„Nur widerwillig. Er machte mir Vorschläge, wie er ihn unauffällig beseitigen könnte.“ Zum Beispiel ein kleiner Genickbruch mit Autounfall …
„So kenne ich ihn schon eher.“
Um weiteren Fragen zu entgehen, marschierte sie ins angrenzende Schlafzimmer und begann zu packen. John folgte ihr und wollte gerade wieder den Mund aufmachte, deshalb fragte sie schnell: „Hast du die zwei Kirschbäume im Garten gesehen?“
Er nickte. Natürlich entging ihm nichts!
„Im Sommer spanne ich mir da öfters eine große Hängematte.“
„Lara, wir müssen …“
„Und im Herbst wollte ich einen offenen Kamin ins Wohnzimmer einbauen lassen.“
John kam auf sie zu und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich verstehe, worauf du hinauswillst, Lara und glaub mir, deine Mühle gefällt mir wirklich gut, aber …“
„Ich könnte doch solche Spezialgläser einbauen lassen oder im Keller ein zweites Schlafzimmer einrichten.“
Er hob ihr Kinn, bis sie ihn ansehen musste. Die Wärme in seinen bernsteinfarbenen Augen nahm sie gefangen.
„Bietest du mir hier ein Zuhause an?“
Das wurde ihr erst jetzt bewusst. Sie schluckte. Mit einem Mal beschlich sie Angst und Unsicherheit. Doch zumindest würde sie in ihrem Zuhause nicht die ganze Zeit das Gefühl haben, in einem Mausoleum zu leben und als Elisabeth stände zwischen ihnen. Vielleicht hätten sie hier ja trotz allen Problemen eine echte Chance.
Durfte man nicht träumen und hoffen?
Verlegen schaute sie zur Seite und versuchte zu scherzen, aber es klang dennoch traurig. „Falls es mit uns nicht klappt, kann ich dich ja wieder rauswerfen.“
Es war sinnlos, sie konnte John nichts vormachen.
„Schon gut Lara, wir müssen nichts übereilen.“
Zögernd suchte sie seinen Blick. Anstatt gekränkt zu wirken, lächelte John auf eine Art, die ihr Herz warm werden ließ, und strich mit seinem Daumen über ihre Wange.
„Wenn du willst, fahre ich ab und zu mit dir hier raus, aber momentan ist es nicht sicher genug, um hier zu wohnen. Und wir sollten jetzt auch aufbrechen, Lara, je schneller, desto besser.“
Tränen wollten ihr aufsteigen, doch sie kämpfte dagegen an. John schloss kurz die Augen und küsste ihre Stirn.
„Es tut mir leid, Lara.“
Und das glaubte sie ihm sogar.
Unruhig wandte er sich von ihr ab und schaute aus dem Fenster. Lara sah zu ihren gepackten Koffern und Taschen.
„Ich will nicht hier weg, John und du …“ Kannst mich nicht zwingen, hätte sie gesagt, aber ein Blick in sein Gesicht verriet ihr das Gegenteil. Er würde sie notfalls mit Gewalt zurückbringen. Sie schluckte erneut.
„Wir konnten die Brieftasche mit deinen Papieren weder in der Villa, in der sie uns gefangen hielten, noch bei den Toten des gestrigen Kampfes finden.“
Wie ein Donnerschlag schlugen ihre Erinnerungen ein.
Sie beide waren gefoltert worden! Es hatte bereits zwei Kämpfe mit weiß Gott wie vielen Toten gegeben.
Ihre Hände fingen an zu zittern, und weil ihre Knie weich wurden, ließ sie sich auf das Bett sinken.
John fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß, das wolltest du nicht hören, aber auch wenn Elia alle Daten über dich in Ramóns Computersystem vernichtet hat …“
„Hör auf!“, unterbrach sie ihn scharf, fügte leiser hinzu: „Bitte.“
Sie biss sich fest auf die Lippe, um nicht laut loszuheulen.
