Meine Frau hat Handball gespielt. Bei Chemie Meißen. Regine ist recht sportlich.
Als ich noch in Meißen kickte, hat Regine in unmittelbarer Nähe gewohnt. Und der Vater war praktischerweise Anhänger von Meißen. Die Mutter wusste über unseren Kontakte Bescheid, den Vater haben sie so’n bissel im Unklaren gelassen, er war etwas streng: „Bevor du dein Abitur nicht hast, kommt mir kein Kerl ins Haus!“
Er wusste von nichts, obwohl wir schon lange gemeinsam unterwegs waren. Als er endlich mitbekam, wer ihr Freund war, nämlich der Mittelstürmer seiner heiß geliebten TSG Meißen, kannte seine Freude kein Ende.
Regine studierte und arbeite zuerst als Unterstufenlehrerin. Später hat sie an der Humboldt-Universität in Berlin ein Fernstudium absolviert, Spezialgebiet Arbeit mit geistig Behinderten. Sie hat bis 1990 zwanzig Jahre als Lehrerin gearbeitet. Nach der Wende musste sie, damit sie verbeamtet wurde, ein Referendariat machen. Sie hat es mit Auszeichnung absolviert. Die zwanzig Jahre zählten nicht.
DAS KENNENLERNEN
FRANK Regine, wann habt ihr euch kennengelernt?
REGINE 64. Tanzabend.
ULLI Getanzt haben wir auch! Im Winterlager. War so’n kleiner Tanzabend.
REGINE Winterfreizeit. Wir waren mit unserer Klasse dort.
ULLI Das war früher so üblich, dass man da mal ’ne Woche irgendwohin gefahren ist.
BEIDE Von der Schule organisiert.
ULLI Das war in Voigtsdorf.
REGINE Ich ging in die 10. Klasse, und du warst 13. Klasse. Viel Schnee!
ULLI Das war im Winter.
FRANK Da habt ihr euch kennengelernt – und sofort verliebt? REGINE Neeein!
ULLI Na, das ging noch ’ne Weile hin und her. Aber irgendwie hat sie mich gereizt, sie hatte Charme, sah gut aus und war klug.
REGINE Ich wurde ja streng erzogen. Mein Vater hatte da ’ne Hand drauf. Ich konnte mich nicht einfach mit Jungs verabreden.
FRANK Ulli hat’s genauso erzählt; ich wollte nur gucken, ob ihr schwindelt. FDJ habt ihr alles mitgemacht?
ULLI Alles. DSF, FDJ
5. KAPITEL
DRESDEN, RIESA, HALLE
ULLI THOMALE | Dynamo Dresden wandte sich irgendwann an die Funktionäre des FSV Lok Dresden, weil Dynamo-Trainer Walter Fritzsch mich wollte. Fritzsch hatte gesagt: „Den brauch ich.“
Und wenn er diese Worte aussprach, begannen die Rädchen zu arbeiten. Dynamo war inzwischen sehr beliebt in Dresden, zu uns kamen ein paar tausend, zu Dynamo zehntausende. Da hat keiner gesagt, Dynamo ist Stasi oder Volkspolizei. Das hab ich nie begriffen. Mich hat’s ein bisschen erstaunt, weil eigentlich hätte der Lieblingsclub der Dresdner der SC Einheit Dresden sein müssen. Dynamo ist nach dem Krieg entstanden. Über die VP, die hießen eine Weile VP Dresden, kamen eigentlich aus Leipzig beziehungsweise Berlin, die Entstehung von Dynamo Dresden ist eine ganz merkwürdige Geschichte. Gut, die Dresdner liebten freiwillig Dynamo, einen Polizeiverein, war nun mal so.
Jedenfalls wollte Walter Fritzsch mich 1969 haben und hat sich an die Funktionäre gewandt, die sollten das mit mir klären. Ich und ein Torhüter sollten rüber, im Rahmen eines Ringtauschs. Die Spieler wurden als Letzte gefragt. Über Wechsel entschieden Funktionäre.
Aber ich sollte und wollte zu Dynamo. Doch meine FSV-Lok-Funktionäre blockierten den Wechsel. Die mochten mich nicht abgeben. Als ich das erfuhr, wollte ich den Verein unbedingt verlassen. So bin ich 1970 kurz darauf zu Stahl Riesa in die Oberliga gewechselt, in die höchste Spielklasse der DDR. Ich wurde nicht delegiert, ich meldete mich in Dresden ordnungsgemäß ab und in Riesa ordnungsgemäß an.
Bei Stahl Riesa absolvierte ich im rechten Mittelfeld beziehungsweise vorn rechts leider nur 14 Spiele. Ich hab ein Tor daheim erzielt, Flugkopfball gegen Vorwärts Frankfurt.
