Die Suche nach Tony Veitch. William McIlvanney. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William McIlvanney
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956140365
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nicht ramponiert nach Hause. Deine Frau wird sich fragen, was passiert ist.«

      »Hör zu …«

      »Ich hab zugehört, jetzt reicht’s. Schwing dich aufs Fahrrad. Sofort. Es sei denn, du willst deine Fresse im Taschentuch nach Hause tragen.«

      Mickey setzte sich in den Korbsessel. Der Mann verschwand im Schlafzimmer. Die Frau wollte ihm hinterher, sah aber Mickey an. Er nickte sie zu dem bunten Sessel. Sie setzte sich. Nicht schlecht für eine Nutte, dachte Mickey, allmählich wird sie fett, aber aus dem Leim ist sie noch nicht. Die Schuhe taten ihren Beinen gut, sonst wären sie zu schwer gewesen. Sie nahm ein Päckchen Zigaretten vom Wohnzimmertischchen neben ihrem Sessel und bot es Mickey an. Er schüttelte den Kopf. Sie nahm sich Feuer und beide hörten, wie sich der Mann im Schlafzimmer anzog.

      Dann tauchte er wieder im Türrahmen auf. Mit Kleidern wirkte er beeindruckender. Anscheinend hatte er mit ihnen auch Empörung angelegt.

      Er sagte: »Ich denke …«

      »Schön für dich«, erwiderte Mickey. »Weiter so. Jetzt verpiss dich.«

      Der Mann ging. Mickey wartete, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, dann sprach er.

      »Du bist also Gina.«

      Sie nickte nervös.

      »Ich bin Mickey Ballater.«

      Sie riss die Augen auf und überschlug die Beine. Der Morgenmantel rutschte und Mickey ließ den Blick auf ihrem Schenkel ruhen.

      »Wo ist Paddy Collins? Er wollte sich mit mir treffen.«

      Sie zuckte mit den Schultern und blickte zur Decke. Mickey stand auf, ging zu ihr, beugte sich über sie und schlug ihr fest ins Gesicht. Sie fing an zu weinen. Dann ging er zurück und setzte sich wieder. Während sie sich langsam fing, sah er sich im Raum um.

      »Wo ist Paddy Collins?«

      »Im Krankenhaus.«

      »Wieso?«

      »Wurde niedergestochen.«

      »Von wem? Weißt du das?«

      »Sein Schwager war gestern da. Sehr wütend. Sagt, Paddy ist verletzt. Schlimm. Glaubt, Paddy wird sterben.«

      Es dauerte nicht lange, bis der Gedanke an Paddy Collins Mickeys Bedauern in Energie verwandelte, wie wenn man alte Fotos ins Feuer wirft. Starb Paddy Collins, würde mehr für ihn abfallen, sobald er Tony Veitch gefunden hatte. Aber ganz unproblematisch war das nicht.

      »Sein Schwager, Cam Colvin? Bist du sicher?«

      »Mr Colvin.«

      »Das hat uns noch gefehlt. Woher wusste der von dir?«

      »Paddy hatte meine Adresse dabei.«

      »Praktisch. Was hast du ihm gesagt?«

      »Dass Paddy Tony Veitch sucht.«

      »Sieht aus, als hätte er ihn gefunden. Was noch?«

      »Sonst nichts. Ich weiß sonst nichts.«

      Mickey fand die schottische Färbung ihres italienischen Akzents sexy. Allmählich nahm er sie wahr.

      »Hast du ihm von mir erzählt?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Sicher?«

      »Paddy hat gesagt, ich darf nichts sagen. Sonst.«

      Sie machte eine halsabschneidende Geste. Beinahe hätte Mickey gelacht. Das klang auf jeden Fall nach Paddy, Frauen einschüchtern, das konnte er, und zwar immer noch genau auf dieselbe Tour wie im Drehbuch eines alten Films mit Edward G. Robinson.

      »Was hat Paddy noch gesagt?«

      »Wenn ich mache, was er will, wird alles gut.«

      Klang überzeugend. Paddy hatte auch Mickey nicht viel erzählt. Er wusste nur, dass Veitch Hook Hawkins’ Bruder kannte. Und so wie es aussah, würde Paddy Geheimnisse künftig noch viel besser für sich behalten können.

