Die inneren Kommunikationsberater·innen nach den fünf Wirkprinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin
Einleitung
»Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum.In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.«
Viktor Frankl
»Miteinander zu reden ist menschliche Realität;damit Lebensfreude und Heilung zu erreichen, eine Kunst.«
Frei nach Frédéric Lenoir
Welche Zusammenhänge gibt es zwischen psychologischen Aspekten von Kommunikation und traditionellen Naturheilverfahren?
Wir wissen, dass Kommunikationsstörungen krank machen und unbewusste Veränderungen im Körper bewirken können – aber gilt das auch umgekehrt?
Menschen sind seit frühester Kindheit schnell in der Lage, miteinander zu sprechen. Erst mit der Zeit lernen wir zu unterscheiden, ob unsere Worte verletzen oder versöhnen. Motorisch lernen wir laufen, ohne zu stolpern, Fahrrad fahren, schwimmen oder ein Musikinstrument zu spielen. Erziehung und Vorbilder helfen uns dabei im Kontakt nach außen. Im Inneren stellen wir fest, dass die äußere Welt im Widerspruch zu unserem Inneren, zu unseren Bedürfnissen und Wünschen steht, und wir stellen uns Fragen: Wie gehen wir um mit unerfüllten Wünschen, mit der Enttäuschung und dem Leid? Wie gelingt uns wohltuende Nähe zu anderen Menschen? Wie gelangen wir zu umfassender Heil- und Lebenskraft, die mehr von sozialer Wärme und innerem Frieden geprägt ist als vom Streben nach Reichtum und Macht?
Diese Fragen beschäftigen die Menschheit von Beginn an in ihrer kulturellen Entwicklung, sei es im Rahmen von Naturreligionen, spirituellen Haltungen, Philosophie oder dem Streben nach einer universellen Weisheit, frei von normativer Verkrustung. Zunehmende Bedeutung auf diesem Weg kommt der Begegnung zwischen den Menschen zu und der Art, wie sie sich inhaltlich austauschen.
Bei diesem »Wie« denken wir meist zuerst an die verschiedenen Formen der Begegnung, an Wortwahl und Empathie, Themen, zu denen es bereits viele gute Ratgeber gibt. Wirksam werden deren Ratschläge vor allem aber mit einer besonderen inneren Haltung, die uns überhaupt erst dazu befähigt, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse sowie die des Gegenübers wahrzunehmen. Wie lässt sich diese Haltung erreichen, welche Methoden oder mentale Techniken sind dabei hilfreich?
Die Suche nach Antworten darauf hat mich im Verlauf meiner beruflichen Entwicklung als Arzt und Psychotherapeut und mit dem Wissen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) fasziniert. Erfahrungen mit der Weiterentwicklung gedanklicher Hintergründe traditioneller Naturheilverfahren in Therapie und Coaching, deren Verknüpfung untereinander sowie die Diskussion verschiedener Modelle mit ärztlichen und psychologischen Therapeut·innen in Workshops und Seminaren führten schließlich zu der Entwicklung des Trancemodells der TCM, wie es in diesem Buch dargestellt wird. Es beschreibt eine Arbeitshypothese, ähnlich dem Aufbau der fünf Elemente der TCM. Danach werden die Steuerzentralen des unbewussten Nervensystems in fünf Hauptgruppen unterteilt und mit inneren Berater·innen oder Ego-States verglichen, deren Funktionen, Stärken und Störungen über bestimmte körperliche und seelische Zeichen beurteilt werden können. Aus den Schulen der traditionellen Heilverfahren können geeignete praktische Anleitungen von Tranceinduktionen und Trancebildern abgeleitet werden, mit denen sich diese Systeme erkennen und stärken lassen. Damit soll kein weiterer Kommunikationsratgeber entstehen, sondern eine Methode vorgestellt werden, diese sogenannten inneren Kommunikationsberater sowohl in therapeutischen als auch in beruflichen und partnerschaftlichen Beziehungen besser kennenzulernen.
Bei genauerer Betrachtung der verschiedenen Inneren-Berater-Systeme stellen wir fest, dass konstruktive Kommunikation und heilsame therapeutische Interaktion zwischen Menschen ähnliche Grundvoraussetzungen aufweisen. Beispielsweise wirken sich emotionale Verfassung und körperliche Empfindungen auf die Vorbereitungen und Durchführung von Kommunikation aus und beeinflussen sich gegenseitig und die aktuelle Gefühlslage. An welchen ganz besonderen körperlichen und seelischen Zeichen kann dies beim Gegenüber erkannt werden?
