Der Vergleich von Gott mit Licht ist eine Metapher, die durchaus einleuchten könnte: Wir alle wissen, was Licht ist, und wir wissen, dass wir ohne Licht nicht existieren können, aber wir können nicht festlegen, welches Licht das originale, »richtige« Licht ist. Ist es die Sonne, die Glühlampe, die Kerze, die Neonröhre? Wir erfahren dieses Phänomen Licht aus verschiedenen Quellen. Auch Gott erfahren wir nicht direkt, sondern über Allegorien: Ein freundliches Lächeln, ein blühender Apfelbaum, ein Sonnenuntergang, eine hilfreiche Tat, ein tröstendes Wort … überall, wo Schönheit und Liebe erscheinen, ist das eine Erscheinung Gottes. Auch wenn wir das Licht gerade einmal nicht sehen können, zum Beispiel, weil wir in einem dunklen Zimmer sitzen, so wissen wir doch mit unerschütterlicher Gewissheit, dass es Licht gibt.
Aber nicht nur das Licht, auch die Musik bildet so ein Thema, das sich wunderbar für Gedankenspiele eignet: Wir alle meinen zu wissen, was Musik ist, weil wir schon welche gehört haben. Musik jedoch existiert nur in dem Moment, da sie gerade erklingt, danach verschwindet sie wieder und ist nicht mehr da. Wir wissen aber trotzdem, dass es Musik gibt, auch wenn wir gerade keine hören.
Nun gibt es unendlich viele Melodien und Stilformen, in denen Musik erscheint. Das kann das urtümliche Trommeln eines Urwaldvolkes sein, die Flötenmelodie eines fünfjährigen Kindes, das wilde Klanggewitter einer Punkband oder ein Menuett von Haydn – und immer ist es Musik, so unterschiedlich sie sich auch anhören mag. Eigentlich sollte man hier weniger von Musikstilen reden, sondern eher von Musikenergie. Wie in den Gefühlen wohnt nämlich auch in jedem Musikstil eine bestimmte Energie inne.
Der Jazz zum Beispiel ist ein Ausdruck einer Energie von Wildheit, Freiheit, Unbändigkeit und Kreativität, wohingegen in der Klassischen Musik Feingeistigkeit, kontrollierte Form und Ästhetik schwingt. Die Rockmusik vertritt eine Energie von roher Kraft, Auflehnung, auch Gewalt und Zorn, während die Schlagermusik Angepasstheit, Biederkeit und eine gewisse Naivität in sich trägt. In einem Naturjodel schwingt Naturenergie und Ursprünglichkeit mit, während ein gregorianischer Choral Träger einer transzendenten Energie ist, die meditativ, beruhigend, zeitauflösend wirkt.
Um Musik aber wahrnehmbar zu machen, braucht es Instrumente und Menschen, die diese bedienen. Ohne Instrumente und ohne Musiker gibt es keine Musik.
Ebenso ist Gott – jedenfalls in der materiellen Welt – angewiesen auf Menschen, Abläufe und Interaktionen, die ihn zum Erscheinen bringen. Die Musik und das Licht erscheinen also, wie auch Gott, nur durch Vermittler. Wir sind solche Vermittler Gottes. Als Musiker würde ich sagen: Jeder Mensch ist eine Melodie Gottes.
Aber genauso, wie wir Lebewesen im Grunde nichts als eine Ansammlung von Neutronen sind, die um Atomkerne sausen – also schwingende Energie –, sind wir trotz allem Individuen, Personen. So zweifle ich nicht daran, dass auch Gott eine Person ist, wenn auch in einem weitaus komplexeren Sinn, als wir uns das vorstellen können.
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