Mitverantwortung
Eine solide Planung stellt nicht nur den Ausgangspunkt für strukturiertes Lehrerhandeln dar, sondern sorgt auch für Transparenz unter den beteiligten Kolleginnen und Kollegen sowie für die Schülerinnen und Schüler. Das Wissen, was in der angekündigten Unterrichtssituation passieren wird, hilft allen Beteiligten, sich darauf einzustellen und aktiv darauf einzulassen. Neben den genannten Vorteilen von reflektierter Unterrichtsplanung durch die Lehrperson gilt es auch, die Mitbestimmung der Lernenden bei der Gestaltung des Lernprozesses zu berücksichtigen. Dies bedarf der Offenheit der Lehrperson, des gemeinsamen Aushandelns und der Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler, Lernprozesse zu planen. Bei Letzterer geht es um die Selbstbefähigung, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Im Unterricht sollte es Phasen geben, diese Kompetenz zu üben und zu erweitern. Dialogische Planungsprozesse können mit kleinen Entscheidungen über Arbeitszeiten, Orte, Inhalte etc. beginnen und bei zunehmender Kompetenz auch die Planung von Unterrichtsprojekten einbeziehen. Also: Planung ja. Aber wie?
1.2 Unterrichtsplanung als zielorientierter Prozess
In der didaktischen Literatur ist eine Vielzahl von Diskussionen zur Gestaltung von Unterrichtsplanungsprozessen zu finden, in denen auf unterschiedliche erkenntnis- und lerntheoretische sowie didaktische Bezüge referiert wird. Das Vorgehen der Unterrichtsplanung, das im Folgenden skizziert wird, orientiert sich am Planungsraster von Klafki im Sinne seiner kritisch-konstruktiven Didaktik, die auf bildungstheoretischen Überlegungen fußt. Charakteristisch für diesen didaktischen Ansatz ist einerseits die Zielperspektive, die Schülerinnen und Schüler durch Hilfestellungen in ihrem Lernprozess „ … zu wachsender Selbstbestimmung-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit in allen Lebensdimensionen“ (2007, 90) zu befähigen. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf den Schülerinnen und Schülern, sondern dieses Ziel schließt auch den kritischen Blick auf das Handeln der Lehrpersonen mit ein, inwiefern dies Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet. Andererseits impliziert die konstruktive Didaktik die Veränderung der Schulwirklichkeit durch didaktische Modellentwürfe und ermöglicht Lehrpersonen eine größere Reichweite ihres pädagogischen Handelns.
In Klafkis didaktischem Ansatz besteht ein enger Bezug zwischen theoretischen Überlegungen und praktischem Handeln. Ebenso sollten Bezüge zwischen der didaktischen Theorie und deren praktischer Umsetzung sowie den gesellschaftlichen Voraussetzungen und Konsequenzen didaktischer Überlegungen und Vorgehensweisen erarbeitet werden. Didaktik gilt als Möglichkeit zur Unterstützung im Demokratisierungs- und Veränderungsprozess der Gesellschaft (2007, 89 ff).
1.2.1 Zielrichtungen des Unterrichts
Partizipationsziele
Zentral für theoretische Aussagen zur Unterrichtsplanung ist nach Klafki in erster Linie die Beschreibung der zentralen Ziele, die im Unterricht eröffnet werden sollen, um die genannten und gewünschten gesellschaftlichen Auswirkungen zu begünstigen (2007, 256). Unserer Meinung nach sind für den Unterricht im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung grundlegende partizipatorische Ziele zentral, die in Tabelle 2 aufgeführt werden.
Tab. 2: Zielrichtungen von Unterricht
Da sich jeglicher Unterricht über Interaktionsprozesse realisiert, liegt in der Teilhabe an der Unterrichtsinteraktion die Grundlage für die Realisierung der weiteren genannten Zielperspektiven. Eine differenzierte Darstellung dazu findet sich in Kapitel 7.1. Wenn Unterricht die in der Tabelle genannten Zielperspektiven einlösen soll, dann müssen diese bereits bei der Planung mitgedacht werden.
