Schüler mit geistiger Behinderung unterrichten. Karin Terfloth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Terfloth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846352151
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und die daraus resultierenden Lernchancen. Daran anschließend erfolgt eine Darstellung der methodischen Umsetzung und Planung einer Unterrichtsreihe.

      Textpassagen, die aus der Unterrichtsplanung unseres Beispiels stammen, werden besonders hervorgehoben.

      Einleitung des Unterrichtsprojektes

      Es handelt sich bei dieser Unterrichtsplanung um ein fächerübergreifendes Projekt: Das naturwissenschaftliche Thema „Energie“ wird mit Lernaspekten des Schriftspracherwerbs im Sinne des erweiterten Verständnisses von Lesen und Schreiben verknüpft und im Sinne der kategorialen (materialen / formalen) Bildung nach Klafki bearbeitet.

      Der sachunterrichtliche thematische Schwerpunkt wird eingegrenzt auf das Erleben von Bewegungsenergie und elektrischer Energie sowie das Erarbeiten von Kenntnissen über diese beiden Energieformen und deren mögliche wechselseitige Umwandlung.

      Für den Schriftspracherwerb werden zwei Schwerpunkte mit Blick auf die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler ausgewählt: zum einen das Verständnis von Zeichen und Symbolen und zum anderen das sinnentnehmende Lesen von Wörtern, Sätzen und Texten.

      Die Planung zeichnet sich durch die gezielte Berücksichtigung vielfältiger Situationen aus, in denen Informationen zur Energiethematik durch das Deuten bzw. Erlesen von Situationen, Bild- oder Schriftzeichen gewonnen werden. In Bezug auf den Schriftspracherwerb geht es darum, das Sachunterrichtsthema als sinnvollen situationsbezogenen Leseanlass im Sinne des Spracherfahrungsansatzes didaktisch zu nutzen (vgl. Brügelmann 1989/2008). In diesem Kontext sei darauf verwiesen, dass es auch möglich gewesen wäre, mathematische Aspekte (zusätzlich oder anstatt des Schriftspracherwerbs) mit der Energiethematik zu verbinden oder es nur bei der naturwissenschaftlichen Thematik zu belassen.

      Die reale Lerngruppe, für die das Unterrichtsbeispiel geplant und mit der es auch durchgeführt wurde, umfasst sechs Schülerinnen und Schüler einer 6. Klasse im Alter von 11 bis 14 Jahren einer Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe mit Schülerinnen und Schülern mit schwerer und mehrfacher Behinderung.

      gemeinsamer Unterricht

      Im Rahmen unseres Energieprojektes kommen vielfältige Individualisierungs- und Differenzierungsmaßnahmen zum Einsatz, um mit einer heterogenen Lerngruppe einen gemeinsamen Lerngegenstand zu erarbeiten. Sowohl die Formulierung grundlegender gemeinsamer Bildungsziele für die gesamte Klasse und individualisierte Lernchancen für einzelne Schülerinnen und Schüler als auch kooperative, gemeinsame Lernsituationen und Einzelförderung stellen eine gute Basis für den didaktischen Umgang mit Heterogenität dar. Wir stellen uns in den einzelnen Kapiteln immer wieder die Frage, inwiefern im Unterricht Benachteiligung aufgrund unterschiedlicher Heterogenitätsaspekte vermieden werden kann, z. B.

      ● sozio-ökonomische Heterogenität,

      ● behinderungsbedingte Heterogenität,

      ● migrationsbedingte Heterogenität,

      ● geschlechterbedingte Heterogenität (Sturm 2016, → Kap. 4).

      Auch wenn wir innerhalb dieses Buches den Diversity-Aspekt der Behinderung in den Fokus stellen, sind die anderen Aspekte für die Realisierung von Inklusionschancen im Unterricht ebenfalls bedeutsam.

      Das Unterrichtsbeispiel zeigt mit Hilfe von bekannten Methoden und der Berücksichtigung unterschiedlicher Aneignungsmöglichkeiten eine Vorgehensweise, wie ein kulturell bedeutsamer Bildungsinhalt aufbereitet werden kann. Es erhebt jedoch nicht den Anspruch, dass Unterricht nur so funktionieren kann. Vielmehr soll das Beispiel Mut machen, Schülerinnen und Schülern mit geistiger sowie schwerer und mehrfacher Behinderung vielfältige Lernwege zu spannenden und gehaltvollen Themen zu eröffnen, die nicht nur ihren Alltag betreffen, sondern auch ihr Verstehen erweitern und ihre Teilhabe an unserer Kultur ermöglichen.

