Evaluation in der Sozialen Arbeit. Joachim Merchel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Merchel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846352007
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in: Politikevaluation, Programmevaluation, Organisationsevaluation, Personalevaluation und Produktevaluation. Bei Sozialer Arbeit stehen Programmevaluationen im Zentrum. Die anderen Evaluationen haben in der Sozialen Arbeit einen randständigen Stellenwert.

      2 Warum benötigt man in der Sozialen Arbeit Evaluation?

      Organisationsexterne Anlässe

      Dafür, dass sich Akteure in der Sozialen Arbeit der Mühe einer Evaluation unterziehen oder den Aufwand einer solchen akzeptieren, gibt es unterschiedliche Anlässe. Diese können außerhalb der Organisation liegen, aber erhebliche Auswirkungen auf die Existenz oder die Gestaltungsmöglichkeiten einer Einrichtung haben. So können z. B. die Verantwortlichen einer Einrichtung der Erziehungshilfe bemerken, dass konkurrierende Einrichtungen erheblich besser von Jugendämtern belegt bzw. genutzt werden, und dass auf Dauer eine existenzbedrohende Unterbelegung droht. Oder Nachbarn beschweren sich häufig über einen vermeintlich vom Jugendzentrum ausgehenden Vandalismus, wodurch das Jugendzentrum einem Druck von Seiten des Jugendamtes,der regionalen Politiker und der Öffentlichkeit ausgesetzt wird. Oder öffentliche Debatten um einen scheinbar mangelnden Nutzen von Hilfsangeboten und daraus resultierende Vorwürfe der ineffizienten Verwendung von Steuergeldern (z. B. im Hinblick auf Erlebnispädagogik oder genereller im Hinblick auf hohe Kosten stationärer Hilfen) setzen Anbieter solcher Hilfen unter Legitimationsdruck. Oder die Weiterfinanzierung einer (Modell-)Maßnahme wird von Nachweisen zu deren Effektivität abhängig gemacht. In all diesen Fällen kann Evaluation als ein Instrument angesehen werden, um eine Grundlage für Aktivitäten zur Existenzsicherung der Einrichtung bzw. eines Angebots zu schaffen.

      Organisationsinterne Anlässe

      Daneben können jedoch auch organisationsinterne Anlässe den Ruf nach Evaluation hervorbringen. So können Mitarbeitergruppen oder Leitungspersonen mit den Arbeitsabläufen innerhalb einer Organisation unzufrieden sein, häufige Konflikte zwischen den Mitarbeitern das Arbeitsklima belasten und die sachbezogene Leistungsfähigkeit der Einrichtung beeinträchtigen. Auch können Leitungspersonen und einige Mitarbeiter den Eindruck gewonnen haben, dass in einigen Teams die Angebote nur unzureichend durchgeführt werden. Oder die Adressaten der Einrichtung beschweren sich merklich häufiger über das Angebot (z. B. Eltern in Kindertageseinrichtungen über mangelnde kindbezogene Förderaktivitäten seitens der Erzieherinnen) oder sie nutzen die Einrichtung in wesentlich geringerem Umfang als zu früheren Zeiten (z. B. Besucher eines Jugendzentrums bleiben weg). Wenn solche Probleme derart deutlich werden, dass sie den Alltag beeinträchtigen, und wenn sie ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie einen relevanten Teil der Akteure unzufrieden machen, wird bisweilen Evaluation „entdeckt“ als ein Mittel, das helfen soll, der Sache „auf den Grund zu gehen“.

