Narasimhachari und Kollegen hatten in Untersuchungen herausgefunden, dass DMT bei schizophrenen Personen offenbar häufiger im Blut nachgewiesen werden könne als beim gesunden Menschen – vier andere Studien konnten diese Ergebnisse allerdings nicht teilen (Angrist et al. 1976 und andere; kurz zusammengefasst bei Murray und Oon 1976), und bald wurde DMT auch beim gesunden, nicht-schizophrenen Menschen im Urin, im Liquor und im Blut nachgewiesen. (Barker et al. 2012; Gillin et al. 1976)
Dennoch wurden weitere Vergleichsstudien zwischen psychisch kranken und gesunden Probanden angestellt. In einer Untersuchung, die 1976 veröffentlicht wurde, hatten Forscher an 122 psychiatrischen Patienten gute Vergleichswerte für DMT im Urin ermittelt: So entdeckten die Wissenschaftler DMT im Harn von 47 % der Patienten mit Schizophrenie-Diagnose, von 38 % der Patienten mit einer anderen Psychose, von 19 % der Patienten mit neurotischen Erkrankungen, von 13 % der Patienten mit affektiver Störung/Psychose und von 5 % der gesunden Probanden. (Rodnight et al. 1976) William T. Carpenter, Professor für Psychiatrie an der University of Maryland School of Medicine, und Kollegen publizierten 1975 eine Studie mit zwölf schizophrenen Patienten und neun gesunden Kontrollpersonen, in der sich auch nicht verifizieren ließ, dass Schizophrene häufiger DMT im Blut hätten als gesunde Menschen (Carpenter et al. 1975), interessanterweise wurde die Aktivität der Monoaminooxidase (MAO)62 aber bei Schizophrenen als sehr niedrig analysiert. (Gillin et al. 1976)
Mit einer verfeinerten und nun quantitativ, statt qualitativ messenden Methode untersuchten Robin M. Murray und Michael C. H. Oon vom Londoner Institute of Psychiatry 68 Probanden: 54 psychiatrische Patienten und eine Kontrollgruppe von 14 gesunden Personen. In allen Urinproben aller Probanden konnte DMT nachgewiesen werden. Die Durchschnittswerte an gemessenem DMT waren bei psychotischen Patienten »viel höher als bei neurotischen und gesunden Personen«. Die höchsten Werte wurden aber bei vier manischen Patienten und 15 Schizophrenie-Patienten festgestellt (Murray und Oon 1976). Die Forscher folgerten, dass DMT natürlicherweise im Urin von Menschen zu finden ist, jedoch bei Personen mit psychotischen Störungen in höheren Konzentrationen vorliegt. Faktoren wie Ernährung, Darmzustand, Stress und körperliche Aktivität konnten als Einflussnehmer auf die DMT-Urinkonzentration nicht verifiziert werden.
Für Rick Strassman ist es trotzdem möglich, dass psychotische Erkrankungen und endogenes DMT miteinander in Verbindung stehen könnten, nämlich z. B. dann, wenn die Zirbeldrüse (Epiphyse), eine mitten im Gehirn sitzende Drüse, die u. a. für die Produktion des Schlafhormons Melatonin verantwortlich ist (s. u.), ins Spiel kommt. Rick Strassman vermutet, dass die Zirbeldrüse körpereigenes DMT herstellen kann – wissenschaftlich erwiesen ist das jedoch bislang nicht: »Es ist durchaus möglich, dass bei Psychotikern das Schutzsystem der Zirbeldrüse nicht normal funktioniert. Es gibt überzeugende indirekte Belege, die diesen Gedanken unterstützen.« (Strassman 2004: 109) Einen Hinweis sieht Strassman darin, dass sich die halluzinatorischen Symptome und Wahnzustände bei Schizophrenen verschlimmern, wenn sie Stress ausgesetzt sind. Gleichzeitig weiß die Forschung, dass gestresste Tiere einen erhöhten Level an körpereigenem DMT aufweisen. Hier sieht Rick Strassman die Verbindung, und er könnte durchaus Recht haben. Im Kapitel »DMT und die Zirbeldrüse« werden wir uns eingehend mit dem Thema befassen.
