Um ein Haar dem Zusammenstoß entkommen
Im Juni 1990 fuhr ich mit meinem ersten Auto in den Urlaub nach Polen – mit einem Renault 5. Ich war ein frisch gebackener Fahrer. Gerade einen Monat früher erhielt ich in Deutschland meinen Führerschein. Mit dem Fahren ging es mir immer besser, und ich wagte immer kühnere Manöver beim Überholen. Dass ich mir immer größere Herausforderungen stellte, hieß nicht, dass sich meine Erfahrung und Fähigkeiten so rasch entwickelten. Die Kunst des Autofahrens richtig zu beherrschen braucht Zeit. Ich wollte dies beschleunigen. Meine Leichtsinnigkeit hätte für mich tragische Folgen haben können. Ich drückte immer mal wieder auf die Tube und überschätzte meine Fähigkeiten somit total.
Ich war gerade dabei, ein Auto zu überholen. Ich bemühte mich nicht genügend darum, die Geschwindigkeit des entgegenfahrenden Fahrzeugs etwas genauer einzuschätzen um zu wissen, ob ich mir diese Manöver leisten konnte. Ich richtete mich nach dem Prinzip: „Erst handeln, dann denken“. Auf dem Weg ist das immer wieder der Fall.
Ein Auto, das ich überholen wollte, drosselte das Tempo aber nicht. Im Gegenteil. Der Fahrer gab noch Gas. Das sah ich nicht vorher. Trotzdem versuchte ich hartnäckig, dieses Fahrzeug hinter mir zu lassen. Plötzlich wurde mir klar, dass ich es nicht hinkriege, weil ich überhaupt nicht daran gewöhnt war, so schnell zu fahren. Ich zögerte kurz. Vielleicht sollte ich meine Absicht aufgeben und das vorbeifahrende Auto nicht überholen? Die Situation war gefährlich. Das entgegenkommende Fahrzeug fuhr rasant auf mich zu, und der Fahrer im Auto neben mir behandelte mich wie Luft. Trotz all dem setzte ich mein Überholungsmanöver fort und verlor dadurch kostbare Sekunden. Im letzten Augenblick, als mir schon himmelsklar war, dass ich keinen Ausweg hatte, bremste ich plötzlich stark. Das entgegenfahrende Auto bremste auch, sonst wären die Maschinen frontal zusammengestoßen und in Stücke zerrissen worden. Wir hielten zwei Meter voneinander an. Ich spürte kurz die pulsierende Hitze in meinem Körper. Der Fahrer, der dazu gezwungen war, auf eigener Spur zu bremsen zeigte mir den Vogel, als ob er sagen wollte, dass ich nicht ganz richtig im Kopf wäre. Mir wurde es sehr peinlich. Ich entschuldigte mich bei ihm um fuhr schnell ab, um den Weg nicht zu blockieren. Ich musste aber irgendwo Halt machen, um mich von dem Schrecken zu erholen. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht in der Lage war weiter zu fahren. Ich musste trotzdem ein paar Kilometer zurücklegen, weil ich den Eindruck hatte, dass alle Leute auf mich schauten. Erst dann fand ich einen Rastplatz und erholte mich. Ich versprach mir, dass ich fortan nicht mehr so auf die Tube drücken würde, da ich doch ein unerfahrener Fahrer war, der seinen Führerschein erst seit einem Monat hatte. Ich musste noch viel lernen.
Schönes Jahr 1990
Am Anfang dieses schönen Jahres schaffte ich meinen deutschen Führerschein. Ich konnte es kaum erwarten, mit dem Auto zu fahren. Noch vor dem Kurs schaffte ich mir ein Auto an. 1990 war ich dreimal im Urlaub in Polen. Das war für mich ein großer Aufwand, vielleicht deshalb, weil ich viel Geld für die Saufereien ausgab. Ich lernte verschiedenste Mädels kennen und fuhr sie mit meinem Wagen, auch in kleinen Gruppen. Das machte mir viel Spaß. Ich besuchte mehrere Frauen am Tag, flirtete mit allen zugleich und machte daraus keinen Hehl. Jede Frau wusste, dass sie nicht „die Richtige“ war und viele Rivalinnen hatte, und keine machte mir deswegen Ausflüchte. Sie genossen die Zeit mit mir und waren dankbar dafür.
Eine von ihnen war Anna. Dieses kultivierte und intelligente Mädchen hätte meine Ehefrau werden können. Jedenfalls sagten mir das die Leute. Ich beherzigte ihre Ratschläge aber nicht und ließ sie unbeachtet. Anscheinend hatte sie das gewisse Etwas nicht. Ihr fehlte diese körperliche Anmut, sodass ich sie nicht anziehend fand. Was nützte es mir, dass die anderen in ihr eine passende Kandidatin für meine Lebensgefährtin sahen, wenn ich es mir selbst kaum vorstellen konnte? Meiner Meinung nach sollte sich die Anziehungskraft einer Frau nicht aus ihrer Intelligenz, sondern aus ihrem Sexappeal ergeben. Anna war sehr hübsch, niedlich und intelligent, aber ich spürte keine sexuelle Anziehungskraft. Sie bedeutete mir daher nicht sehr viel, und deshalb bemühte ich mich nicht um ihre Gunst.
