»Ich bin Trainer, kein Diplomat!«. Frank Willmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Willmann
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783963115950
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nationalsozialistische Organisationen verboten wurden.

      Im DSC waren diverse Sportarten integriert, Rudern, Kegeln, Eiskunstlauf, Wasserspringen, Leichtathletik, Skilauf. 1950 wechselte ein Großteil der Fußballmannschaft auf Initiative von Helmut Schön zu Hertha BSC nach West-Berlin oder zur TSG 78 nach Heidelberg. Der Rest der Mannschaft schloss sich der SG Mickten an, die im gleichen Jahr in BSG Sachsenverlag, danach in BSG Rotation und schließlich 1954 in SC Einheit Dresden umbenannt wurde. 1966 gab’s den Fußball-Beschluss des DFV, als der DDRFußball von oben neu organisiert wurde und besonders geförderte Schwerpunktvereine gegründet worden sind. So wurde aus dem SC Einheit Dresden der Fußball ausgegliedert, und der Fußballverein hieß fortan FSV Lok Dresen.

      1966 beendete ich meine Lehre, begann ein Fernstudium und wechselte nach Dresden zu Einheit. Sie spielten 2. Liga, waren aber von 1954 bis 1962 in der DDR-Oberliga und wollten wieder in die höchste Spielklasse aufsteigen.

      Ich war so helle, dass ich gesagt habe: „Ich mache die Aufnahmeprüfung an der DHfK.“ Es gab eine Außenstelle in Dresden. Die Prüfung habe ich bestanden und wurde Sportstudent. Mir wurde nichts geschenkt. Ich wurde als Leistungssportler gefördert, trotzdem war es ein harter Weg zum Diplom-Sportlehrer.

      Trainiert habe ich bei Einheit jeden Tag, ich war ein Profi mit wenig Geld. Es gab für mich in der Woche einen Studientag, den Dienstag. Am Dienstag trainierte ich nicht. Ich büffelte in der DHfK-Außenstelle in Dresden, Pieschener Allee. Das war nicht einfach, weil der Übergabe von der Schule zum selbstständigen Wissenserwerb in einem Fernstudium erstmal gemeistert werden will.

      In Dresden habe ich mein erstes Geld als Fußballspieler verdient, musste aber halbtags arbeiten, in der Entwicklungsabteilung für Spielzeugwaren in Dresden. Sie haben mir Aufgaben gegeben, aber ich war nicht derjenige, der die Produkte vom Band geschoben hat, ich wurde durchgeschleift, hab bissel mitgemacht. Wir haben zum Beispiel große Spieluhren aus Plastik entworfen oder ein Unterseeboot, das konnteste programmieren.

      Der Direktor hat bereits ein bisschen mit dem Kapitalismus geschmust, ist zu internationalen Messen gefahren. Dort hat der geguckt, was es an Neuigkeiten gibt, und wir mussten das nachbauen. Ähnlich wie das heute die Chinesen sehr effektiv tun.

      Mittags bin ich zum Training gegangen. Der Direktor schaute sich sofort an, was ich beim Fußball draufhabe. Ich glaube, es war mein erstes Spiel für Dresden. Ich schoss ein oder zwei Tore gegen Motor Schott Jena. Am nächsten Tag hat mich der Direktor in der Früh hochbestellt: „Kleiner! Komm’ mal hoch! Ab jetzt kriegst du ’ne Gehaltserhöhung! Außerdem kannst du jetzt immer schon um elf gehen.“ So’n Fußballverrückter war das.

      Mir war’s ein Herzensbedürfnis, von meinem ersten Geld in Dresden meinem Vater ein neues Fahrrad zu schenken.

      Er hatte eine alte Mühle, mit der er sich quälte. Und ich hab dem ein neues Fahrrad gekauft. Das war für mich eine ungeheure Freude. Er ist dann leider im Krankenhaus schnell verstorben. Ich wusste, dass er stirbt, und hab ihn jeden Tag besucht. Er lag auf der Intensivstation, und der Arzt hat gesagt: „Er wird’s nicht schaffen.“

      Da hab’ ich erstmal richtig registriert, was der verdient hat. Oder nicht verdient hat. Und die lächerliche Rente für seine hundertprozentige Schwerbehinderung. Ich hab mich aufgeregt, das hat sich mir eingeprägt. Für mich war das auch ein Vermächtnis gegenüber meinem Vater, als Fußballer beziehungsweise im späteren Leben etwas zu leisten. Weil er so ein Typ war, ein Kämpfer, trotz seiner schweren Kriegsverletzungen. Ich wollte es der Welt zeigen. Auch weil mein Vater wegen des Krieges keine Chance hatte, sich zu verwirklichen, der Krieg hat ihn fertiggemacht. Bis zum Schluss liebte er mich, interessierte sich für mein Tun und förderte mich.

      Eine Schwester ist bei der Mutter geblieben. Meine Mutter erlitt einen Schlaganfall, meine Schwester hat sie drei Jahre gepflegt und dessen ungeachtet als Lehrerin gearbeitet. Sie ist jetzt siebenundsiebzig. Wir telefonieren jede Woche. Sie kriegt von mir jede Unterstützung, die ich leisten kann.