In Riesa wurde ich als Diplomsportlehrer für Massensport eingestellt und habe Kindern am Abend Sportunterricht gegeben. Eine verschleppte Gelbsucht machte mir wahrscheinlich zu schaffen, die ich mir bei der NVA zugezogen hatte.
Ich sah mich noch als Spieler, ich wurde zu einer Reha geschickt. Es wurde nicht besser, ich hab noch gespielt und nicht schlecht. Als ein Riesaer Arzt bei mir eine residuale chronische Hepatitis feststellte, war meine Spielerkarriere beendet.
Dieser Internist einer Riesaer Poliklinik meinte nach einer durchgeführten Leberbiopsie mit dem Befund in der Hand: „Herr Thomale, wenn Sie alt werden wollen, dann hören sie mit Leistungssport auf.“
Als ich mit aufhören musste, war ich sechsundzwanzig, im besten Fußballeralter. Das war eine sehr bittere Entscheidung.
Ich hab in Riesa im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks an einer Tribüne mitgebaut und mich so im Stadion verewigt. Leider hatten wir schlechte Trainingsmöglichkeiten. Wir sind häufig mit einem Robur-Kleinbus durch die Landschaft getuckert, um bei kleineren Vereinen einen Platz am Rand der Stadt zu finden, sehr amateurhaft, trotz Oberligazugehörigkeit. Auf einem holperigen Hartplatz haben wir manche Athletikeinheit absolviert.
Mein Grundgehalt betrug in Riesa 900 DDR-Mark. Wenn man im Leistungssport als Trainer gearbeitet hat, waren diese 900 Mark das Grundgehalt. Als Spieler bekam man in Riesa 1970 weniger.
Dann haben sich die Ereignisse überschlagen. Der Riesa-Trainer Karli Schäffner hatte mich nach meiner Diagnose in den Trainerstab eingebaut, ich war fürs Warmmachen zuständig und fürs Erste damit nicht unzufrieden. Zu dem Zeitpunkt war mir klarer als je zuvor, dass ich nur Fußballtrainer werden wollte. Regine und ich bekamen 1971 in Riesa unseren ersten Sohn Michael. Wir haben in Riesa endlich gemeinsam gewohnt, Stahl Riesa hatte uns die erste eigene Wohnung besorgt.
Plötzlich wandte sich der Hallesche FC Chemie an mich. Der damalige Clubvorsitzende Hans Schmidt des Halleschen FC war ein feiner Mensch. Er hat mich nach Halle zum Nachwuchs gelotst. Ein Trainer ging für’n halbes Jahr zur Armee, und der Posten des Oberliga-Junioren-Trainers war frei. Der HFC war ein Fußballclub, Stahl Riesa eine kleine Betriebssportgemeinschaft. Ich überlegte keine Zehntelsekunde und sagte zu.
Der Job in Halle war eine berufliche Verbesserung, bedeutete aber auch die Trennung von der Familie. Ich bekam anfangs neben dem Club-Sekretariat eine kleine Wohnung in Halle, später hab ich mit einem Kollegen eine Kleinstwohnung in Halle-Neustadt bezogen.
Arbeits-Alltag: Montag bis Freitag Spieler trainiert. Ganz früh hatte ich eine KJS-Klasse. Anderthalb Stunden später die nächste KJS-Klasse. Dann bin ich zu Fuß oder mit der Bahn zum Clubgelände. Mittagessen. Am Nachmittag wieder die beiden KJS-Klassen. Danach kamen die Lehrlinge, also Spieler, die wegen ihrer schulischen Leistungen nicht auf der KJS waren. Die hab ich auch trainiert. Dann ab in mein Schlafobjekt. Am nächsten Tag ging wieder von vorn los.
Nur am Freitag zum Abschlusstraining hatte ich die Lehrlinge und die Jungs von der KJS zum gemeinsamen Training. An den anderen Tagen immer nachmittags den größten Teil der gesamten Mannschaft. Trotzdem sind aus einigen Lehrlingen gestandene Oberligaspieler geworden. Samstag fanden Punkt- und Pokalspiele statt. Häufig als Vorspiel vor den Oberligabegegnungen. Das war eine gute Idee. Weil die Jungs vor Zuschauern spielten und die Oberliga-Trainer teilweise zusahen. Leider nur bei schönstem Wetter, um den Platz zu schonen. Diese Vorspiele wurden auf einen Nebenplatz verlegt, sobald ein Tropfen Regen fiel.
Der Sprung von der Jugend- zur Männer-Mannschaft war