Leider war die Forschung an diesem interessanten Thema aber Mitte der Siebzigerjahre fast zum Erliegen gekommen. 1976 erschien ein Artikel von J. Christian Gillin et al. vom NIMH, in dem die Forscher feststellen, dass der Zusammenhang zwischen körpereigenem DMT und Schizophrenie nicht ausreichend belegt sei – weitere Untersuchungen wurden nicht angestrebt, was vorerst das Ende der DMT-Forschung am Menschen bedeutete (Gillin et al. 1976). Ende der Siebziger war dann zunächst endgültig Schluss. Die Drogengesetze hatten ihr Übriges getan. »DMT war einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Eine rationale Erforschung seiner Rolle im Organismus wurde vom antipsychedelischen Wüten, das den unkontrollierten Gebrauch und Missbrauch dieser Drogen begleitete, auf diese Weise einfach hinweggefegt. (…) Politische Befürchtungen begruben wissenschaftliche Prinzipien unter sich.« (Strassman 2014: 81)
Der Psychologe und Pharmakologe Leo E. Hollister (1920–2000), Professor an der University of Texas Medical School in Houston und der Stanford University School of Medicine in Kalifornien, befasste sich mit diversen psychoaktiven Substanzen, insbesondere mit den Cannabinoiden aus der Cannabispflanze, aber auch mit Psychedelika. Er hatte 1967 ein Modell mit Kriterien für eine durch endogene Halluzinogene verursachte Schizophrenie entwickelt, das wie folgt aussieht:
(1) Das Agens muss klinische Aspekte einer Schizophrenie nachahmen.
(2) Wiederholte Applikation sollte keine Toleranz verursachen.
(3) Das Agens sollte im Menschen nachweisbar sein.
(4) Die biochemische Vorstufe des Agens sollte im Menschen nachweisbar sein.
(5) Das Agens sollte im Menschen synthetisiert werden.
(6) Das Agens sollte bei Schizophrenen unterschiedlich synthetisiert oder metabolisiert werden.
(7) Neuroleptika sollten die Synthese hemmen, die Verstoffwechselung erhöhen oder den Verhaltenseffekten des Agens entgegenwirken.
Auch heutzutage erscheinen immer wieder entsprechende Arbeiten zu wissenschaftlichen Untersuchungen. Und die beschäftigen sich zuweilen auch mit der alten Fragestellung über den Einfluss der körpereigenen Dimethyltryptamine auf psychotische Erkrankungen. Erst 2010 berichteten Forscher von signifikant erhöhten Bufotenin-Levels bei Autisten und Schizophrenen. (Emanuele et al. 2010) Die Beziehung zwischen Stress, DMT und den positiven Symptomen einer Psychose (Alleinheitsgefühl, erhabene Visionen, meditative Zustände, Einsichten in psychologische Phänomene, Eintritt in geistige Räume usw.) haben Dionysios Grammenos und Steven Barker untersucht und 2015 publiziert. Denn eventuell ist DMT tatsächlich der biologische Mediator, also das Bindeglied zwischen Stresssituationen und den positiven Symptomen einer Psychose: »Die zurückliegende Forschung vermutet eine Beziehung zwischen Stress und den positiven Symptomen einer psychotischen Erkrankung. Allerdings ist das biologische Substrat, auf dessen Grundlage diese Beziehung fußt, bisher unbekannt. Bezieht man sich auf die Transmethylierungshypothese, könnte man davon ausgehen, dass Schizophrenie das Resultat von abnormen biochemischen Stressmechanismen ist. Und diese abnormen Mechanismen könnten dazu führen, dass der Körper eine Substanz produziert, die für die Psychosesymptomatik verantwortlich ist. Darüber hinaus haben sich mehrere Studien mit endogenem DMT im Kontext mit der Transmethylierungshypothese befasst. Es wurde herausgefunden, dass Stress den körpereigenen DMT-Level in Ratten anhebt. Erhöhte DMT-Level wiederum werden auch mit den positiven Psychose-Symptomen bei psychiatrischen Patienten in Verbindung gebracht. Außerdem prägen auch gesunde Probanden, die DMT von außen zugeführt bekommen, diese typischen positiven Symptome aus.« (Grammenos und Barker 2015)
Die letzte klinische Forschung mit DMT, eine kontrollierte Doppelblindstudie, hatte 2005 ein Forscherteam in Aachen durchgeführt und die Unterschiede zwischen DMT und (S)-Ketamin als Agenzien für eine Modellpsychose herausgearbeitet. Resultat: Beide Substanzen erzeugen eine Modellpsychose, jedoch waren die Phänomene, die positiven Psychose-Symptomen ähneln, beim DMT ausgeprägter, während jene, die den negativen Psychose-Symptomen ähneln (motorische Störungen, Aufmerksamkeitsprobleme usw.), beim Ketamin hervortraten. (Gouzoulis-Mayfrank et al. 2005)
61 Osmond prägte 1957 übrigens den Begriff »psychedelisch« (die Seele offenbarend) bzw. Psychedelikum (die Psyche offenbarendes Pharmakon).
62 Das Enzymsystem im Körper, das Dimethyltryptamine abbaut.
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