Durch die Hölle in die Freiheit. Gregor Kocot. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gregor Kocot
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783750225350
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Wer aber auf mich hört, wohnt in Sicherheit, ihn stört kein böser Schrecken.

       (Sprüche 1:20-33; Einheitsübersetzung).

      Während meines ersten Aufenthalts in Polen lernte ich einen jungen Priester kennen, der meine Verwandten gerne besuchte. Man kann sagen, dass ich mich mit ihm anfreundete. Wir saßen uns gegenüber und tranken Schnaps, auch wenn wir gegensätzliche und sogar sich ausschließende Weltanschauungen vertraten. Ich war fast ein Atheist, und er glaubte an die Wahrheiten, die für mich reine Abstraktion waren. Ich fragte ihn dann: „Glaubst du tatsächlich daran, was du machst oder geht es dir nur ums Geld? Du bist ein aufgeklärter Mensch und weißt Bescheid, dass es Gott nicht gibt.“ Er schaute mich kurz an und erwiderte, ohne große Anstrengung: „Gott existiert, und die katholische Kirche ist die mächtigste Institution der Welt.“ Ich hatte vielleicht nicht Respekt, sondern Achtung vor ihm, weil er mich mit seiner Ruhe, Besonnenheit und Klugheit beeindruckte. Außerdem war ein einfach ein netter und geselliger Kerl. Er war ein toller Gesprächspartner und war den Atheisten deutlich überlegen. Sein Selbstvertrauen war so stark, dass die atheistischen Diskussionspartner kaum noch Chancen bei ihm hatten.

      Im Sommer 1990 feierte ich wieder mit dem befreundeten Priester. Ich hielt das für ganz normal, dass er feierte. Jeder hat Recht auf etwas Unterhaltung. Auch diesmal griff ich das Thema Gott auf, und jetzt unter vier Augen. Ich wollte, dass er mir vertraulich seine wahre Meinung darüber äußerte, ob Gott tatsächlich existiert. Er bestätigte mir das, was er letztes Jahr gesagt hatte, wieder ohne Anstrengung, diesmal aber noch etwas nachdrücklicher: „Gott existiert bestimmt!“ Er versuchte nicht, mich dazu zu bringen, in den Schoß der katholischen Kirche zurück zu kehren. Wahrscheinlich wusste er, dass seine Versuche vergeblich wären, und dass nur schwierige und peinliche Erfahrungen mich dazu führen könnten. Er schaute mich manchmal geheimnisvoll an, ohne etwas zu sagen, als ob er meine Zukunft mit ihren stürmischen Erlebnissen gekannt hätte. Er sagte mir aber nicht, was er von mir hielt. Er war ein sehr interessanter und freundlicher Mann. Ich führte gerne Gespräche mit ihm. Die Priester sind doch ganz gut ausgebildete und intelligente Typen, die sich mit jedem über verschiedene Themen unterhalten können. Sie haben Fähigkeiten, die einen guten Diplomaten ausmachen. Sie können einen Kompromiss eingehen, und zwar ohne in ihrem Standpunkt nachzugeben, aber auch ohne ihre Gesprächspartner zu verurteilen. Ich hielt mich im Zaum. Auch wenn meine Meinung von den Überzeugungen des Gegenübers abwich, kritisierte ich ihn nicht und verletzte seine Gefühle auch nicht. Die Ideologien der anderen waren mir gleichgültig, aber ich versuchte auch nicht, meine Meinung durchzusetzen. Letztendlich war ich von meinen eigenen Ansichten nicht hundertprozentig überzeugt. Ich unterhielt mich gerne mit jedem, der seine Meinung zu einem bestimmten Thema hatte und etwas Wissen mit mir teilte, da auch ich dann etwas mitbekommen konnte.

      Das Jahr 1990 war das letzte Jahr, in welchem der Alkohol meine Freizeit angenehmer machte ohne besonders auffällige Spuren und Nebenwirkungen zu hinterlassen. Bald sollte sich meine Beziehung zu ihm radikal ändern, und zwar unwiederbringlich. Diese schönen Momente in der Zukunft noch einmal zu erleben mit der Flasche dabei und gleichzeitig ganz locker – das ging nicht mehr.

      Die Minderjährigen

      Es war im Sommer 1990 in Zwoleń. Ich war gerade in einem kleinen, behaglichen Park im Stadtzentrum. Ich wollte Mädchen aufreißen, die sich dort herumtrieben. Ich kam auf zwei sehr junge, niedliche Teenies zu, die auf der Bank saßen. Ich sprach sie an. Mir schien, dass sie aus dem Dorf kamen, das an mein Heimatdorf angrenzt. Ich erkannte sie, weil sie ihren Geschwistern ähnlich waren, die mir bekannt waren. Sie jedoch wussten nicht, wer ich war, zumindest machten sie einen solchen Eindruck. Ich lud sie zum Eis ein. Sie nickten mir zu. Dann schlug ich vor, dass ich sie zur Spazierfahrt mit meinem Auto mitnehmen könnte. Sie ließen sich ohne Zögern herumfahren. Ich dachte mir: Das war ein einfaches Spiel, sie aufzureißen.