„Verzeih mir, Lara.“ Er blickte sich im Zimmer um.
„Fehlt dir noch was? Vinz hat uns für heute Abend doch zum Essen eingeladen.“
„Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.“
Sie sollte jetzt aufstehen – und blieb doch sitzen.
Aufzustehen und ihr geliebtes Heim wie ein Kriegsflüchtling mit ungewissem Schicksal zu verlassen – dazu hatte sie nicht die innere Kraft.
Als spüre John ihren inneren Konflikt, streckte er seine Hand zu ihr aus. „Komm, Lara, wir schaffen das.“
Sie blickte auf seine Hand und dann in sein Gesicht, begriff, dass diese Geste und seine Worte das Versprechen meinten, ihr Stärke und Halt zu geben, in seiner ihr noch unbekannten Welt.
Sie ließ sich von ihm hochziehen. Er hielt ihre Hand noch einen Augenblick länger und drückte sie leicht.
„Mir fehlt nur noch mein historisches Kleid und Trockenfutter für Tarzans Napf im Mühlenturm, sonst habe ich alles“, brachte sie mit Mühe aus ihrem trockenen Hals.
Sie öffnete den Schrank und holte ihr märchenhaft schönes mittelalterliches Kleid heraus. Edler, weinroter Samt, mit kostbaren, schwarzen Bordüren und schwarzen Verschnürungen, dazu ein weißes Unterkleid aus feinstem Leinen. Der Gedanke, dass John sie vielleicht daran hindern würde, nach England zu fahren und es zu tragen, trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihre Hand krampfte sich fester um den Bügel, während sie ihre Tränen wegblinzelte.
Als sie sich umdrehte, strebte John schon mit all ihren Taschen und dem Koffer zur Tür. Sein Blick blieb an dem durchsichtigen Kleidersack hängen. Er hielt inne und trat näher. Seine Augen glitten anerkennend über das Gewand.
„Das ist wunderschön – und originalgetreu.“
John hatte zu dieser Zeit gelebt – und wenn er so etwas sagte … Mit einem stolzen Lächeln schaute sie auf ihren Besitz.
„Eine Bühnenschneiderin hat es nach einer Originalvorlage von mir maßangefertigt.“
Das teuerste Kleid, das sie je besessen hatte!
„Aber sieh dir mal die Verschnürung im Rücken an. Ich frage mich, wie ich das allein anziehen soll.“
Auf Johns verführerischem Mund zeichnete sich wieder dieses spitzbübische Lächeln ab, das sie so liebte.
„Lass mich raten – du kennst dich damit aus, oder?“
„Dafür gab es früher zwar Zofen, aber für einen Mann kann es durchaus einen gewissen Reiz ausüben, wenn …“
„Aha, verstehe“, meinte sie schmunzelnd.
Eine Fledermaus flog am Fenster vorbei und John zuckte zusammen, sein Lächeln verschwand. „Wir müssen los, Lara.“
Dabei wirkte er, als koste es ihn seine ganze Beherrschung, sie nicht sofort über die Schulter zu werfen und loszurennen.
„Ich zieh mir nur schnell meine eigenen Sachen an.“
Bis auf die Stiefel trug sie immer noch Alvas Kleider.
„Hilfst du mir bitte, die schusssichere Weste auszuziehen?“
„So, ich bin fertig“, verkündete sie kurz drauf.
John musterte sie von oben bis unten. „Das sind die Sachen, in denen ich dich kennengelernt habe.“
Sie schaute an sich herunter. „Stimmt – aber das ist Monate her. Und du kannst dich noch daran erinnern?“
„Ja, und da ist noch etwas wie in dieser Nacht.“
Er trat hinter sie, beugte den Kopf zwischen ihren Hals und ihre Schulter und sog genussvoll den Duft in seine Nase. Ihr Nacken kribbelte – angenehm – und sie schloss die Augen.
„Südfranzösischer Lavendel und Vanille mit einer Spur Amber und Moschus.“
„Les Plus Belles