Ab und zu begegnete ich aber einer Frau, für die ich durchs Feuer gegangen wäre. Niemand müsste mich dann davon überzeugen, dass diese oder jene Frau für mich geschaffen war. In jener Zeit wusste ich noch nicht genau, welche physischen Merkmale einer Frau mir am besten gefielen und welche mich am stärksten anzogen. Mein Traumbild einer Frau entstand Stück für Stück. Ich machte Mädels mit unterschiedlichen Figuren an. War ich aber zu diesem Zeitpunkt ausreichend verantwortlich, um eine ernsthafte Beziehung einzugehen? Die alkoholreichen Partys waren für mich um ein ganzes Stück wichtiger. Der Alkohol war ein Muss. Eine Feier ohne Sprit war keine Feier für mich. Ich geriet Schritt für Schritt in den Bann des feuchtfröhlichen Feierns. Dieser Lebensstill verschleierte mir die nüchterne und realistische Wahrnehmung der Realität. Wenn ich mich für Anna entschieden hätte, hätte ich dann ein stabiles Leben führen können? Wer weiß. Aber bestimmt hätte ich dieses Buch letztendlich nicht geschrieben. Darum bedaure ich meine schwierigen Erfahrungen und leichtsinnigen Jugendstreiche gar nicht. Meine Erinnerungen können andere dazu bringen, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken. Darüber hinaus ist all das schon vorbei, und man kann nichts daran ändern. Es macht keinen Sinn, sich nun damit zu quälen. Man muss jedoch im Kopf behalten, dass wir selbst den höchsten Preis für unsere Fehler bezahlen müssen.
Jeder, der mein Leben auf den Seiten dieses Buches betrachtet und ein wenig Vernunft und Demut hervorbringen kann, nimmt auch sein eigenes Leben unter die Lupe. Vielleicht fängt der Leser an, sein eigenes Universum zu erkunden und seine Identität zu entdecken. Vielleicht begreift er, welche Kräfte im Spiel sind, die versuchen, die Oberhand über ihn zu gewinnen, und warum sie uns manchmal nicht unsere eigenen Wege gehen lassen.
Der Herr lenkt die Schritte eines jeden. Wie könnte der Mensch seinen Weg verstehen?
(Sprüche 20:24; Einheitsübersetzung).
Was bedeutet diese Bibelstelle? Wer ist der Herr? Wer ist der Herr, dem du dienst? Erkanntest du Ihn schon? Und vielleicht ist Er nicht derjenige, der du glaubst, dass Er ist? Und was dann? In der Tat herrscht über uns das Gesetz, dem wir unterliegen, und zwar ohne Rücksicht darauf, welchen Glauben und welche Anschauungen wir vertreten. Der Glaube kann wie ein zweischneidiges Schwert sein. Wenn wir unseren Glauben in eine falsche Richtung lenken, kann das für uns tragische Folgen haben. Welche Kraft kann uns also zu unserem Wohl durchs Leben führen?
Ich bin mir mittlerweile bewusst, was in meinem Leben wahrhaftig und nachhaltig funktioniert, und was nur scheinbar und vorläufig ist. In jener Zeit aber lag noch ein langer, beschwerlicher und trostloser Weg zu dieser Wahrheit vor mir. Ein Weg zur Weisheit, die tatsächlich auf unser Wohl ausgerichtet ist. Ihr könnt euch selbst davon überzeugen, wie schwierig es ist, den richtigen Weg zu finden. Um jede Ecke findet ihr Berater, die Allheilsmittel für euch parat haben. Und der ersehnte Weg wird näher sein, als wir denken. Dieser wahre Weg versucht leidenschaftlich uns selbst zu finden und uns neues Leben einzuhauchen. Wieso ist es also so schwierig die Weisheit zu erlangen?
Die Weisheit ruft laut auf der Straße, auf den Plätzen erhebt sie ihre Stimme. Am Anfang der Mauern predigt sie, an den Stadttoren hält sie ihre Reden: Wie lang noch, ihr Törichten, liebt ihr Betörung, gefällt den Zuchtlosen ihr dreistes Gerede, hassen die Toren Erkenntnis? Wendet euch meiner Mahnung zu! Dann will ich auf euch meinen Geist ausgießen und meine Worte euch kundtun. Als ich rief, habt ihr euch geweigert, meine drohende Hand hat keiner beachtet; jeden Rat, den ich gab, habt ihr ausgeschlagen, meine Mahnung gefiel euch nicht. Darum werde auch ich lachen, wenn euch Unglück trifft, werde spotten, wenn Schrecken über euch kommen, wenn der Schrecken euch wie ein Unwetter naht und wie ein Sturm euer Unglück hereinbricht, wenn Not und Drangsal euch überfallen. Dann werden sie nach mir rufen, doch ich höre nicht; sie werden mich suchen, aber nicht finden. Weil sie die Einsicht hassten und nicht die Gottesfurcht wählten, meinen Rat nicht wollten, meine ganze Mahnung missachteten, sollen sie nun essen von der Frucht ihres Tuns