Viele buddhistische Lehren könnten als Antwort auf die ökologischen Herausforderungen angeführt werden, aber dieses erste Kapitel konzentriert sich zunächst auf ein Thema, das auch in den späteren immer wieder auftauchen wird: das Problem von Mittel und Zweck. Die seltsame Ironie besteht darin, dass wir so besessen davon sind, unseren eigentlichen Schatz – eine gedeihende Biosphäre mit gesunden Wäldern und Böden, Seen und Ozeanen voller Wasserlebewesen, einer unverschmutzten Atmosphäre – auszubeuten und zu missbrauchen, nur um etwas zu maximieren, das an sich keinerlei Wert hat, nämlich digitale Ziffern auf Bankkonten. Da alle Volkswirtschaften der Welt hundertprozentige Tochtergesellschaften der Biosphäre der Erde sind, zerstört unsere Beschäftigung mit dem ständigen Anstieg von Produktion und Verbrauch nun die Ökosysteme unseres Planeten.
Ein weiterer wichtiger Faktor sollte nicht übersehen werden: Wir missbrauchen die Erde in dieser Art und Weise, weil unsere vorherrschende Weltanschauung der Natur gegenüber diesen Missbrauch mit Vernunft begründet. Unser kollektives (Un-)Verständnis dessen, was die Welt ist und wer wir sind, fördert dieses Besessensein von wirtschaftlichem Wachstum und Konsum. Es ist kein Zufall, dass die ökologische Krise hier und jetzt entstanden ist. Die meisten in diesem Kapitel diskutierten Probleme stehen nämlich in Zusammenhang mit einer fragwürdigen mechanistischen Weltanschauung, welche die Ausbeutung der natürlichen Welt ohne Vorbehalte legitimiert, weil sie weder der Natur noch dem Menschen einen ihnen innewohnenden Wert zuschreibt – da sie auch uns Menschen lediglich als komplexe Maschinen betrachtet. Das impliziert, dass die ökologische Krise mehr als ein technologisches, ökonomisches oder politisches Problem ist. Sie ist auch eine kollektive spirituelle Krise und ein möglicher Wendepunkt in unserer Geschichte.
Das bringt uns zum Thema von Kapitel 2: »Ist die ökologische Krise auch eine buddhistische Krise?« Die derzeitigen ökologischen und sozialen Herausforderungen übersteigen das persönliche Leiden, mit dem sich der Buddhismus herkömmlicherweise befasst hat, bei weitem. Daher ist es nicht überraschend, dass sich buddhistische Praktizierende und Institutionen dieser Themen nur langsam annehmen. Positiv ist aber anzumerken, dass der Buddhismus eindeutig das Potenzial hat, sich in diesem Bereich zu engagieren. Von Anfang an haben seine grundlegenden Lehren die Vergänglichkeit und Substanzlosigkeit aller Daseinsformen – einschließlich seiner selbst – betont. Der Buddhismus besteht allerdings nicht nur aus dem, was der Buddha lehrte, sondern auch daraus, was mit seinen Lehren begonnen und sich in der Folge weit über seine Geburtsstätte hinaus verbreitet hat und wie er mit anderen Kulturen interagiert hat. In China entwickelte sich beispielsweise der Chan-/Zen-Buddhismus 33 durch die gegenseitige Befruchtung von Mahayana-Buddhismus und dem einheimischen Daoismus. Heute aber stehen die buddhistischen Traditionen aus Asien vor der größten Herausforderung aller Zeiten, da sie in eine globalisierte, säkulare, hypertechnologisierte, postmoderne Welt hineinwirken, die sich möglicherweise gerade selbst zerstört.
