. Trotz seines fortgeschrittenen Alters hatten ihn Albert von Blankenburg und Waldemar von Brandenburg gebeten, die Führung der Templer auf der Burg zu übernehmen. Sie selbst stationierten einige Dutzend Kämpfer auf Beyernaumburg. Doch nun war es an der Zeit, Burchard auch von der anderen Seite her zu Leibe rücken, denn den Leuten in der Burg gingen langsam die Vorräte aus.

      „Sie scheinen sich nähergeschlichen zu haben“, meinte nun auch Herbert von Tierfeld, ein erfahrener Templer, der Gero schon von Palästina her kannte.

      „Schießt zurück“, befahl Gero. „Auch, wenn unsere Pfeile im Dunklen nicht unbedingt ihr Ziel treffen, so wissen sie doch, dass wir wachsam sind.“

      Rudger, der mit den anderen wieder heraufgekommen war, stellte sich neben Jorge. Seine Miene war angespannt, spiegelte seine Gefühle im Innern wider. Er brannte darauf, den Schergen des Erzbischofs endlich in einem offenen Kampf entgegentreten zu können. Diese monatelange Warterei zermürbte ihn ebenso wie die anderen. Und wozu das führte, hatte man ja gerade erlebt. Nicht, dass es ihn um Benno persönlich leidgetan hätte. Aber jedes Templerleben, das ausgelöscht wurde, war ein kostbares Leben zu viel.

      Die Nacht zog sich endlos hin. Seit dem überraschenden Angriff am frühen Abend hatten die Ritter nichts mehr von den erzbischöflichen Truppen bemerkt. Wahrscheinlich war es nur ein Klopfen auf den Busch gewesen, ganz so, als wollten diese kundtun, dass sie nicht nachgeben und abziehen würden.

      Jede Stunde wechselten sich die Männer ab, Wache auf den Zinnen zu halten. Zu zweit patrouillierten sie pausenlos die Mauer entlang, darauf bedacht, stets in ihrer Deckung zu bleiben. Die anderen hockten im Wehrgang, immer gewärtig, mögliche Angreifer zurückzuschlagen. Doch unten auf der Ebene rührte sich nichts.

      Rudger erwachte aus einem oberflächlichen Schlaf. Er konnte sich kaum bewegen. Die Feuchtigkeit und die Kälte der Nacht war in seine Knochen gefahren und er fragte sich, wie das die älteren Ritter unter ihnen aushielten. Doch waren sie sicher Schlimmeres gewöhnt. Die Hitze in den Wüsten des Heiligen Landes war, wenn sie in ihren Rüstungen in den Kampf zogen, oft unerträglicher gewesen. Das hatte er am eigenen Leib erfahren. Er streckte sich kurz und erhob sich. Er erhob sich vorsichtig aus seiner Deckung und blickte über die Mauer. Weit und breit war nichts zu sehen. Gerade wollte er sich wieder auf den Boden gleiten lassen, da erhaschte er eine kurze Bewegung in der Ferne, die in der beginnenden Dämmerung des Morgens kaum zu erkennen war. Im ersten Moment hielt er es für eine Sinnestäuschung. Doch dann zeichnete sich am Rand der Ebene ein Trupp Reiter ab, der sich schnell näherte. Rudger versetzte den neben ihm am Boden hockenden Valten mit dem Fuß einen Stoß.

      „Verdammt, was soll das?“, fuhr dieser auf. Dann sah er, dass es sein Freund gewesen sein musste, der ihn unsanft angerempelt hatte. Fragend blickte er Rudger an.

      „Steh auf.“ Mit einer Bewegung seines Kopfes deutete er in die Richtung der Ebene. „Ich glaube, Reiter nähern sich der Burg. Fragt sich nur, ob es Freund oder Feind ist.“

      Inzwischen waren auch die anderen aufmerksam geworden. Die meisten hatten die Nacht hier oben verbracht. Ihre starren Glieder reckend, traten sie im Schutz ihrer Schilde an die Mauer.

      Eine Schar von einigen Dutzend Berittener näherte sich im Galopp der Burg. Nun konnten sie auch die Fahne der Brandenburger erkennen, die über ihnen wehte. Da erspähten sie wenige hundert Meter hinter dem Trupp eine dunkle Front, die sich nach und nach in Bewegung setzte. Es mussten an die Tausend Männer sein, die hier auf die Ebene zukamen.

      „Bei der Heiligen Jungfrau, wir kriegen Hilfe!“ Jorge, der sich zu ihnen gesellt hatte, sah die anderen mit einem breiten Grinsen an. „Waldemar hat Wort gehalten und schickt uns Truppen.“ Noch einmal starrte er angestrengt in die Ferne. „Bloß, wer sind die Männer, die dort einer Walze gleich den Berg herunterkommen?“ Fragend zog er die Augenbrauen nach oben.

