Die Folge ist, dass ein Rückzug in die Natur, vor allem allein, unsere Wahrnehmungsgewohnheiten unterbricht und uns für Alternativen öffnen kann. Die Welt, wie wir sie normalerweise erleben, ist ein psychologisches und soziales Konstrukt, strukturiert durch die Art und Weise, wie wir mittels Sprache Objekte erfassen. Namen sind nicht nur Etiketten; sie bestimmen die Dinge entsprechend ihrer Funktion, sodass wir unsere Umgebung normalerweise als eine Ansammlung von Gebrauchsgegenständen wahrnehmen, die wir zum Erreichen unserer Ziele (zum Beispiel der Befriedigung von Bedürfnissen) verwenden. Dabei übersehen wir jedoch ständig etwas Wichtiges, wie William Blake bereits wusste:
Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene dem Menschen alles, wie es ist: unendlich. Denn der Mensch hat sich verschlossen, sodass er alle Dinge durch enge Spalten seiner Höhle sieht.
Das Festhalten an Konzepten, Funktionen und Begierden ist die Art und Weise, wie wir uns verschließen. Gerade in Städten ist fast alles, was wir wahrnehmen, ein Gebrauchsgegenstand – einschließlich der meisten Menschen, die wir entsprechend ihrer Funktion zweckorientiert behandeln: den Busfahrer, die Verkäuferin und so weiter. Mit anderen Worten: Wir beziehen uns auf fast alles und jeden als Mittel, um etwas zu erhalten oder zu erreichen. Umgeben von so vielen anderen Menschen, die das Gleiche tun, ist es schwierig, diese Art der Beziehung zur Welt loszulassen und die Welt auf eine frische Weise zu erleben.
Das hat sowohl kollektive als auch institutionelle Auswirkungen. Technologien erweitern unsere menschlichen Fähigkeiten, einschließlich unserer Fähigkeit, die natürliche Welt zu instrumentalisieren. Wie der Philosoph Michael Zimmerman schreibt: »Derselbe Dualismus, der die Dinge zu Objekten des Bewusstseins reduziert, ist auch in der Art von Humanismus am Werk, der die Natur zum Rohstoff für die Menschheit reduziert.« Das wirft zunehmend wichtige Fragen über den Begriff des Eigentums auf, ein soziales Konstrukt, das im Lichte unserer gegenwärtigen Situation überdacht und umgearbeitet werden sollte. Wenn eine instrumentalistische Sichtweise der natürlichen Welt im Zentrum unserer ökologischen Zwickmühle steht, dann besteht die heute vielleicht am meisten benötigte »Befreiungsbewegung« darin zu würdigen, dass der Planet und sein großartiges Gewebe des Lebens viel mehr als nur eine Ressource zum Nutzen einer Gattung ist.
Viele buddhistische Lehren haben offensichtliche ökologische Anwendungsfelder. Ein konsumorientiertes Leben ist mit dem buddhistischen Weg unvereinbar. Die fünf buddhistischen Grundregeln oder Richtlinien beginnen mit dem Versprechen, Leben nicht zu töten oder zu schädigen – und das bezieht sich nicht nur auf Menschen, sondern auf alle fühlenden Wesen. Das grundlegende Prinzip der Ökologie – die gegenseitige Abhängigkeit von lebendigen Wesen und Systemen – ist eine Teilmenge des grundlegenden Prinzips der buddhistischen Philosophie, dass nichts »selbstexistent« ist und aus sich selbst heraus existiert, weil alles von etwas anderem abhängt. Kapitel 4, »Ist es das gleiche Problem?«, konzentriert sich auf weniger Offensichtliches: die tiefgreifenden Parallelen zwischen unserer immerwährenden persönlichen Zwickmühle, wie die traditionellen buddhistischen Lehren sie sehen, und unserem heutigen ökologischen Dilemma. Ich habe bereits angemerkt, dass die ökologische Krise eine ebenso spirituelle wie technologische und wirtschaftliche Herausforderung ist; die Gemeinsamkeiten unserer individuellen und kollektiven Notlage zu offenbaren hilft, diese Behauptung zu konkretisieren.
Unser gewohntes Selbstempfinden, unser Selbstsinn, ist ein Konstrukt, hat also keine reale Entsprechung. Das macht unser Selbst von Natur aus ängstlich und unsicher: weil es nichts gibt, was gesichert werden könnte. Das Selbst erfährt diese Bodenlosigkeit meist als Mangel: das Gefühl, dass etwas mit mir nicht stimmt. Es ist ein grundlegendes Unbehagen, das oft in gewissem Sinne als »Ich bin nicht gut genug« erlebt wird. Bedauerlicherweise verstehen wir dieses Unwohlsein oft falsch. Wir versuchen, uns abzusichern, indem wir uns mit Dingen »außerhalb« von uns identifizieren, die (so glauben wir) den festen Boden bieten können, nach dem wir uns sehnen: Geld, Besitztümer, Ansehen, Macht, körperliche Attraktivität und so weiter. Da nichts davon den Selbstsinn tatsächlich verankern oder absichern kann, egal wie viel Geld (und so weiter) wir anhäufen, scheint es niemals genug zu sein.