      Als ich sah, wie gerne die Mädels mitmachten, kam ich auf die Idee, dass sich jetzt eine Gelegenheit bot, ein angenehmes Abenteuer mit ihnen zu erleben. Ich schaute sie an mit den Augen eines Mannes, der eine bestimmte Sache beabsichtigt, und fragte, wie alt sie seien. Sie begriffen schnell, worum es mir ging und antworteten im Chor: Siebzehn. Es war mir nun sonnenklar, dass sie mit mich gerne ficken würden und wegen ihres jungen Alters nicht abgelehnt werden wollen. Mir dämmerte es, dass ich jetzt vor einer Chance stand, die nicht so oft vorkommt. Mir standen gerade zwei liebeshungrige Mädchen zur Verfügung. Die Versuchung war richtig stark. Ich fing an, das Für und Wider abzuwägen.

      Ich glaubte, dass die Mädels nicht älter als vierzehn waren. Das waren also noch Kinder, die unter der schützenden Hand des Staatanwalts standen. Man musste vorsichtig sein: Ich kannte sie aber sagte es ihnen nicht. Es konnte sein, dass sie mich auch kannten, ohne das zu verraten. Wenn es tatsächlich der Fall war, konnte es dazu führen, dass sie mich erpressten, wenn ich mit ihnen schon intim werden würde. Wenn man die rechtlichen Verhältnisse betrachtet, kann meine Lage dann alles andere als schön sein. Mein Gewissen ließ es nicht zu, mit diesen Krabben intim zu werden. Und vielleicht ersparte ich mir dadurch Probleme, mit denen sich Roman Polański auseinandersetzen musste.

      Ich fuhr die Mädchen zu meiner Verwandten zum Kuchen und Kaffee. Dann konnte ich die Versuchung problemlos bekämpfen. Ich war doch kein Schafbock, der keine Gelegenheit ungenutzt vorbeigehen ließ. Im Gegenteil. Vor solchen Typen ekelte ich mich regelrecht. Das ganze Leben stand vor ihnen. Warum sollte ich der erste sein, der sie ihr Liebesabenteuer erleben lässt? Oder vielleicht hatten sie schon solche Abenteuer hinter sich? Vielleicht waren sie es, die mich aufrissen und nicht umgekehrt? Schwer zu sagen. In ihren Augen sah ich nur Schuldlosigkeit und gar keine Routine. Aber wer weiß, vielleicht ist gerade diese Schuldlosigkeit, die die Männer wahrnehmen der verführerischste Köder, den man sich vorstellen kann.

      Unbewusstes Fahren

      Zum ersten Tag von Weihnachten 1990 wurde ich von einem Mädel eingeladen, das in der Nähe von Zwoleń wohnte. Ich versprach ihr früher, dass wir mal ein Date haben würden. Sie bestand darauf, und ich besuchte sie endlich. Ich konnte mich doch stets nicht damit herausreden, dass ich keine Zeit hatte. Schon im Sommer merkte ich, dass sie auf mich aufmerksam geworden war, aber mein ständiges Flirten mit anderen Mädeln ließ keinen Spielraum für dieses Treffen. Sie studierte Jura an der Warschauer Universität, und ich konnte mich mit ihr über viele Themen unterhalten, die ich interessant fand. Wir holten uns eine Flasche Wein aus der lokalen Saufbude.

      Für Ende Dezember war es verhältnismäßig warm. Ich schlug vor, dass wir die Zeit draußen verbringen. Ich brachte sie zu einer abgelegenen Kreuzung mitten in den Feldern, damit wir in einer romantischen Szenerie nette Gespräche führen und den Wein genießen konnten. Es war wunderbar. Der Mond war voll, was die Atmosphäre noch romantischer machte. Ich sah das strahlende Gesicht von diesem Mädel, das sehr froh darüber war, dass wir endlich unter vier Augen sprechen konnten und dass ihre Träume in Erfüllung gingen. Plötzlich geriet das Gespräch ins Stocken, weil ich keine Lust zeigte, mit ihr zu ficken. Das Weintrinken, intellektuelle Gespräche und der Charme der Nacht sprachen mich mehr an als ein Date mit Geschlechtsverkehr. Wenn ich nachts mit dem Auto fuhr, hielt ich manchmal an und ging raus, um den Vollmond zu betrachten. Ich machte alles andere als das, was ich machen sollte. Das Mädel gab mir eindeutig zu verstehen, dass es ihr gar nicht um das Gespräch ging. Ich reagierte darauf nicht. Ich wusste nicht, was in mich fuhr. Wollte ich diesen wunderschönen Mondabend nicht verderben? Lag es daran, dass man sich mit kaum einer Frau so gut unterhalten konnte? Ich wollte die Zeit nicht für intime Sachen vergeuden. Von dem Intimen hatte ich schon die Nase voll. Dem Mädchen ging es mehr darum, was für mich nur zweitranging war. Später beschwerte sie sich über mich und sagte, dass ich ein echt komischer Typ wäre.

      Das war nicht das erste Mal, dass mich Alkohol zum Egoisten machte und dass ich deshalb nicht darauf achtete, was die Frau zum jeweiligen Zeitpunkt machen wollte. Glücklicherweise kamen solche Situationen nur sporadisch vor, und zwar nur dann, wenn ich einiges intus hatte.

      Er als ich von dem Treffen mit der Studentin zurück nach Hause kam, bekam ich richtig Lust auf eine Frau. Ich hatte schon einen ordentlichen Schwips, aber ich entschied mich trotzdem dafür, eine Freundin