Outback Todesriff. Manuela Martini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuela Martini
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742759511
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fort und schob das Kinn vor, was ihn noch brutaler aussehen ließ. Shane nickte. Vielleicht ging’s mit seiner Karriere weiter bergauf.

      „Jack, du bist sein Stellvertreter.“

      „Ist recht“, murmelte Jack und nahm das läutende Telefon ab. „Für dich“, er reichte Shane den Hörer. „Der Commissioner“, sagte er noch mit einem bedeutungsvollen Augenrollen.

      „Shane, kommen Sie mal rüber!“, bellte der und es klang nicht gut.

      Der Commissioner hielt ihm die Tages-Zeitung vors Gesicht. Die Schlagzeile war nicht zu übersehen:

       Serienkiller-Detective in Schlägerei verwickelt

      Und darunter war sein Bild. Scheiße, dachte er, wieso war da auch noch ein Fotograf gewesen? Der Commissioner, ein drahtiger, stets sorgfältig gekleideter und frisierter Mann in den Fünfzigern, drehte die Zeitung um und las:

      „Kein Wunder, dass es keinen Fortschritt im Frauenserienkiller-Fall gibt. Einer der maßgeblich an den Ermittlungen beteiligter Detective ist ein brutaler Schläger und Trinker.“ Er sah Shane über den Rand seiner Lesebrille hinweg an. „Wollen Sie auch das Bild sehen? Damit keine Zweifel aufkommen, ist Ihr Name abgedruckt.“

      Shane stöhnte.

      „Und, haben Sie etwas dazu zu sagen?“

      Shane warf einen Blick auf das Foto. Ein wütend dreinschauender Typ mit graumeliertem, lockigen Haar – und immerhin einer schmalen geraden Nase, hatte einen entsetzt blickenden gut angezogenen Herren am Kragen gepackt und presste ihn gegen eine Mauer.

      „Sie werden verstehen, O’Connor, dass in unserer momentanen Situation alle erwarten, dass wir diesen Serienkiller-Fall endlich lösen. Das verstehen Sie doch, oder?“ Ich bin nicht blöd, wollte Shane sagen, aber er nickte, sonst würde diese ganze Geschichte hier noch länger dauern.

      „Also“, der Commissioner räusperte sich und lehnte sich zurück. „Wir haben eine neue Leiche. Wieder ohne Kopf. Aber keine Frau. Diesmal ist es ein Mann. Gefunden in“, er nahm ein Papier vom Schreibtisch und hielt es näher an seine Augen, „Coocooloora. Noch nie gehört. Ist neunhundert Kilometer von hier entfernt.“ Er ließ das Papier sinken und lächelte. „Da haben wir Sie weit genug aus dem Schussfeld.“

      Shane war erst mal sprachlos, dann sagte er: „Warum schicken Sie nicht Jack? Marlowe hat mich gerade zum Teamleiter ernannt – Sie wollen sich doch nicht im Ernst von diesen ... diesen Zeitungsfritzen in Ihre Ermittlungen reinreden lassen! Und das, was da passiert ist, das hat überhaupt nichts mit ...“

      „O’Connor, Ihre Maschine fliegt in drei Stunden.“ Er lächelte wieder sein Saubermannlächeln und Shane stand auf. Arschloch, wollte er sagen, aber das brachte er dann noch nicht.

      „Kann diese verdammte Aircondition nicht ein einziges Mal weder zu kalt noch zu warm sein?“, brüllte Shane los, zurück im Büro. „Ich frag dich, ist das zu viel verlangt? Wenn man hier zehn Stunden am Tag, fünf Tage die Woche schuftet? He, Jack, sag’s mir! Ist das zu viel verlangt?“

      „Shane, ein Sandwich, ich hab noch eins übrig.“ Jack schwenkte eine Tüte vor seiner Nase.

      „Steck dir dein verdammtes Sandwich sonst wohin, häng es dir meinetwegen um den Hals.“

      „Shane, wen du Probleme hast, du weißt, mit mir kannst du reden, ich bin dein Freund.“ Unter normalen Umständen hätte Shane über sein gespieltes Therapeutengefasel gelacht. Stattdessen knurrte er:

      „Coocoolorra – schon mal gehört? Ich schick dir ´ne Postkarte, soll einen schönen Campingplatz dort geben, reaktionäreViehtreiber und hässliche Frauen. “

      Jack sah ihn erstaunt an. „He, die schicken dich dahin? Warum übernimmt das nicht Ross, der ist doch schon da?“

      „Weil sie verdammte Arschlöcher sind, darum.“ Shane warf die Tür hinter sich zu. Er hätte jetzt ein Whisky vertragen können.

