Jetzt mischte sich Staatsanwalt Jay Kirkland ein.
„Keine Sorge, das geschieht bereits“, versicherte er. „Genau jetzt in diesem Moment in einem unserer anderen Vernehmungszimmer. Und bevor Sie sich von Mister Mondale einen Anwalt bezahlen lassen, sollten Sie darüber nachdenken, dass Ihre Aussage jetzt der Staatsanwaltschaft noch ein deutliches Entgegenkommen wert sein könnte...“
In dem Vorraum, in dem sich Milo und ich befanden, öffnete sich die Tür. Sie flog förmlich zur Seite. Ein kleiner, gedrungen wirkender Mann mit hoher Stirn trat ein. „Roger W. Sundback von Braden,, Sundback & Partners. Ich bin der Anwalt von Captain Jordan. Die Fragestunde ist damit vorbei! Ich will mit meinem Mandanten unter vier Augen reden.“
7
Als Milo und ich eine Stunde später in dem Dienstzimmer saßen, das wir uns miteinander teilten, kam Agent Max Carter, ein Kollege aus der Fahndungsabteilung unseres Innendienstes herein.
Die Identität des Uzi-Schützen war geklärt.
„Jack Smith heißt in Wirklichkeit Jack Mantaglia“, erklärte Max. „Er ist seit zehn Jahren untergetaucht. Ihm werden ein halbes Dutzend Morde im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen nachgesagt. Bei mindestens drei Fällen ist die Beweislage sehr eindeutig.“
„Kein Wunder, dass er auf keinen Fall in die Hände der Justiz geraten wollte“, stellte Milo fest. Er wandte den Kopf in meine Richtung. „Du hattest Recht, Jesse.“
„Das kannst du laut sagen!“
„Er hatte einfach nichts zu verlieren.“
„Für wen hat Mantaglia zuletzt gearbeitet?“, fragte ich an Max Carter gerichtet und nippte dabei an meine Kaffeebecher.
„Der letzte Fall, mit den wir ihn in Verbindung bringen konnten, ereignete sich in Buffalo, New York State“, stellte Max fest. „Ich habe euch die Unterlagen auf den Rechner geschickt.“
„Danke.“
„Ein gewisser Miles Sorenson wurde vor sechs Monaten in einem Motel ermordet.“
„Müsste man diesen Sorenson kennen?“, fragte ich.
„Nat sagt, dass er bei einem halben Dutzend Unternehmungen Mondales Geschäftspartner und Teilhaber war. Wir vermuten, dass er im Auftrag von Mondales Müll-Mafia Industrie-Brachen von Strohmännern aufkaufen ließ, um dort Kunststoffabfälle illegal zu lagern.“
Eine alte Masche dieses im wahrsten Sinn des Worts schmutzigen Gewerbes. Der Strohmann tauchte dann irgendwann unter und oft fiel der illegal deponierte Müll erst auf, wenn es zu Vergiftungen des Grundwassers kam, sich Anwohner über Geruchsbelästigungen beschwerte oder sogar ein Feuer ausbrach. Spontane Selbstentzündungen waren bei unsachgemäß gelagerten Kunststoffabfällen durchaus wahrscheinlich. Das dabei entstehende Dioxin war hoch-toxisch und gehörte zu den giftigsten Substanzen überhaupt. Wenn es dann zur Katastrophe kam, waren die Strohmänner natürlich längst untergetaucht und die Ermittlungen verliefen leider oft genug im Sande, weil sich einfach nicht genügend konkrete Spuren finden ließen.
Milo und ich nahmen uns die Daten über den Mord in Buffalo vor. Es war so gut wie sicher, dass Mantaglia der Mörder war, denn er hatte reichlich DNA am Tatort hinterlassen. Es hatte einen Kampf mit Miles Sorenson gegeben und der hatte Mantaglia durch einen Schuss ins Bein verletzt. Mantaglia war entkommen und hatte sich offenbar in irgendeiner verschwiegenen Privatambulanz behandeln lassen. Die Behörden hatten nie herausfinden können wo.
Das ganze geschah, kurz bevor Sorenson hatte aussteigen und sich einem V-Mann der Organized Crime Squad des Buffalo Police Department hatte anvertrauen wollen.
Das Motiv für Brian Mondale, Sorenson aus dem Weg räumen zu lassen, lag also auf der Hand.
„Können wir Mondale mit Mantaglias Tat in Verbindung bringen?“, fragte ich an Max gewandt.
„Das wird schwierig, wenn wir keine zusätzlichen Beweise oder Zeugenaussagen haben“, glaubte der Innendienstler aus der Fahndungsabteilung.
8
Gegen Abend entschloss sich Patrick Cruz, der Steuermann der JAMAICA BAY, dazu, mit dem Staatsanwalt zu reden. Er belastete Mondale stark, woraufhin auch Captain Randolph Jordan seine starre Haltung aufgab, den von Mondale bezahlten Anwalt in die Wüste schickte und unseren Kollegen gegenüber umfassend aussagte.
Dabei belastete auch er Mondale stark.
Alles sah danach aus, dass der Fall juristisch erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Entsprechend zufrieden fuhren Milo und ich am Abend mit dem Sportwagen nach Hause. Bevor ich Milo an der bekannten Ecke absetzte, aßen wir noch einen Hotdog in einer Snack Bar.
„Dieser Mondale ist schon ziemlich weit oben in der Müll-Mafia anzusiedeln“, meinte Milo. „So schnell wird sich die von diesem Schlag nicht erholen!“
„Jedenfalls gehört dieser Mondale einer Gewichtsklasse von Gangstern an, an die wir normalerweise selten herankommen“, meinte ich.
„Die Weiße-Kragen-Abteilung der Bosse.“
„So ist es.“
„Um so besser, dass seine Chancen ausgesprochen schlecht stehen, ungeschoren davonzukommen. Und wer weiß, vielleicht zieht er bei seinem Fall ein paar Leute mit in den Abgrund, die noch über ihm stehen.“
Ich nickte. „Es ist immer nur ein Etappensieg, den man im Kampf gegen das organisierte Verbrechen erringen kann“, sagte ich und Milo stimmte mir zu.
Am nächsten Morgen regnete es in Strömen, als ich Milo an der bekannten Ecke abholte und wir zum Bundesgebäude an der Federal Plaza kamen. Auf dem Flur lief uns Max Carter über den Weg. „Der JAMAICA BAY-Fall hat sich vollkommen gedreht“, meinte er im Vorübergehen. „Der Chef hat in fünf Minuten zur Besprechung geladen. Ihr sollt auch dabei sein!“
„Vollkommen gedreht?“, echote ich, aber Max hatte es furchtbar eilig und offenbar vor der Besprechung noch dringend etwas zu erledigen.
Als wir im Besprechungszimmer von Mr Jonathan D. McKee eintrafen, waren unsere Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina schon anwesend.
Mr McKee stand hinter seinem Schreibtisch. Der Chef des FBI Field Office New York telefonierte gerade und sagte zweimal kurz hintereinander etwas angestrengt: „Ja, in Ordnung.“
Wir nahmen Platz. Unsere Erkennungsdienstler