Missouri
Herbst 1809
Pierre DuMont war sehr zufrieden, als er an diesem Abend zu seinen Leuten zurückkehrte. Der Tauschhandel war gut verlaufen, und die wertvollste Fracht würde morgen eintreffen: seine Squaw! Sie war jung und hübsch und würde keine Zicken machen. Squaws fügten sich dem Mann und waren harte Arbeit gewöhnt. Die erbeutete Waffe war ein gutes Tauschobjekt gewesen. Die kleinen Geschenke, die er der Familie gegeben hatte, waren kaum erwähnenswert. Und die Decke und den Kessel brachte das Mädchen als Hausstand wieder in die Ehe mit. Das zählte also nicht. Pierre war sehr zufrieden. Die Investition würde sich lohnen, und wenn er nach St. Louis zurückkehrte, konnte er die Squaw immer noch verkaufen und hätte dann einen Gewinn gemacht. Selbst in zwei oder drei Jahren wäre sie immer noch jung genug, sie einem anderen Trapper zu geben.
Pierre traf sich ein letztes Mal mit Chouteau, der nicht nur ein Partner der Company war, sondern aus einer der vornehmsten Familien stammte: Sein Vater René Auguste Chouteau war einer der Gründungsväter von St. Louis. Er hatte enormen Einfluss und saß im Komitee der Stadt. Sein Sohn war in dessen Fußstapfen getreten und hatte die Geschäfte übernommen, für die sein Vater langsam zu alt wurde.
Chouteau hatte nicht nur gute Nachrichten: „Meriwether Lewis hat der Fur Company viel Geld gegeben, um Sheheke shote zu seinem Volk zurückzubringen. Nachdem sein Bruder Reuben Lewis ebenfalls an der Company beteiligt ist, bleibt das Geld ja irgendwie in der Familie. Aber als Gouverneur des Louisiana Territoriums wird er da wohl Rede und Antwort stehen müssen.“ „Was hat es denn so teuer gemacht?“, erkundigte sich Pierre erstaunt.
„Die Arikara und Tituwan haben ihn beim ersten Mal nicht durchgelassen – obwohl Lewis Soldaten mitgeschickt hatte. Auch jetzt sind wir ja eine ziemlich starke Truppe. Das kostet richtig viel Geld. Thomas Jefferson war Sheheke shote jedoch wohlgesonnen und hat es sich was kosten lassen, den Chief bei Laune zu halten und seine Rückkehr anzuordnen, aber keiner weiß, ob der neue Präsident James Madison diese Summen absegnen wird. Er mag Lewis nicht.“
Pierres Augen wurden groß. „Warum nicht?“
Chouteaus Stimme wurde zu einem vertraulichen Flüstern. „Alkohol und zu viel Opium!“
„Schade!“ Pierre zuckte mit den Schultern. Dann wechselte er das Thema, denn Politik interessierte ihn nicht sonderlich. „Was habt ihr als nächstes vor?“
„Wir ziehen den Missouri aufwärts. Wir haben genug Ausrüstung für Forts und den Handel mit den Indianern dabei. Im Frühjahr wollen wir nach St. Louis zurückkehren und ordentlich Gewinn machen.“
Pierre nickte grinsend. „Bringen Biberfelle immer noch so viel ein?“
„Ah, die Preise sind etwas gefallen, aber bis zum Frühjahr erholen die sich schon wieder.“
Pierre genügte das. Er hatte ohnehin einen Vertrag mit der Company, und so würde ein Gewinn oder Verlust ihn nicht so sehr berühren. „Ich kehre zum Fort Lisa zurück. Das wäre auch für euch ein guter Stützpunkt. Von dort aus könnt ihr den Missouri hinauf. Es ist schon ziemlich spät im Jahr. Warum fahrt ihr nicht bis zum Bighorn und überwintert in Fort Raymond? Wir haben eine kleine Besatzung zurückgelassen. Die werden über Verstärkung froh sein! Dann seid ihr genug, um es gegen die Rothäute zu verteidigen. Letzten Winter waren wir reichlich unterbesetzt. Ich war ganz schön froh, als Lisa mit Verstärkung aufgetaucht ist.“
„Klingt nach einem guten Plan!“ Jean Chouteau legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Aber eigentlich wollten wir lieber den Missouri hoch!“
Dann schlug er dem Trapper gutmütig auf die Schulter. „Komm doch mit uns, dann kannst du was erleben.“
Pierre zögerte einen Augenblick. „Ich überleg’s mir. Biber gibt es da schon. Ich wollte im Winter ohnehin wieder mehr in Richtung des Yellowstone … immerhin werde ich fürs Fallenstellen bezahlt … mal sehen.“
Pierre DuMont lächelte, als am Morgen die Familie der Squaw am Ufer auftauchte und in ihrer Mitte die Braut brachte. Sie trug einige Bündel, sodass er sich wohl keine Sorgen um Kleidung und dergleichen machen musste. Mit so einer Squaw an einer Seite würden die Wintermonate schnell vergehen. Einige Männer pfiffen bewundernd, und Pierre winkte ungeduldig ab. „Klappe halten!“, rief er energisch. „Die ist nichts für euch!“
„Uh, hat der Meister nun einen Bettwärmer?“, fragte einer anzüglich.