      1 Unterricht planen

      Unterricht stellt eine intentionale, geplante Aktivität dar. Die Planung von Unterricht ist Voraussetzung sowohl für die Strukturierung, aber auch für die Legitimation des Lehrerhandelns und ist somit eine zentrale Kompetenz innerhalb des Professionalisierungsprozesses.

      Für manche Anfängerinnen und Anfänger im Lehrberuf erscheint es dennoch als lästige Pflicht, in der Ausbildung eine ausführliche schriftliche Unterrichtsplanung zu verfassen. Der Sinn dieser Übung wird häufig darin gesehen, die Ansprüche der Mentorinnen und Mentoren sowie der Prüferinnen und Prüfer zu erfüllen. Für guten Unterricht wird oftmals eine Skizze bereits als ausreichend erachtet, wenn es denn überhaupt eine schriftliche Planung sein muss. Wird innerhalb der ersten oder zweiten Phase der Ausbildung von Lehrpersonen dann doch eine solche Leistung verlangt, werden die einzelnen Planungsschritte nicht selten isoliert voneinander bearbeitet oder teilweise aus vorgefertigten und käuflich erwerbbaren Materialsammlungen übertragen.

      Hilfestellungen

      Dieses Buch bietet theoretische und praktische Hilfestellungen an, Unterrichtsplanung schülerbezogen und pragmatisch durchzuführen. Wird Unterricht im Vorfeld geplant, stellen sich die Fragen, mit welcher Begründung (→ Kap. 1.1), in welcher Form (→ Kap. 1.2) und in welchem Umfang (→ Kap. 1.2.4) dies geschieht. Inwiefern diese Form der Unterrichtsplanung auch im gemeinsamen Unterricht verfolgt werden kann, wird in Kap. 2.2.5 diskutiert.

      Um Bedenken vorwegzunehmen: Wir gehen nicht davon aus, dass eine Unterrichtplanung Punkt für Punkt wortgetreu umgesetzt werden kann. Es gibt zahlreiche Gründe, warum sich Unterricht abweichend von der vorangegangenen Planung entwickelt, beispielsweise durch die Abhängigkeit von der Tagesform und der aktuellen Befindlichkeit aller Beteiligten, durch bisher nicht bekanntes Vorwissen bei den Schülerinnen und Schülern, durch Störungen von außen etc.

      Allerdings sollte Unterricht kein willkürliches Produkt von Zufällen und individuellen Interessen der Lehrpersonen sein, sondern vielmehr durch die Berücksichtigung von didaktisch-methodischen Qualitätsaspekten legitimiert werden. Zwar kann der Planungsprozess im Vorfeld den Verlauf der eigendynamischen Entwicklung einer Unterrichtsinteraktion nicht abbilden. Dennoch können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auf die Bedürfnisse der Beteiligten abgestimmt sind und somit den Lernzugang und die Kommunikation miteinander erleichtern. „Durch Nachdenken über Unterricht wird der Umgang mit Unterricht eingeübt“ (Scheunpflug 2001, 84). Unterrichtsplanung garantiert keine stabile Unterrichtssituation und einen entsprechenden Unterrichtserfolg, aber sie macht diese wahrscheinlicher (2001, 124 f).

      Unterrichtsplanung

      Was meint der Begriff Unterrichtsplanung? Als Arbeitsdefinition schlagen wir in Orientierung an Sandfuchs vor, unter dem Begriff der Unterrichtsplanung alle Maßnahmen und Entscheidungen im Vorfeld der Unterrichtsdurchführung zu verstehen, die zur Optimierung des Lernens und Lehrens im Unterricht beitragen (2006, 684). Unterrichtsplanung ist demnach ein wesentlicher Teil der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen, da Unterricht nach Lamers einen bewussten Prozess darstellt, der auf eine strukturierte und anspruchsvolle Wissens- und Fähigkeitsaneignung auf dem je individuellen Lernniveau abzielt (2003, 204).

      Planungsschritte

      In der genannten Definition wird deutlich, dass eine sinnvolle Unterrichtsplanung daher immer konkret vor dem Hintergrund der Kenntnisse über die Lernenden erfolgt, die mit dem Bildungsinhalt in Bezug gesetzt werden. Eine systematische Vorbereitung stellt gerade für Lehreinsteigerinnen und Lehreinsteiger eine notwendige Grundlage für den dialektischen Umgang mit der Erörterung des Bildungsinhaltes auf der einen und der Komplexität der Lernvoraussetzungen der Schülergruppe auf der anderen Seite dar.

      methodische Schritte bewusst entscheiden

      Zudem