Die buddhistische Lösung für dieses Dilemma ist nicht, das Selbst loszuwerden, denn es gibt da nichts loszuwerden. Wie oben erwähnt, muss das Empfinden eines Selbst dekonstruiert (in der Meditation: »vergessen«) und neu rekonstruiert werden (wobei Großzügigkeit, liebende Güte und die Weisheit, die unsere gegenseitige Abhängigkeit erkennt, die »drei Gifte« Gier, Böswilligkeit und Verblendung ersetzen). Auf diese Weise können wir die Illusion des Getrenntseins durchschauen. Wenn ich selbst nicht irgendetwas im Inneren bin (hinter den Augen oder zwischen den Ohren), dann ist das Äußere nicht außen.
Seltsamerweise entspricht diese buddhistische Sicht auf unser individuelles Dilemma genau unserer aktuellen ökologischen Situation. Wir haben nicht nur als Individuen eine Wahrnehmung von Selbst, sondern wir haben auch kollektive »Selbste«, und die Formel »getrenntes Selbst = dukkha oder Leiden« gilt auch für unsere umfassendste kollektive Selbstwahrnehmung: die Dualität zwischen uns als Spezies, dem Homo sapiens sapiens, und dem Rest der Biosphäre. Wie der persönliche Selbstsinn ist auch die menschliche Zivilisation ein Konstrukt, das ein kollektives Gefühl der Entfremdung von der natürlichen Welt mit sich bringt. Und das wiederum erzeugt Angst und Verwirrung in Bezug darauf, was es heißt, Mensch zu sein. Unsere vorherrschende Antwort auf diese Angst – der kollektive Versuch, uns mit wirtschaftlichem Wachstum und technologischer Entwicklung (»Fortschritt«) abzusichern – macht die Dinge sogar noch schlimmer, weil sie unsere Trennung von der Erde verstärkt. Ebenso wie es kein Selbst gibt, das wir loswerden könnten, können wir nicht »zur Natur zurückkehren«, weil wir nie von ihr getrennt waren. Aber wir können unser Nichtgetrenntsein von ihr erkennen und anfangen in einer Weise zu leben, die mit dieser Einsicht übereinstimmt.
Doch welche kollektive Transformation könnte dem vom Buddhismus stets geförderten persönlichen Erwachen entsprechen? »Der Buddha erlangte das individuelle Erwachen. Jetzt brauchen wir eine kollektive Erleuchtung, um die Zerstörung zu stoppen.« (Thich Nhat Hanh) Ist die Idee einer solchen sozialen Transformation angesichts der wirtschaftlichen und politischen Realitäten nicht nur eine Fantasie – oder geschieht sie bereits vor unseren Augen?
In seinem Buch Wir sind der Wandel: Warum die Rettung der Erde bereits voll im Gang ist – und kaum einer es bemerkt dokumentiert Paul Hawken, was vielleicht ein solches kollektives Erwachen sein könnte. Diese »Bewegung der Bewegungen« ist ein weltweites Netzwerk von sozial engagierten Organisationen, das als Reaktion auf die globalen Krisen, die uns heute bedrohen, entstanden ist. Es ist sowohl die größte – mindestens zwei Millionen Organisationen, vielleicht sogar viele mehr – als auch die am schnellsten wachsende Bewegung, die es jemals gegeben hat. Laut Hawken »ist es das erste Mal in der Geschichte, dass eine Bewegung von solchem Ausmaß und solcher Breite aus jedem Land, jeder Stadt und jeder Kultur der Welt entstanden ist, ohne Führer, ohne Regelwerk und ohne zentralen Hauptsitz. … Sie ist riesig, und ihre Themen, im weiten Sinne benannt als soziale Gerechtigkeit und Umwelt, werden keineswegs als getrennt gesehen.«
Hawken sieht diese Bewegung als »Immunantwort« der Menschheit, wie spontan entstanden, um uns und den Planeten vor den Kräften zu schützen, die unsere Welt berauben. Die Organisationen, aus denen sie besteht, sind »soziale Antikörper, die sich an die Pathologien der Macht anheften«. Als Zen-Praktizierender sieht Hawken den Buddhismus als einen wachsenden Teil dieser Bewegung: »Der institutionelle Buddhismus wird sich viel stärker in sozialen Fragen engagieren, denn ich sehe keine Zukunft, in der sich die Bedingungen nicht für uns alle verschlechtern. … Dukkha, Leiden, war schon immer der Schmelztiegel der Transformation für all jene, die praktizieren.« Im Buddhismus geht es nicht darum, Leiden zu vermeiden, sondern durch Leiden transformiert zu werden – was heißt, dass es in unserer