„Such dir selber eine!“, gab Pierre zurück.
Die Bemerkungen verstummten, und Pierre sprang an Land und nahm hilfsbereit die Bündel entgegen, ehe er der Frau auf das Boot half. Unsicher stand sie da und wusste nicht, wo sie sich hinbegeben sollte. Das Boot hatte nur einen kleinen Aufbau, wo nun die Vorräte untergebracht waren. Pierre räumte einige Kisten beiseite und schuf so einen kleinen Platz für die Braut. „Hier, setz dich her!“, sagte er zuvorkommend. Schweigend brachte Mato-wea ihre Bündel an den zugewiesenen Platz und setzte sich dann auf eine Kiste. Sie winkte nicht und rief auch keine Worte des Abschieds zu ihrer Familie. Sie saß nur da und sah zu, wie die Männer ablegten und das Dorf aus ihrem Sichtfeld verschwand. Pierre trat zu ihr und strich ihr sanft über die Wange. „Bon jour, meine kleine Mato-wea. Wir werden es schön haben!“
Mato-wea senkte scheu den Blick und musterte ihre Mokassins. Es war ihr anzusehen, dass sie sich unter all diesen Männern nicht wohl fühlte. Sie verstand die Sprache nicht, kannte deren Bräuche nicht, und sie konnte nur ahnen, was Pierre wohl von ihr verlangen würde. Sein anzügliches, freches Lächeln war ihr fremd. Auch die direkten Blicke, die sich in ihre Augen und in ihre Seele fraßen, waren ihr unangenehm. Es war, als wollte der Mann ihre Seele stehlen. Die anderen Männer waren zum Glück mit Rudern beschäftigt, sodass ihr weitere Blicke erspart blieben. In sich versunken blickte sie auf das Wasser, das ruhig an ihr vorbeiglitt. Manchmal flüchteten Enten in das Schilf am Ufer, während über ihnen freche Möwen hin und her sausten und darauf warteten, dass etwas ins Wasser fiel, das sie sich geschickt holen konnten.
Die Männer hatten ein großes Tuch gespannt und kreuzten auf dem Fluss hin und her. Zusätzlich hatten sie lange Ruder, mit denen sie das Schiff vorantrieben. Ihre Hände waren schwielig, und eine Hornhaut hatte sich gebildet, wo sie die Ruder in der Hand hielten. „Pull!“, erklang der eintönige Befehl. „Pull!“ Dann wurde die Strömung stärker, und die Männer sprangen von Bord, nahmen lange Seile und zogen das Boot stromaufwärts. Auch die anderen Boote verfuhren auf diese Weise. Mato-wea staunte über die körperliche Leistung, die die Männer bereit waren zu geben. Sie bemerkte auch, dass immer ein paar der Soldaten als Kundschafter vorausgingen und die Gegend sicherten. Die Männer waren gut organisiert.
Am Abend vertäuten die Männer die Boote am Ufer und bauten ein einfaches Lager auf. Essen wurde verteilt und Kaffee gekocht. Pierre brachte auch seiner Frau etwas zu essen und baute dann an Deck einen Lagerplatz für die Nacht. Er gab Mato-wea einen Becher mit Wasser, in das er etwas von dem Fusel mischte, den sie zum Tauschen mit den Indianern verwendeten. Er wollte, dass die Frau sich entspannte, denn schließlich war das hier seine Hochzeitsnacht. Er hatte mit einem Gewehr für sie bezahlt und wollte nun wissen, was er da gekauft hatte. Mato-wea schüttelte sich, als sie den seltsamen Geschmack im Mund hatte, doch Pierre zwang sie immer wieder, einen Schluck zunehmen. „Nun mach schon, meine Hübsche. Dann tut es nicht so weh!“
Mato-wea verstand nicht, was da mit ihr geschah. Das Getränk schmeckte seltsam, und sie wollte es daher nicht trinken. Sie tat es nur, um ihm zu gefallen, doch schnell wurde ihr schwindelig davon. Es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten, und so sackte sie bald auf das Fell, das er als Lager ausgebreitet hatte. Die Stimmen der anderen Männer am Ufer verschwammen, und eine tiefe Müdigkeit überfiel sie. Vielleicht war es gut so, denn so bekam sie nur im Halbschlaf mit, was er tat.