       Andy

      Andy starrte durch die Windschutzscheibe, an der gelbes Fliegenblut klebte. Seit Stunden verschluckte die Motorhaube das bis zum Horizont gespannte graue Teerband. Kein Hügel, kein Baum wuchs aus dem Land empor. Nur Gras. Knöchelhoch, kniehoch, hüfthoch. Ohne Straße wäre man verloren. Hin und wieder tauchten ein paar magere Rinder auf, braune Brocken im Grasland. Emus reckten die hässlichen Hälse, begannen dann zu traben. Ihre Körper wippten wie buschige Federboas, wenn sie mit dem Auto um die Wette liefen, dabei blitzschnell Haken schlugen und ins Auto zu rennen drohten.

      Auf verkohlten Baumstämmen hockten dunkle Raubvögel und warteten auf tote oder lebendige Beute, rosafarbene Federn überfahrener Papageien mit Blut auf den Teer geleimt, wehten mit ihrem Spitzen im Wind. Am Straßenrand Reste von auf Motorhauben geschleuderter Kängurus - graue Fellhüllen und herausgerissenes Gedärm, gelblich schimmernd und schwarz von Fliegen.

      Aber auf dem Himmel klebten weiße Wolken wie Marshmallows auf einer blauen Tischdecke.

      Seit zwei Stunden kauerte Andy auf dem Beifahrersitz von Scottys Lieferwagen, rumpelte mit ihm in Richtung Coocooloora. Vor zwei Monaten war er siebzehn geworden. „Sieht er nicht aus wie der kleine Mozart“, hatte Mary Sheller ausgerufen, wenn Andy als Kind in ihren Laden in Quilpie gekommen war, um einen Schraubenzieher, einen Eimer oder Seife zu kaufen. „Woher will die alte Schlampe wissen, wie Mozart aussieht?“, hatte sein Vater gemeint, ein kräftiger, bärtiger Deutscher. So war er eben, sein Vater. Er selbst kam mehr nach seiner Mutter, einer zarten, hellhäutigen und nicht sehr großen Frau, deren Vorfahren vor hundert oder mehr Jahren von Schottland nach Australien gekommen waren.

      Nie konnten sie sich der Sonne aussetzen. Ihre Haut verbrannte, ihre hellblauen Augen mussten sie durch breitkrempige Hüte schützen, und dort, wo die Hemden endeten, am Hals, im Nacken, an den Händen und im Gesicht, bildete sich ein Teppich hellbrauner Sommersprossen. Auch das Haar hatte Andy von ihr. Rote, dicke Locken, die er bis zum Kinn trug.

      Manchmal träumte er vom wolkigen Norden Europas, von dunkelgrünen Wiesen und grauem Meer, kalter Luft und Menschen, die so aussahen wie er.

      Aus dem Radio dudelte Countrymusik, schmalzige Stimmen, die von einsamen Nächten am Lagerfeuer sangen und von der einzigen Frau, die sie wollten, aber niemals bekamen. Scotty sang mit, traf nie den Ton und kannte nur die Refrains. Scotty war wohl um die fünfzig, schätzte Andy. Er war gedrungen und rundlich, hatte eine zu große Brille und zu dünne Beine – und schrecklich gute Laune.

      „Wenn du schon achtzehn bist, Kleiner, nehm’ ich dich bis Peter Hills Laden mit“, hatte Scotty am Morgen in Quilpie gesagt, und dass er für Miller’s Bakery Backwaren auslieferte. Hill’s Laden in Coocooloora sei seine letzte Station. Coocooloora läge zweihundert Kilometer von Quilpie entfernt, am Rand des Mitchell Highways. Nach Lambina, wo man tonnenweise Opal aus der Erde holte, waren es fünfzehnhundert Kilometer weiter.

      Doch Andy stieg ein, obwohl er ihn „Kleiner“ genannt hatte. Er wollte so schnell wie möglich aus Quilpie fort. Er kramte aus dem Rucksack auf den Knien eine Packung Zigaretten, er wollte nicht unhöflich sein und fragte: „auch eine?“

      Scotty lachte. „Jungchen, in deinem Alter hab ich auch gedacht, nichts kann mich umhauen, hab gequalmt wie die Gangster im Fernsehen, und dann ist mein Vater gestorben. Frontalzusammenstoß auf dem Pacific Highway. Von da an hab ich nie wieder eine Zigarette angerührt - und keinen Alkohol.“

      „Warum?“ Andy sah keinen Zusammenhang.

      „Weil ich in dem Moment kapiert hab, dass man das Leben nicht wie ein Stück Scheiße behandeln soll!“

      Andy steckte die Zigarette weg. Nur jetzt nicht irgendwelche Lebensweisheiten! Warum glaubten die Alten immer, sie müssten einem sagen, wo’s langgeht?

      „Ich fahre nachher wieder nach Quilpie zurück, falls du es dir anders überlegst ...“ Scotty blickte durch seine Brillengläser zu Andy herüber. Der ist wie mein Vater, dachte Andy, starrte weiter durch die Windschutzscheibe, sagte: „Nein, ich werde es mir