      Doch solche Anlässe gab es bereits zu Zeiten, in denen noch nicht so viel über Evaluation gesprochen wurde und in denen dieses Thema noch nicht eine solche „Konjunktur“ wie heute hatte. Daher ist zunächst nach den Hintergründen für die „Evaluationskonjunktur“ zu fragen, und zwar nach politischen wie nach den professionsbezogenen Hintergründen (Kap. 2.1). Bezug nehmend auf die Hintergründe steigender Bedeutung von Evaluation lassen sich deren Funktionen ableiten (Kap. 2.2). Damit deutlich wird, dass Evaluation nicht nur etwas ist, was politisch eingebracht, also „von außen“ der Sozialen Arbeit aufgedrückt wird, oder etwas, was man nur in Ausnahmefällen bei besonderen organisationsinternen Problemen einsetzt, soll in Kapitel 2.3 mit einigen kurzen Anmerkungen der Stellenwert von Evaluation für Professionalität in der Sozialen Arbeit begründet werden. Abschließend werden einige Fragen formuliert, die bei der Konzipierung von Evaluation hilfreich sein können, um Interessen und Wertbezüge der mittelbar und unmittelbar Beteiligten stärker wahrzunehmen und in die Konzepterörterung einzubeziehen (Kap. 2.4).

      2.1 Hintergründe für das zunehmende Interesse an Evaluation

      Ressourcenknappheit

      • Angesichts der Ungewissheit bezüglich der Wirkungen und des Nutzens von Programmentscheidungen und Ressourceneinsatz erhofft man sich von Evaluation eine bewertende Vergewisserung.

      • Durch eine Überprüfung des Verhältnisses von Ressourceneinsatz und Effekten erweitern Finanzierungsträger den Legitimationsdruck gegenüber den Organisationen, die man finanziert und mit der Bearbeitung sozialer Probleme beauftragt.

      • Die Versuche, in neuen Handlungsformen Probleme zu bearbeiten, sollen stärker gesteuert werden, indem über Evaluationen genauere Bewertungen und verbesserte Handlungsorientierungen ermöglicht werden. Evaluation entspringt dem steigenden Bedürfnis nach Steuerungswissen: ob das, was man neu tut, besser ist als das, was man bisher getan hat, und an welchen Stellen noch verbesserte Problemlösungspotenziale liegen könnten.

      Rationalisierungserwartungen durch Evaluation

      Von Evaluation erhofft man sich eine verbesserte politische, fachbezogene und administrative Steuerung von Programmen, eine Erhöhung ihrer Zielgenauigkeit, einen optimierten Ressourceneinsatz sowie – daraus resultierend – eine verbesserte Legitimation. Evaluation ist somit gleichzeitig Ausdruck und Instrument einer gesellschaftlichen Modernisierung, die sich als intensivierte Rationalisierungsabsicht zeigt: Mit Evaluation setzt man „auf Versachlichung anstatt auf Tradition … Durch Evaluationen sollen von Traditionen und individuellen Interessen unbeeinträchtigte Entscheidungsgründe verfügbar gemacht werden.“ (Kuper 2005, 27) Ob diese mit Evaluation verbundenen Erwartungen dem Charakter von Evaluation entsprechen und einlösbar sind, ist eine zweite Frage. Zunächst sind die gesellschaftlich-politischen Hintergründe für die „Karriere“ des Evaluationsthemas zur Kenntnis zu nehmen. Sie können sich in den Erwartungen an eine konkrete Evaluation niederschlagen und müssen von den Evaluationsakteuren wahrgenommen und einkalkuliert werden.

      Evaluation und Profession

      Neben diesen gesellschaftlichen Hintergründen lassen sich jedoch auch aus der Profession erwachsende Motive erkennen, die den Stellenwert von Evaluation befördert haben. Die Profession „Soziale Arbeit“ gerät nicht nur von außen unter Legitimationsdruck. Auch innerhalb der Handlungsfelder und Einrichtungen sind sich Fachkräfte häufig unsicher, welche Erfolge ihr Handeln nach sich zieht, welche Methoden welche Erfolge versprechen, an welchen Stellen Konzepte und Handlungsmuster von Fachkräften oder Teams Stärken und / oder Schwächen aufweisen, wo sich Ansatzpunkte für eine wirkungsvolle Qualitätsentwicklung zeigen, ob das Handeln ausreichend mit Zielen verkoppelt ist etc. Die steigende Bedeutung von Evaluation verweist zum einen auf Verunsicherung in der Profession („Wissen wir ausreichend, was wir tun und mit welchen Effekten wir es tun?“) und zum anderen auf ein Bedürfnis nach stärkerer Strukturierung der Arbeit. Evaluation