      »Wo ist Tony Veitch?«

      »Niemand weiß das.«

      »Komm schon. Cam Colvin war doch im Krankenhaus.«

      »Er liegt im, wie sagt man? Im Com-Como?«

      »Verfluchte Scheiße. Was soll das heißen?«

      »Como? Komma?«

      Mickey starrte sie an.

      »Koma. Du meinst, Paddy liegt im Koma?«

      »Kann nicht reden.«

      »Aber du kennst Tony Veitch.«

      »Nicht gesehen seit dem Ärger mit Paddy. Seit zwei Wochen hat ihn niemand gesehen.«

      »Ach!« Ballaters Augen bohrten sich in die Decke. Er zeigte auf sie.

      »Hör zu, ich bin nicht wegen der schönen Aussicht hier. Egal, was du weißt, erzähl’s mir lieber.«

      »Für Tony bist du mein Mann.«

      Er betrachtete sie ganz genau. Sie wirkte nicht abgebrüht, eher wie eine Amateurin, die immer noch staunte, dass sie Geld dafür bekam. Als sie Veitch geködert hatte, muss sie sich schön gewundert haben, dass Paddy ihr plötzlich auch noch einen vermeintlichen Ehemann verpasste, von dem Veitch sie freikaufen sollte. Wahrscheinlich hatte sie am Anfang gar nichts davon gewusst.

      Aber viel Zeit blieb nicht. Wenn Veitch Paddy auf dem Gewissen hatte, konnte der Erwerb einer Schachtel Streichhölzer schon eine unverantwortlich langfristige Investition für ihn sein. Mickey würde schnell, aber vorsichtig handeln müssen. Er kannte sich in der Stadt gut genug aus, um zu kapieren, dass er sich nicht mehr auskannte. Zwei weitere Zeilen des Songs kamen ihm in den Sinn:

      They’re nice until they think that god has gone a bit too far

      And you’ve got the macho chorus swelling

      Out of every bar.

      Durch Minenfelder hüpft man nicht. Er brauchte einen Sprengstoffdetektor. Ihm ging auf, dass Cam Colvin dafür infrage kam.

      »In welchem Krankenhaus liegt Paddy?«, wollte er wissen.

      »Victoria Infirmary.«

      Ein Baby fing an zu weinen. Gina drückte die Zigarette aus, achtete dabei auf ihre Nägel. Sie stand auf und er hörte ihre Schritte auf dem Boden im Flur draußen, dann die vertrauten Geräusche, mit der eine Mutter ihr Kind beruhigt, als könne sie ihm ein Geheimnis verraten, das es beschützen wird, auch wenn sich die ganze Welt gegen beide verschwört.

      Er verließ den Raum und fand das Telefon im leeren Schlafzimmer, wo das Licht noch brannte und das Bett zerwühlt war. Die Stimme am Telefon im Victoria Infirmary erklärte ihm, Mr Collins’ Angehörige seien bei ihm. Er rechnete sich aus, dass er noch ein bisschen Zeit hatte.

      Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, stand sie unsicher am Kamin. Als er auf sie zuging, drehte sie sich um und zuckte leicht zusammen, als habe er sie schlagen wollen. Dann öffnete er den Gürtel ihres Morgenmantels und ließ ihn zu Boden gleiten. Er zeigte Richtung Schlafzimmer. Als sie unbeholfen dorthin stakste, fiel ihm auf, dass sie zitterte.

      »Wenn du schon angeblich meine Frau bist«, sagte er. »Können wir auch in die Flitterwochen fahren.«

      2

      DER ANRUF WAR KAUM MEHR als eine belanglose Störung, aber schon ein einziger Stein kann eine Lawine ins Rollen bringen.

      »Und dann«, hatte Ena gesagt. »Was glaubt ihr wohl? Der Wagen hat den Geist aufgegeben. Hoffnungslos abgesoffen. Mitten im Clyde Tunnel. Und wo war Jack? Natürlich mal wieder bei einem Fall. In Morecambe!«

      Laidlaw kannte die Geschichte. Er hatte Ena schon einmal schonend beizubringen versucht, dass es vielleicht mit Ausnahme der Nordvietnamesen auf der ganzen Welt niemanden mehr gab, der sie nicht kannte.