1.2.2 Unterrichtsplanung kritisch-konstruktiv
kritisch-konstruktive Didaktik
Das Konzept der kritisch-konstruktiven Unterrichtsplanung nach Klafki basiert auf sieben Problemfeldern bzw. Fragedimensionen, die in Abbildung 1 beziffert sind (2007, 272).
Abb. 1: Didaktische Analyse nach Wolfgang Klafki (2007, 272)
In Bezug auf die Eingrenzung des Themas und dessen Begründung werden zunächst die ausgewählten Themen und die sie konstituierenden allgemeinen Ziele geprüft. Die Gegenwarts-, Zukunfts- und exemplarische Bedeutung stehen hier in keiner vorgegebenen Reihenfolge, sondern in wechselseitiger Abhängigkeit. In der Gegenwarts- (1) und der vermuteten Zukunftsbedeutung (2) wird eruiert, inwiefern die Thematik Relevanz in der gegenwärtigen Lebensphase der Schülerinnen und Schüler hat, Verstehens-, Urteils- und Handlungsmöglichkeiten an die Hand gibt und zugleich Entwicklungsmöglichkeiten bezüglich ihrer Zukunft bietet. Die exemplarische Bedeutung (3) zeigt in Form von allgemeinen Zielen der übergreifenden Unterrichtseinheit allgemeine Zusammenhänge auf.
Innerhalb der thematischen Strukturierung (4) wird das Thema in seinen Bausteinen und bezogen auf mögliche Teillernziele betrachtet und es werden Möglichkeiten der Erweis- und Überprüfbarkeit (5) eruiert.
Die Zugangs- und Darstellungsmöglichkeiten (6) beziehen sich auf die gesamte Thematik oder auf einzelne Teile von ihr. Unter Bezugnahme auf die Bedingungsanalyse können unterschiedliche Zugangsoder Darstellungsmöglichkeiten notwendig sein. Die Möglichkeiten, einen Lerngegenstand zugänglich machen zu können, sind nicht zu vernachlässigende Aspekte bei der Auswahl des konkreten Themas.
Bei der methodischen Strukturierung werden konkrete Lehr-Lern-Prozesse (7) und mögliche Interaktionsformen fokussiert.
Fragen nach Klafki
Klafki formuliert zu den einzelnen Schritten konkrete Fragen:
● Welche Bedeutung hat der betreffende Inhalt (Erfahrung / Fertigkeit) bereits im Leben der Kinder bzw. sollte er darin haben?
● Worin liegt die Bedeutung des Inhalts für die Zukunft der Kinder?
● Welchen allgemeinen Sinn- oder Sachzusammenhang vertritt oder erschließt dieser Inhalt? Ist dieser kulturell bedeutsam? Welches Phänomen lässt sich exemplarisch erfassen?
● Wie ist die Struktur des Inhaltes?
– Was sind die einzelnen Inhaltsaspekte?
– Wie ist der Sinnzusammenhang der Einzelaspekte?
– Was sind die verschiedenen Sinn- und Bedeutungsschichten?
– Was muss sachlich vorausgegangen sein?
– Welche Eigentümlichkeiten des Inhaltes werden den Kindern den Zugang zur Sache vermutlich schwer machen?
– Was ist das ,Mindestwissen‘ (die inhaltliche Grundsubstanz)?
– Was ist das lebendige Wissen (das aktive Wissen, das angewendet wird)?
● Welches sind die besonderen Fälle, Phänomene, Situationen, Versuche, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhaltes interessant, fragwürdig, zugänglich, begreiflich, anschaulich werden kann? (2007, 271–284)
Dieses differenzierte Planungsvorgehen ist unserer Ansicht nach geeignet, die oben skizzierten Zielperspektiven von Unterricht zu unterstützen. Im Kontext heterogener Lerngruppen ist jedoch kritisch zu sehen, dass die Lernvoraussetzungen kaum individualisiert im Hinblick auf alle Entwicklungsbereiche berücksichtigt werden. Zudem erscheint uns eine Verknüpfung von didaktischen und methodischen Entscheidungen sinnvoll. Letztere werden in der Darstellung Klafkis nicht ausdifferenziert.
1.2.3 Planungsraster
Im Folgenden schlagen wir