Daran schließt sich die nächste Frage an, die in der vorliegenden Abhandlung beantwortet werden soll: Wie können wir lernen, diese Zeichen des Körpers wahrzunehmen und als wesentlichen Teil der Kommunikation zu utilisieren? Dies wird in den meisten Psychotherapieschulen, vor allem in der Hypnotherapie, gelehrt. Milton Erickson beschreibt Hypnotherapie als einen Lernprozess, vergleichbar der Aneignung des Gefühls für eine neue Sprache. Wo sind die Übergänge zwischen Heilung und Stärkung mentaler Funktionen, einschließlich kommunikativer Fähigkeiten?
Die Lehrbücher der traditionellen Naturheilverfahren informieren uns über das Wirken, die Aufgaben und Funktion des Unbewussten. Sie erklären ihre Thesen mit dem Modell des Fließens der Selbstheilungskräfte oder Lebensenergien im menschlichen Körper. Mit dem Begriff Selbstheilungskräfte werden damit nicht nur medizinisch heilende, sondern auch geistig klärende Wirkungen mit diversen Aufgaben verbunden. Deren Steuerung wird dem unbewussten vegetativen Nervensystem zugerechnet. Hinsichtlich des Aufbaus einer Kommunikation wirken sie mit bei der Entstehung von Gefühlen, Bedürfnissen und Werteskalen sowie bei der Frage: Was will ich in einer Beziehung vom anderen, und was will der andere von mir? Damit meine Bedürfnisse erfüllt werden können, sollte ich eine Bitte so formulieren und intonieren können, dass mein Gegenüber sie in meinem Sinne versteht und akzeptieren kann. Dies setzt eine innere Haltung voraus, die das Fundament unserer Lebenseinstellung und die Fähigkeit für Kommunikation und Beziehungsaufbau bildet.
Ein Anliegen dieses Buches ist, die Frage beantworten zu können, wie diese innere Haltung, von der unsere Kommunikationsfähigkeit im Wesentlichen abhängt, gelingen kann. Sie trägt im Erfolgsfall dazu bei, dass unsere Beziehungen und unsere Kommunikation konstruktiv, heilsam frei und freudvoll verlaufen. Wie erschließt sich uns ein Weg zu umfassender Heil- und Lebenskraft, die wir mit Leib, Seele und Geist wahrnehmen, ein Weg, der weniger von materiellem Reichtum oder sozialem Erfolg abhängt als von einer klaren Beziehung zu uns und unseren unbewussten Persönlichkeitsanteilen?
Aus dieser Sichtweise entsteht Haltung aus dem Zusammenwirken dieser inneren Beratersysteme, die im Unbewussten wirken. Besondere Formen von Achtsamkeitstechniken und hypnotherapeutisch wirksame Bilder oder Trancezustände helfen uns, uns diesen unbewussten Anteilen zu nähern und sie zu stärken.
Aus Sicht der traditionellen Naturheilverfahren stehen sie in enger Beziehung zu den vegetativen Systemen, die maßgeblich an der Funktion eines Organismus und damit an Emotionen wie Glück, Zufriedenheit, Dankbarkeit, Demut usw. beteiligt sind. Wir werden auf sie in diesem Zusammenhang eingehen, da den Emotionen in den Heilritualen früherer Kulturen eine große Wirkung auf den harmonischen Fluss der Lebenskräfte zugeschrieben wird. Heilung ist nach diesem Verständnis nur möglich, wenn etwaige Blockaden, die das Fließen dieser Energien oder Selbstheilungskräfte behindern, aufgelöst werden.
Neben der Verabreichung von Heilmitteln oder manueller Behandlung von außen war schon vor über tausend Jahren vor allem eine spezielle mentale Stärke oder Haltung notwendig, die nach Viktor Frankl als ein besonderer innerer freier Raum bezeichnet werden kann, der der Garant für unser langfristiges und nachhaltiges Überleben ist. Er schützt uns vor den Impulsen unserer meist unbewussten Gedanken, die uns manchmal wie Autopiloten durchs Leben steuern, indem er einen zeitlichen und gedanklichen Puffer und damit die Gelegenheit zur einer besser überlegten Reaktion schafft. Dies wiederum verhilft uns zu einer Klärung unseres Bewusstseins und der Worte, mit denen wir uns an unser Gegenüber wenden und Beziehung gestalten. Viele Rituale der alten Heilkulturen erinnern aus heutiger Sicht an mentale, tranceartige Techniken, mit denen dieser Raum des Innehaltens entstehen kann. Sie führen uns zu Tranceübungen, durch die in einer bestimmten Form der Selbsthypnose eine erhöhte Aufmerksamkeit