      In Dresden wohnte ich im Internat Pieschener Allee. Neben mir lebten dort diverse Sportler. Das Internat war eigentlich eine Baracke mit ordentlich eingeräumten Zimmern. Heizung, ja. Toilette auf dem Gang. Zwei Mann in einem Zimmer.

      Wir hatten viele Fans, weil die Leute in Dresden in uns den Nachfolger des beliebten Dresdner SC sahen. Etliche Ältere, Verrückte, aus der uralten Garde vor 1945. Die gern mal mit Geschenken ankamen, heute Bananen, einem Stück Butter. (LACHT) Der DSC war zu DDR-Zeiten offiziell verpönt, weil die Mannschaft fast komplett in den Westen abgehauen war.

      Den Verein Volkspolizei Dresden gab es auch schon, daraus wurde später Dynamo Dresden, der Verein der Sicherheitskräfte. Dynamo besaß damals bereits die Sportschule, bei Volkspolizei/Dynamo wurde immer ein sehr guter technischer Fußball gespielt. Die Bezirksleitung der SED-Partei war Dynamo-lastig. Wir wurden auch mal von der Bezirksleitung eingeladen, aber das hauptsächliche Interesse galt Dynamo. Sie spielten in der 1. Liga, wir in der 2. Dynamo Dresden wurde das Lieblingskind der Dresdner. Alle Kraft für Dynamo! Um das zu festigen, wurde unser Spieler Eduard Geyer von Einheit zu Dynamo delegiert.

      Wir hatten einen sehr patenten Mannschaftsleiter, einen Rechtsanwalt, er hat mich gemocht. Als mein Vater starb, sind die Leute von Einheit zur Beisetzung gekommen. Das hat mir geholfen. Ich dachte, ich kann nicht einfach so zu einem anderen Verein verschwinden. Und bin geblieben. Wir wollten eigentlich aufsteigen.

      Unser Trainer war vor meiner Zeit mit dem SC Einheit FDGB-Pokal-Sieger geworden. Ein sehr guter Ausbilder, aber kein guter Coach, kein Psychologe, trotzdem ein akribischer, fleißiger Mensch. Du musst aber manchmal im Fußball dem einen oder anderen eins auf die Fresse hauen, streng symbolisch formuliert. Ich überspitze. Aber um die Mannschaft nach vorn zu bringen, musst du zuweilen Tacheles reden. Du kannst nicht immer alle lieb haben. Wenn es nicht lief, meinte unser Trainer: „… aber wir haben doch alles gemacht …“

      Der hat uns sogar unterschreiben lassen, was wir im Spiel für Aufgaben zu erfüllen hatten. Es schien durchdacht. Ich hab als Trainer auch Verschiedenes probiert, ich bin sicher der emotionale Typ, bei mir ist auch mal ein böses Wort gefallen, und mancher meinte hinter vorgehaltener Hand: „Der Thomale ist verbissen.“

      Ich glaube, dass ich das Coachen später ganz gut beherrscht habe. Man muss ein gewisses Schauspieltalent haben, um zwischen hartem Hund und Pferdeflüsterer hin und her switchen zu können.

      Ein Trainer hat Wissen. Er muss analysieren können. Aber ein Coach, der muss seine Fußballphilosophie in eine Mannschaft einbringen können.

      Ein Beispiel. Otto Rehhagel ist für mich ein besserer Coach als Trainer. Der hatte die Gabe – und das verstehe ich unter coachen –, aus den Menschen, aus den Spielern von der emotionalen Seite alles rauszuholen. Dass die zusammenhalten, dass sie für ihn Gas geben. Ein perfekter Trainer trainiert ordentlich, der weiß, was er zu tun hat, er analysiert und kann gut coachen. Nehmen wir jetzt mal den Klopp. Das ist wahrscheinlich im Moment der beste Mann auf dem Trainerstuhl. Klopp ist die Inkarnation des Erfolgs.

      Jürgen „Klinsi“ Klinsmann hingegen ist nur ein guter Coach! Der hat 2006 vor der WM in Deutschland gesagt: „Wir wollen Weltmeister werden!“ Ich dachte: „Spinnt der?“

      Ne! Der hat lange in Amerika gearbeitet und dort gesehen, auf welche Art und Weise die den Leuten einreden, wie gut die sind.

      Wir waren mit unserer Dresdner Mannschaft immer vorne dabei, sind aber nie aufgestiegen. Trotzdem kamen ein paar tausend Zuschauer. Als Einheit spielten wir in Rot-Weiß, als wir FSV Lok Dresden wurden, änderten sich die Farben in Schwarz-Rot und Schwarz-Weiß. Das hat uns gefallen, weil es in der DDR ungewöhnliche Farben waren. Ich spielte meist vorn in der Mitte oder vorn rechts und schoss in 76 Spielen 13 Tore.

      Wir wollten uns ursprünglich 1. FC Lok Dresden nennen. Das durften wir aber nicht, weil es bereits den 1. FC Lok Leipzig gab. Als Lok Leipzig mal in der 2. Liga gegen uns spielte, sie waren abgestiegen, hat man uns geraten, das Spiel zu verlieren. Von höherer Stelle ist uns das angetragen worden. Ich war in der Blüte meines fußballerischen Schaffens und darüber sehr erschüttert.

      Peter Gießner, später mein Vorsitzender bei Lok Leipzig, spielte damals für Lok Leipzig. Und ich