Die ersten paar Jahre nach meiner Genesung wagte ich außer meinem Arzt niemand von meinem mysteriösen Erlebnis zu erzählen. Ich fürchtete, man würde mich nicht ernst nehmen oder diese für mich so kostbare Erfahrung als Hirngespinst abtun.
Als ich einige Zeit nach dem Spitalaufenthalt bei einer medizinischen Kontrolle bei meinem Chirurgen die Rede auf meine Operation brachte und fragte, ob er sich an einen Zwischenfall erinnern könne, blickte der Arzt mich interessiert an und fragte: »Warum fragen Sie?«
Ich berichtete ihm von meiner Wahrnehmung und wie ich meinen Todeszustand bewusst erlebt hatte. Er hörte mir aufmerksam zu und meinte dann: »Ja, das ist richtig. Während der Operation hat plötzlich Ihr Herz aufgehört zu schlagen und wir mussten Sie mit einem Elektroschock-Apparat wieder zurückholen.«
Als ich ihm darauf seine Worte wiederholte, die er in jenem Moment gerufen hat, nickte er mit dem Kopf und sagte: »Nun, das stimmt zwar genau, aber das können Sie aus zweierlei Hinsicht gar nicht gehört haben: Erstens waren Sie in einer tiefen Vollnarkose und daher absolut unfähig, irgendetwas wahrzunehmen, und zweitens waren während der Zeit Ihres Herzstillstandes auch Ihre Sinnesorgane ausgeschaltet. Trotzdem, Sie sind nicht der Erste, der mir von so einer außerkörperlichen Wahrnehmung erzählt. Auch als Wissenschaftler müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass nach dem Tod etwas passiert, für das wir keine Erklärung haben.«
Es vergingen dann acht Jahre, bis ich konkret mit meiner Erinnerung konfrontiert wurde. Ein Spitalpfarrer fragte mich an, der von meiner Todeserfahrung gehört hatte. Er betreute junge und ältere Menschen, die wegen einer Krebserkrankung nicht mehr lange zu leben hatten und angesichts des nahen Todes von Ungewissheit oder sogar Furcht geplagt wurden. Der Pfarrer bat mich, in einer intimen Gesprächsrunde diesen Menschen von meiner Erfahrung zu erzählen. Vielleicht würde das dem einen oder anderen Patienten Hoffnung geben oder zumindest die Angst vor dem Ungewissen lindern. Mit gemischten Gefühlen und nach einigem Zögern sagte ich zu.
Der Geistliche empfing mich sehr herzlich und führte mich in den Raum, in dem bereits die todgeweihten Menschen Platz genommenhatten. Es war ein Anblick, der mir sehr zu Herzen ging. Die circa zwölf Personen saßen fast alle in Rollstühlen, waren kahlköpfig und abgemagert und sahen mich mit kummervollen Blicken an. Es waren erstaunlich viele junge Leute dabei, sogar Jugendliche, und das zu sehen und das Leid und die Verzweiflung zu spüren, war emotional sehr ergreifend.
Nach ein paar einleitenden Worten des Spitalseelsorgers begann ich zum ersten Mal in meinem Leben über meinen Unfall zu sprechen, über den »Lebensfilm«, die Ewigkeit und das »Licht« und alles, was ich in jenen Momenten erlebt, gefühlt und wahrgenommen hatte.
Ich schloss meinen Bericht mit den Worten:
Ihr müsst keine Angst haben vor dem Übergang in die andere Welt. Ihr alle werdet willkommen sein und unendliche Liebe erfahren. Ich kann euch aus Erfahrung sagen: Der Tod ist das Beste, was euch im Leben passieren kann.
Dann stand ich auf und drückte allen die Hand. Wir alle wussten, es war ein Abschied, und ich sah in den Augen der kranken Menschen Tränen der Dankbarkeit glitzern. Einer von ihnen sagte: »Bo, dich hat der Himmel geschickt. Jetzt bin ich endlich ruhig und kann ohne Angst gehen. Danke.« Dann weinten wir alle, aber es waren Tränen der Erlösung und der Freude.
Von diesem Moment an wurde mir bewusst, dass ich diese Geschichte nicht länger für mich behalten sollte und sie getrost mit Menschen teilen durfte, die an diesem Thema interessiert waren. Darum habe ich seither unzählige Gespräche mit Ärzten und Therapeuten, Seelsorgern und Geistlichen, Kranken und Sterbenden oder einfach interessierten Menschen geführt, habe Zeitungen Interviews gegeben, aber auch Studierenden oder Maturandinnen, die Arbeiten über dieses Nahtod-Phänomen schrieben. Ich wurde eingeladen, um in Spitälern, Altersheimen und religiösen oder wissenschaftlichen Kreisen Vorträge zu halten und habe das wachsende Interesse wahrgenommen, das sich in den heutigen technisierten Menschen zu dem Tabuthema Tod und zu spirituellen Themen im Allgemeinen regt.
