Stolz ohne Vorurteil. Jana Zöller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jana Zöller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783736504141
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dass Jesus auch im Islam eine wichtige Rolle spielt. Jesus von Nazaret wird im Koran »Isa ibn Maryam«, also der »Sohn der Maria« genannt. Hier wird er als einer der fünf Gesandten Allahs verstanden und ihm werden genau wie in der Bibel besondere Fähigkeiten wie das Heilen von Menschen zugesprochen. Allerdings halten Muslime Jesus nicht für den Sohn Gottes und sie glauben auch nicht daran, dass er gekreuzigt wurde. Für sie ist es ebenso befremdlich, dass »ihr« Prophet im Christentum am Kreuz endet oder dass Christen »seinen Leib essen« wie für Christen, dass Muslime auf Schweinefleisch verzichten und Frauen ein Kopftuch tragen.

      Türkischstämmige Menschen werden sehr schnell mit dem Islam in Verbindung gebracht, dabei ist längst nicht jeder türkischstämmige in Deutschland gläubig. Eine groß angelegte Studie der Uni Münster hat ergeben, dass nur 28 Prozent der Türkischstämmigen regelmäßig eine Moschee besuchen und nur 45 Prozent regelmäßig beten.

      Und selbst unter den Gläubigen ist der Glaube ja bei Weitem nicht alles, was einen türkischstämmigen Menschen ausmacht. Viele von ihnen fühlen sich zwar zwischen der türkischen und deutschen Kultur zerrissen, aber sie wollen auch nicht (zurück) in die Türkei gehen. Und das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass wir hier so einen tollen Sozialstaat haben und angeblich jeder die Hand aufhalten darf, sondern auch damit, dass viele Türkischstämmige Deutschland wegen seiner Kultur und Struktur schätzen. Ob es das Schulsystem und die Bildungschancen sind, die Meinungsfreiheit, die Zuverlässigkeit oder Ordnung. Im Kleingartenverein bei uns um die Ecke hat eine türkische Pächterfamilie einen »englischeren« Rasen als jeder Deutsche. Für das, was ihnen an der deutschen Kultur gefällt, kämpfen Türkischstämmige genauso wie Menschen ohne Migrationshintergrund. Kulturen wachsen doch zusammen, und nur weil die türkische Kultur in Deutschland mit einfließt, ist die deutsche, die über Generationen auch an Menschen mit ursprünglich anderer Herkunft weitergegeben wurde, nicht einfach verschwunden. Wem Deutschland nicht Türkisch genug ist, der geht in der Regel in die Türkei zurück: Im Jahr 2006 wanderten erstmals nach dem Anwerbe­abkommen mehr Menschen von Deutschland in die Türkei aus als umgekehrt.

      Wir sollten uns auch gar nicht wünschen, dass keine Muslime mehr zuwandern. Die »Deutschen« bekommen zu wenige Kinder, und dadurch wird die Gesellschaft immer älter. Nach einer Studie des Institutes Pew Research Center in Washington wird die europäische Population ohne muslimischen Hintergrund im Jahr 2050 von 521 auf 482 Millionen sinken. Das bedeutet: Wenn nicht entweder mehr Menschen zuwandern oder die Deutschen in Zukunft deutlich mehr Kinder bekommen, können wir unser Sozial- und Rentensystem nicht aufrechterhalten. Die Rentenzahlungen sind Gelder, die von allen arbeitenden Steuerpflichtigen eingezahlt werden – also in Deutschland auch von den zahlreichen steuerpflichtigen Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn das Verhältnis von Rentnern zur arbeitenden Bevölkerung nicht stimmt, kann auch niemand die Rente bezahlen. Also sind wir darauf angewiesen, dass die deutsche Bevölkerungsentwicklung mindestens stagniert, sonst wird es im Alter eng. Da es unwahrscheinlich ist, dass »deutsche« Frauen auf einmal deutlich mehr als ihre durchschnittlichen anderthalb Kinder bekommen, sollten wir einen Weg finden, alle in Deutschland Lebenden als wichtigen Teil des Systems zu sehen. Es gibt Türkischstämmige, die sich (zu) wenig Mühe geben, sich in bestimmten Punkten an das Land, in dem sie leben, anzupassen. Genauso gibt es Deutsche, die türkischstämmigen Menschen keine Chance geben, sich als gleichwertiger Teil der Gesellschaft zu empfinden. Ohne Dialog geht das nicht. Denn wenn ich das mal überspitze: Ist es so viel besser, wenn eine rechtsradikale Partei die Regierung übernimmt, als wenn Deutschland islamisiert wird? Ich für meinen Teil möchte beides nicht und hoffe darauf, dass mehr für das gegenseitige Verständnis getan wird. Reden hilft – ist so!

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