»Moment«, falle ich Robertus ins Wort, »gibt es bereits ein Skript für mein ›PV‹, ohne dass Sie eine Ahnung haben, wer ich bin und was ich eigentlich sagen will?« Mum legt besänftigend eine Hand auf meinen Oberschenkel und ergreift das Wort.
»Verzeihen Sie, meine Tochter wollte…«
»Danke, Mutter, die ›Tochter‹ weiß ganz genau, was sie wollte.« Mein wütender Blick bringt sie sofort zum Schweigen und schafft Raum für Erklärungen.
»Seit nun mehr vier Wochen habe ich uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Akten, die Ihren Namen tragen. Soll heißen, ich kenne deine Blutgruppe, die Namen deiner Klassenkameraden, bin über schulische Leistungen und deine Liebelei zu Tam Baliette informiert.« Bei diesen Worten krallt Ma ihre Fingernägel tief in mein zartes Fleisch und verschluckt sich an ihrem einhundertzwanzigsten Keks.
»Da muss ein Missverständnis vorliegen. Roya hegt keinen Kontakt zu Jungen in ihrem Alter seit…« Jetzt reicht es.
»Mama, es gibt Dinge, die ich dir nicht brühwarm auf's Brot schmiere. Die Situation ist für mich schon peinlich genug. Bitte mach es nicht noch schlimmer.« Mein Ton ist hart und das Glänzen in ihren Augen kann ich auch nicht wegzaubern, aber an diesem Punkt kann ich meine Helikoptermutter nicht ertragen.
»Frau Roth, vielleicht ist es besser, wenn Sie uns eine Weile allein lassen. Wir werden Sie natürlich später ausreichend informieren.« Mit hängendem Kopf, aber ohne Widerworte verlässt meine Mutter das Zimmer. Ich atme erleichtert aus, obwohl mit ihr auch die Rückendeckung verschwunden ist.
»Nun, zurück.«
»Ich glaube, Sie wollten mir gerade erklären, wie Sie an so persönliche Details gelangt sind, ohne mein Einverständnis darüber einzuholen.« Noten und Arztberichte sind das eine, meine angebliche Liebesbeziehung zu Tam eine ganz andere. Wer außer Fenja, Elvis und den BePolaristen weiß darüber Bescheid? Außerdem hätte ich meiner Mutter diesen Schock gern erspart, solange er nur aus Halbwahrheiten besteht. Bisher glauben meine gutmütigen Eltern, dass ich den ganzen Tag mit Freunden lerne oder Dinge tue, die man im Abschlussjahr eben so treibt. Einen Tristan oder Tam kennen sie nicht. Sie wissen nichts von meinen täglichen Aktivitäten und erst recht nicht, was ich nachts anstelle. Irgendwo ist ein Leck und ich muss es ganz schleunigst verschließen, bevor sich die Hölle für meine Eltern eher als geplant öffnet.
»Roya, ich bin kein Feind, sondern dein Garantieschein für eine langlebige Initiation.« Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.
»Und was hat Tam damit zu tun?«
»Alles.« Er schiebt die Akten beiseite und beugt sich über den Tisch.
»Was wollen Sie von mir?« Intuitiv vergrößere ich den Abstand zwischen uns und mache mich zur Flucht bereit.
»Du kannst es dir denken, oder?« Kopfschütteln – mehr ist nicht aus mir rauszuholen. »Ihr beide – gemeinsam – Einschaltquoten – Herzschmerz bei den Zuschauern – klingelt da was?«
»Sie wollen uns also als das peinliche Liebespaar verkaufen, um Interesse bei den Zuschauern zu wecken? Wen haben Sie noch so in petto? Waisen, Eleven mit Einschränkungen, Exjunkies? Mitgefühl als Kalkül einzusetzen ist falsch und menschenverachtend. Ich werde nicht Ihre Puppe sein, welche Sie schön ausstaffieren und neben den Prinzen auf eine Torte stellen können.« Mit verschränkten Armen und überschlagenen Beinen lehne ich mich zurück und richte den Blick desinteressiert aus dem Fenster.
»Vertrau auf die mehrjährige Erfahrung eines Profis. In den vergangenen Staffeln konnte ich meine Kandidaten stets in die Ministerstühle befördern und werde auch in dieser Neuauflage nicht versagen.«
»Staffel? Neuauflage? So nennen Sie das Prozedere, welches die Zukunft unseres Landes bestimmt? Ist denn alles nur ein Medienhype, um die Bürger vor den Fernsehern zu unterhalten?« Keine Reaktion. »Wissen Sie, ich möchte in diesem Land etwas bewegen, mich auf ehrliche Politik konzentrieren und nicht den Kasper spielen, um die Polarjahrkassen zu füllen.«
»Ist notiert. Können wir jetzt fortfahren?« Dieser Vogel macht mich wahnsinnig. Meine Meinung geht ihm meterweise am A… vorbei. »Lies bitte das Skript und bereite dich ausreichend auf den Dreh vor. Es liegt in deiner Hand, wie weit du in diesem Spiel kommen willst.« Ich koche vor Wut. Von diesem Anzugträger lass ich mir keine Anweisungen geben. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen. Er riecht nach Jasmin und sein nacktes Gesicht jagt mir Angst ein.
»Spiel. Ihr Stichwort. Sie sollten jetzt gehen. Ich muss mich auf das ›Spiel‹ vorbereiten.«
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