In mir wuchs gleichzeitig das große Bedürfnis herauszufinden, wie diese außerkörperliche Wahrnehmung möglich war, und welcher Teil von mir das alles eigentlich wahrgenommen hat. Mein Körper konnte es nicht gewesen sein, denn der war ja in jenen Minuten »leblos« und außer Funktion gesetzt. Ich habe mir von medizinischer Seite sagen lassen, dass bereits zehn Sekunden nach dem Herztod die Wahrnehmungssinne, also das Sehen, das Hören, das Fühlen etc., nicht mehr funktionieren und auf null herunterfahren. Gibt es also so etwas wie eine Seele, die den Körper belebt und in die alle Informationen, die eine Person während eines Menschenlebens erfährt, eingespeist werden? Ist diese Seele das eigentliche Bewusstsein eines Individuums, in der alle Erinnerungen gespeichert sind und die weiter existiert, auch wenn der Körper »seinen Geist aufgibt«?
Oder stimmt die Ansicht der Materialisten, die annehmen, dass nach dem Absterben des Körpers auch jene Energie, die ihn mit Leben erfüllte, inklusive Bewusstsein, einfach verschwindet?
Wohin verschwindet die Lebensenergie nach dem Tod?
Durch mein Erlebnis machte ich die eindrückliche Erfahrung, dass der Tod in Wirklichkeit eine Geburt ist, bei der die Energie, die den Körper am Leben hält – nennen wir sie die Seele – sich aus dem Körper entfernt und sich mit der Gesamtenergie in der geistigen Welt verbindet. Mit dem Tod, so erfuhr ich, kehrt die Seele zu ihrem geistigen »Herkunftsland« zurück. Es ist allein rein physikalisch unmöglich, dass diese Seelen-Energie sich nach dem Tod in »nichts« auflöst, allein schon deshalb, weil es »nichts« nicht gibt. Die Physik weiß, dass nichts im Universum verloren geht, sondern höchstens seinen Zustand ändert. Wenn du einen Topf mit Wasser zum Kochen bringst und lange genug wartest, ist der Topf leer. Aber hat sich das Wasser in nichts aufgelöst? Natürlich nicht. Es hat seinen Aggregatszustand gewechselt, es ist verdampft. Man kann das Wasser zwar nicht mehr sehen, aber es ist immer noch in der Luft vorhanden.
Dass ein Körper Energie und Bewusstsein braucht, um zu leben, ist ein Sachverhalt, der wohl jedermann problemlos einleuchtet. Selbst von einer materialistischen Warte aus gesehen, ergibt es Sinn anzunehmen, dass diese belebende Energie nicht einfach verschwindet, bloß weil sie nicht mehr in einem Körper ist. Sie muss irgendwo weiterexistieren.
Lass mich einen weiteren Vergleich heranziehen: Nehmen wir anstelle eines menschlichen Körpers ein Bügeleisen. Dieses erwärmt sich, wenn wir es an den Stromkreislauf anschließen. Mit anderen Worten, es beginnt zu »leben« und erfüllt eine Funktion, die es dank der belebenden Stromenergie ausüben kann. Nun ziehen wir den Stecker wieder raus. Was passiert nun mit dem Bügeleisen? Es sieht zwar immer noch aus wie ein Bügeleisen, aber ohne den nötigen Strom, der es »belebte«, ist es nichts als ein nutzloser Eisenklumpen. Das Werkzeug ist »tot«, ein Stück unbrauchbare Materie, das ohne Energie seinen Sinn verloren hat. Aber was ist mit dem Strom passiert? Ist er auch einfach verschwunden?
Du weißt es so gut wie ich: Der elektrische Strom »verschwindet« nicht, wenn man dem Bügeleisen den Stecker rauszieht. Es gibt ihn immer noch, auch wenn er nicht mehr durch das Bügeleisen fließt; er befindet sich nun einfach anderswo.
Der Strom existiert also auch ohne das Bügeleisen, aber das Gerät kann nicht ohne Strom funktionieren.
Es sollte nicht schwerfallen, hier eine Parallele zum Körper herzustellen. »Das Leben«, also die Leben spendende Energie, der Strom, existiert auch ohne Körper, aber ein Körper funktioniert nicht ohne diese Energie.
Nach Verlassen des Körpers befindet sich die Energie, die wir der Einfachheit halber Seele nennen, anderswo, aber sie ist immer noch vorhanden.
Sie befindet sich dort, wo alle Energie sich befindet, die nicht gerade durch einen materiellen Gegenstand strömt, nämlich in einem Zustand jenseits der materiellen Erscheinungsformen, dem »Stromkreislauf« des Universums. Wir nennen diesen »Ort« in der Kurzform »Jenseits«