Wir nahmen uns vor, Herrn Hut zu verfolgen. Sobald er die Tasche wieder an sich genommen hatte, wollten wir die Polizei einschalten. Sie würde ihn dann mitsamt dem Diebesgut verhaften.
Als die Polizisten im Museum eintrafen, verrieten wir folglich noch nichts von unserem Verdacht. Die Mutter mit ihrem Baby durfte das Museum kurz darauf verlassen, nachdem sie befragt worden und ihre Personalien notiert waren.
„Wir dürfen sie nicht verlieren“, flüsterte Lilli.
Nervös warteten wir auf unsere Befragung und brachten sie schnell hinter uns, indem wir sämtliche Fragen wie aus der Pistole geschossen beantworteten. Kurze Zeit später wurden wir von einem Polizisten in Richtung Ausgang geleitet. Doch zeitgleich mit uns durfte auch Herr Hut gehen.
Als er zu uns aufschloss, bemerkte ich ein Tattoo auf seinem Handrücken.
„Ihr versucht, die Mutter mit dem Kinderwagen zu finden. Ich bleibe an Herrn Hut dran“, sagte ich im Flüsterton, damit meine Zielperson davon nichts hörte. „Schaltet eure Walkie-Talkies an.“
Unauffällig holten wir unsere Walkie-Talkies hervor und stellten sie an.
Als sich die Türen des Museums öffneten, schlug uns eine gleißende Mittagshitze entgegen. Wir blickten auf ein vollkommen unübersichtliches Gewirr von Menschen: Der weitläufige Marktplatz durchlebte gerade die mittägliche Stoßzeit.
Wie von der Tarantel gestochen flitzte Herr Hut, der seinen Gehstock offenkundig gar nicht nötig hatte, plötzlich die Treppe hinunter und stürzte sich ins Marktgetümmel. Das traf mich völlig unerwartet. Erst nach einer Schrecksekunde setzte ich zur Verfolgung an und hatte da bereits den direkten Blickkontakt verloren. Ich durfte Herrn Hut nicht entkommen lassen. Für Lilli und Marvin galt es, die Mutter, das Baby und vor allem die im Kinderwagen versteckte Tasche mit der Flagge zu entdecken. Wir hetzten die Stufen hinab.
Der Polizist, der uns zum Ausgang geleitet hatte, blickte uns nach und schüttelte verwundert seinen Kopf.
Schon nach wenigen Metern im Gedränge des Marktes sank meine Hoffnung. Von Herrn Hut fehlte jede Spur. Hektisch sah ich mich um.
„Ich sehe ihn nicht mehr“, sprach ich in mein Walkie-Talkie.
Marvin meldete sich: „Da ist ein Turm am Ende des Platzes. Oben ist ein Café mit Balkon.“
„Von da hat man sicher einen guten Ausblick“, antwortete ich.
„Okay, bis gleich“, sagte Lilli. „Ich habe mein Fernglas dabei.“
Das Café war ein piekfeines Etablissement. Als wir in den Eingangsbereich traten, verlangsamten wir automatisch unsere Schritte. Die klassische Musik, die Kellner mit Fliege und die an einen alten Königspalast erinnernde Innenausstattung bremsten uns irgendwie aus. Aber nicht lange.
Lilli erblickte die mit einem roten Teppichläufer ausgekleidete Wendeltreppe und stürzte empor. Kurz darauf fanden wir uns auf dem engen Balkon wieder und sahen uns vielen skeptischen Blicken ausgesetzt. Lilli schien das wenig zu interessieren, denn sie suchte bereits den Marktplatz mit ihrem Fernglas ab.
„Da ist sie! Ich habe sie!“, rief Lilli freudig.
„Die Mutter mit dem Kinderwagen? Wo?“, fragte ich.
„Wartet. Sie hat die Tasche nicht mehr!“
„Das kann nicht wahr sein“, murmelte ich.
„Doch. Sie ist weg“, sagte Lilli und hielt uns das Fernglas hin.
Marvin packte es und sah hindurch.
„Gehören Sie zu einem der Tische?“, fragte uns nun ein Kellner.
Lilli und ich tauschten einen kurzen, aber vielsagenden Blick aus.
„Falls nicht, muss ich Sie bitten zu gehen.“
„Ich glaube, ich sehe die Tasche!“, schrie Marvin aufgeregt, woraufhin sich sämtliche Gäste nach uns umsahen.
„Wo?“, rief Lilli.
„Bitte geht nun“, sagte der Kellner und legte seine Hand auf Marvins Oberarm.
„Ein Stück Erdbeerkuchen“, rief Marvin laut und schüttelte die Hand ab.
„Das macht 12 Euro“, mahnte der Kellner.
„Er hat sich umgezogen!“, rief Marvin. „Aber das ist Herr Hut. Eindeutig. Er hat die Tasche!“
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KAPITEL 05
Die Verfolgung
„Okay, der Hut steht mit der Tasche an der Ampel gegenüber vom Postamt“, rief Marvin.
Einige Gäste kicherten und schüttelten ihre Köpfe.
„Der Hut steht mit der Tasche an der Ampel“, wiederholte einer von ihnen amüsiert.
„Er hat seinen Mantel verkehrt herum angezogen und auch den Hut umgekrempelt. Ist jetzt alles lila. Auch den weißen Bart und die Haare hat er abgelegt. Sie schauen aus seiner Manteltasche“, sagte Marvin.
Augenblicklich stürmte Lilli zurück ins Innere des Cafés und die Treppe hinab. Ich hinterher. Marvin musste die Stellung noch halten und Herrn Hut beobachten, bis Lilli und ich unsere Zielperson gefunden hatten. Also musste er den Kellner hinhalten. Er nahm all seinen Mut zusammen und stellte sich vor, was Lilli jetzt wohl sagen würde.
„12 Euro für ein Stück Erdbeerkuchen?“, fragte er ungläubig.
Der Kellner deutete zur Treppe: „Ihre Freunde, Sie werden sie verlieren.“
Ja, Marvin wäre uns liebend gerne hinterhergelaufen.
Stattdessen sagte er: „Hiermit verliert man niemanden. Schon mal gesehen? So ein Ding?“
Er wedelte mit dem Fernglas.
Der Kellner signalisierte Marvin wortlos, er solle doch jetzt bitte nicht auch noch frech werden.
„Damit sieht man wie ein Adler. Selbst ich“, sagte Marvin und spähte erneut durch das Fernglas. Noch stand Herr Hut an Ort und Stelle. Nun sah Marvin auch Lilli und mich, wie wir uns einen Weg durch die Menge bahnten.
„Sehen sie? Drei Euro kostet ein Stück Erdbeerkuchen da unten“, rief Marvin dem Kellner zu. „Drei!“
Ich hatte Mühe, mit Lilli mitzuhalten. Sie wuselte sich mit viel Geschick und einer guten Portion Durchsetzungsvermögen zwischen den Menschen hindurch.
„Marvin, steht er noch da?“, fragte ich schnaufend ins Walkie-Talkie.
„Leider ja, ich reiche dich mal an ihn weiter“, antwortete er zu meiner Verblüffung. Es folgten ein paar Sekunden der Stille. „Er will nicht mit dir reden.“
„Nicht der Kellner - Herr Hut, Marvin!“
„Ach so. Ja, der steht noch da. Warte, die Ampel springt auf Grün. Er geht los.“
Lilli und ich standen jetzt vor einer geschlossenen Reihe von Ständen, die uns