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Nach früherem Recht hatte man in der Frage der Haftung des Verkäufers für Sachmängel vor allem zwischen dem Stück- oder Spezieskauf (§§ 459–479 aF) und dem Gattungskauf (§ 480 aF) zu unterscheiden (s. auch u. § 5 Rn 1 f). Beim Stückkauf setzte die Sachmängelhaftung des Verkäufers im Regelfall voraus, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft war oder dass ihr doch in diesem Augenblick eine zugesicherte Eigenschaft fehlte (§ 459 aF).
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Diese eigenartige Regelung der Sachmängelhaftung beim Stückkauf, die letztlich auf altrömische Vorbilder zurückging[1], wurde auf unterschiedliche Weise erklärt. Im Wesentlichen standen sich die sogenannte Gewährleistungstheorie und die Erfüllungstheorie gegenüber, nach der der Verkäufer an sich auch beim Stückkauf zur Lieferung einer mangelfreien Sache verpflichtet war[2].
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Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) von 2001 hat sich der Gesetzgeber in § 433 Abs. 1 S. 2 im Interesse eines verbesserten Käuferschutzes ausdrücklich der Erfüllungstheorie (o. Rn 3) angeschlossen[3]. Damit wurde vor allem bezweckt, im Gegensatz zur früheren Rechtslage (o. Rn 2) die Haftung des Verkäufers für Sachmängel ebenso wie schon immer die für Rechtsmängel (u. Rn 31 ff) nach Möglichkeit in das allgemeine Leistungsstörungsrecht zu integrieren (s. insbesondere § 437 nF). Seitdem gestaltet sich die Sachmängelhaftung des Verkäufers im Grundsatz wie folgt:
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Ebenso wie nach früherem Recht muss man zunächst die Zeit vor und nach Gefahrübergang (§§ 446 und 447) unterscheiden (s. dazu im Einzelnen schon o. § 3 Rn 7 ff). Vor Gefahrübergang gelten die allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen (§§ 275, 280–284 und 323–326) auch bei Sachmängeln ohne Einschränkungen. Für die Anwendung der besonderen kaufrechtlichen Vorschriften über die Haftung des Verkäufers bei Sachmängeln ist erst Raum nach Gefahrübergang (s. § 434 Abs. 1 S. 1). Welche Rechte dem Käufer dann zustehen, richtet sich in erster Linie nach den §§ 437 ff. Der vorrangige Rechtsbehelf des Käufers bei Lieferung einer mangelhaften Sache ist danach sein Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr 1 und 439; s. im Einzelnen u § 5 Rn 1 ff).
Teil I Veräußerungsverträge › § 4 Mängelhaftung › II. Sachmangel
1. Überblick
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Ein Sachmangel liegt nach S. 1 des § 434 Abs. 1 in erster Linie vor, wenn die verkaufte Sache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (u. Rn 13 ff). Der Maßstab für die Mangelfreiheit der Sache ist folglich entsprechend § 311 Abs. 1 vorrangig den Vereinbarungen der Parteien zu entnehmen. Nur wenn es an derartigen Vereinbarungen fehlt, ist auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr 1; u. Rn 21) und hilfsweise auf die gewöhnliche Verwendung der Sache als Maßstab zurückzugreifen (Nr 2 aaO; s. u. Rn 22 ff), wobei es in dem zuletzt genannten Fall noch zusätzlich darauf ankommt, ob die Sache eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Weitere Fälle der Sachmängelhaftung finden sich ergänzend in den Abs. 2 und 3 des § 434 (u. Rn 25 ff).
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Ob eine Sache mangelhaft ist, kann man nur beurteilen, wenn man einen Maßstab hat. Diesen kann man entweder den Abreden der Parteien entnehmen (§ 311 Abs. 1) oder als den Parteien vorgegeben ansehen. Folgerichtig unterscheidet man bei Kauf, Miete und Werkvertrag einen subjektiven und einen objektiven Fehlerbegriff. Der objektive Fehlerbegriff, der früher (nur) beim Kauf durchaus herrschend war[4], griff als Maßstab für die Mangelhaftigkeit einer Sache in erster Linie, soweit vorhanden, auf gesetzliche Regelungen und sonst auf die im Verkehr vorherrschenden Anschauungen über die gebotene Qualität einer Sache zurück (s. jetzt § 434 Abs. 1 S. 2 Nr 2).
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Nach dem subjektiven Fehlerbegriff, der sich im Kaufrecht zu § 459 aF bereits seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durchgesetzt hatte,[5] ist der Maßstab zur Bestimmung des Fehlers vorrangig den Abreden der Parteien und nicht irgendwelchen wie immer ermittelten objektiven Kriterien zu entnehmen (§ 311 Abs. 1). Weist die gelieferte Sache andere Eigenschaften als danach geschuldet auf, so ist sie mangelhaft. Als Fehler oder Mangel gilt deshalb nach dem subjektiven Fehlerbegriff grundsätzlich jede negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten (Soll-)Beschaffenheit.
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Wie § 434 Abs. 1 S. 1 zeigt, geht auch das geltende Recht von dem subjektiven Fehlerbegriff aus – mit der Folge, dass sich der „neue“ Begriff des Sachmangels in § 434 Abs. 1 S. 1 jedenfalls im Kern mit dem früheren Fehlerbegriff des § 459 Abs. 1 aF deckt. Soweit schon nach § 459 Abs. 1 aF ein Fehler angenommen wurde, gilt mit anderen Worten heute nach dem (tendenziell weiteren) § 434 Abs. 1 S. 1 dasselbe, sodass die frühere Praxis zu § 459 Abs. 1 aF insoweit ihre Bedeutung behält[6].
2. Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 1)
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Nach S. 1 des § 434 Abs. 1 liegt ein Sachmangel zunächst vor, wenn die Sache bei Gefahrübergang nicht die „vereinbarte Beschaffenheit“ aufweist (subjektiver Fehlerbegriff, s. o. Rn 8). Jede (ausdrückliche oder konkludente) Einigung der Parteien über die geschuldete Beschaffenheit der Kaufsache führt folglich zur Anwendbarkeit