      Lautes Geschrei und das heisere Bellen von Befehlen lenkten ihre Aufmerksamkeit in die andere Richtung, dort, wo Burchards Truppen sich bei einer alten Kirche, die der Burg direkt gegenüberstand, verschanzt hatten. Die Kämpfer Markgraf Waldemars bezogen direkt vor den Linien der Magdeburger Stellung. Ihre Schilde wie eine Mauer vor sich stellend, verharrten sie in drohender Haltung. Nach und nach schloss das Fußvolk auf und die Eingeschlossenen in der Burg erkannten einen riesigen bunten, zusammengewürfelten Haufen von Männern, die zum Teil mit Sensen und Heugabeln bewaffnet waren.

      „Hol mich der Geier“, sagte Odo. „Das sind Bauern.“ Unglauben zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

      Die Sonne stieg gerade hinter dem Horizont hervor, als ein einzelner Reiter aus dem Lager der Magdeburger auf die Neuankömmlinge zusprengte. In seinen Händen hielt er eine Stange, an der eine weiße Flagge wehte.

      „Sie wollen verhandeln“, mutmaßte Endres.

      Rudger nickte. „Sieht so aus.“

      Auch die anderen Ritter verfolgten mit Spannung, was sich unten vor ihrer Festung abspielte. Der Reiter wurde zu einem Anführer der Brandenburger geführt und verschwand in den Reihen der Männer. Es verging fast eine Stunde, dann ritt er zurück, die Fahne vor sich quer über den Sattel gelegt. Rudger konnte erkennen, wie er in der Kirche verschwand. Wahrscheinlich hatten die erzbischöflichen Anführer dort ihr Hauptquartier eingerichtet. Vielleicht war ja Burchard selbst dort, denn er war als gewalttätiger, rücksichtsloser Mann bekannt, der auch persönlich das Schwert gern führte.

      Die Männer auf den Zinnen schienen ihren Augen nicht zu trauen, als die Truppen Waldemars sich ungehindert der Burg näherten, ohne von Burchards Kämpfern bedrängt zu werden. Im Gegenteil – diese schienen sich aufzulösen. Ungläubig beobachteten sie, wie die Magdeburger über die Felder nahezu fluchtartig davonritten.

      „Öffnet das Tor!“, rief Gero. „Es ist Waldemar persönlich, der den Männern voranreitet.“

      „Seid Ihr Euch sicher, Gero?“, fragte Odo zweifelnd. „Wenn es nun eine List ist?“

      „Ich mag zwar älter sein als du, aber meine Augen tun noch gut genug ihren Dienst, Bruder Odo“, konterte der Komtur mit trockener Stimme. „Ich kenne Waldemar. Einer seiner jüngeren Vettern ist vor einigen Jahren den Templern beigetreten. Ich habe ihn damals selbst aufgenommen.“

      Bald füllte sich der Hof der Burg mit Reitern und Fußvolk. Doch es passten bei weitem nicht alle ins Innere der Feste, so dass ein großer Teil der Kämpfer sich draußen auf dem Feld niederließ. Rudger war zusammen mit Gero hinuntergeeilt, um die Befreier zu begrüßen.

      Seine Aufmerksamkeit fiel auf einen stämmigen Ritter. Er saß auf einem mächtigen Streitross. Ein Helm verhinderte den Blick auf sein Gesicht. Ein langer dunkler Mantel umhüllte ihn und fiel herab bis zu den Steigbügeln. Auf einer Seite hatte er ihn über die Schulter geworfen und gab den Blick auf ein langes Schwert frei, das an seinem Gürtel hing. Demonstrativ hatte er die Hand auf dessen Knauf gelegt und blickte herausfordernd in die Runde, als wolle er allen seine Macht demonstrieren.

      Gero eilte dem Ritter entgegen und verbeugte sich ehrerbietig. „Euer Gnaden“, begann er mit sichtlich gerührter Stimme. „Euch schickt der Himmel. Wir hatten uns schon fast damit abgefunden, als arme Sünder vor den Stuhl unseres Herrn treten zu müssen. Doch nun wurde uns der Glaube, auf der richtigen Seite zu stehen, zurückgegeben. Dank Euch und Eurer Verbündeten, die sich nicht gegen die Templer gewandt haben.“

      „Erhebt Euch, mein Freund“, sagte Waldemar mit lauter Stimme. „Nicht Ihr müsst vor mir das Knie beugen.“ Er nahm den Helm ab und schwang sich behänd vom Rücken des Pferdes. Waldemar war eher von kleinem Wuchs. Doch seine aufrechte, stolze Haltung kompensierte seine geringere Größe gegenüber den anderen Männern. Er mochte ungefähr dreißig Jahre zählen, dennoch haftete ihm eine jugendliche Ausstrahlung an. Er legte Gero, der wie die meisten Templer größer als viele Männer war, den Arm freundschaftlich