Kritisch anzumerken ist, dass einige der traditionellen buddhistischen Lehren uns entmutigen, uns sozial und ökologisch zu engagieren. Wenn das spirituelle Ziel eine persönliche Befreiung ist, die darin besteht, nicht in dieser Welt von Leiden, Begehren und Verblendung wiedergeboren zu werden, warum sollten wir dann so besorgt sein über das, was hier geschieht? Im Gegensatz zu einer solchen jenseitigen Ausrichtung bezweifeln viele zeitgenössische Buddhist*innen jedoch die Existenz einer transzendenten Realität und misstrauen Karma in der Form eines moralischen Gesetzes von Ursache und Wirkung als Teil der Funktionsweise des Universums. Sie haben eine eher psychologische Auffassung des buddhistischen Weges, sehen ihn als eine Art Therapie, die neue Perspektiven auf psychischen Stress und neue Praktiken zur Förderung des Wohlbefindens in dieser Welt zu bieten hat. Obwohl der jenseitige Buddhismus (der darauf abzielt, dieser Welt zu entfliehen) und der diesseitige Buddhismus (der uns hilft, uns besser an sie anzupassen) wie gegensätzliche Pole erscheinen, teilen beide für gewöhnlich eine grundlegende Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen dieser Welt. Keiner von beiden ist sonderlich darum bemüht, dazu beizutragen, dass sie ein besserer Ort wird.
Es gibt auch ein alternatives Verständnis der wesentlichen Lehren des Buddhismus. Anstatt zu versuchen, diese Welt zu transzendieren oder uns besser an sie anzupassen, können wir erwachen und die Welt, einschließlich uns selbst, auf eine andere Art und Weise erfahren. Das beinhaltet die Dekonstruktion und Rekonstruktion unseres Selbstempfindens, unseres Selbstsinns oder (genauer gesagt) der Beziehung zwischen uns selbst und unserer Welt. Meditation dekonstruiert das Selbst, weil wir die gewohnten Gedanken-, Gefühls- und Handlungsmuster, aus denen es sich zusammensetzt, »loslassen«. Gleichzeitig wird unser Selbstsinn im täglichen Leben neu konstruiert, indem sich die wichtigsten Gewohnheitsmuster verwandeln: unsere Absichten, die nicht nur unsere Beziehung zu anderen Menschen beeinflussen, sondern auch die Art und Weise, wie wir sie und die Welt im Allgemeinen wahrnehmen. Kapitel 2 erforscht diese alternative Perspektive, indem es einen rätselhaften Ausspruch von Chögyam Trungpa untersucht: »Erleuchtung ist, wie aus einem Flugzeug zu fallen. Die schlechte Nachricht ist, dass es keinen Fallschirm gibt. Die gute Nachricht ist, dass es keinen Boden gibt.«
Wenn wir anfangen, aufzuwachen und zu erkennen, dass wir weder voneinander noch von dieser wundersamen Erde getrennt sind, begreifen wir, dass unser Zusammenleben und unsere Beziehung zur Erde ebenfalls rekonstruiert werden müssen. Das bedeutet nicht nur soziales Engagement als Einzelpersonen, die anderen Einzelpersonen helfen, sondern auch Wege zu finden, die problematischen wirtschaftlichen und politischen Strukturen zu thematisieren, welche die ökologische Krise und die Fragen der sozialen Gerechtigkeit hervorgebracht haben, mit denen wir heute konfrontiert sind. Letztlich sind die Wege der persönlichen und der sozialen Transformation nicht wirklich voneinander getrennt. Engagement in der Welt ist die Art und Weise, wie unser individuelles Erwachen erblüht und wie kontemplative Praktiken, zum Beispiel Meditation, unseren Aktivismus begründen und in einen spirituellen Weg verwandeln.
Die buddhistische Antwort auf unser ökologisches Dilemma ist ÖkoDharma, ein neuer Begriff für eine Weiterentwicklung der buddhistischen Tradition. Er verbindet ökologische Anliegen (Öko) mit den Lehren des Buddhismus und verwandter spiritueller Traditionen (Dharma). Was das tatsächlich bedeutet und welchen Unterschied das in unserem Leben und unserer Praxis macht, entfaltet sich zurzeit noch. Dieses Buch betont drei für mich herausragende Komponenten oder Aspekte: das Praktizieren in der Natur, das Erkunden der ökologischen Auswirkungen der buddhistischen Lehren und das Verkörpern dieses Verständnisses im heute notwendigen Ökoaktivismus.
Die Bedeutung von Meditation in der Natur wird oft unterschätzt, weil ihre Auswirkungen übersehen werden. Kapitel 3, »Was übersehen wir?«, widmet sich also der Frage, warum die spirituellen Transformationsprozesse von religiösen Gründerfiguren so häufig abseits der menschlichen Gesellschaft und in der Wildnis geschehen. Jesus ging nach seiner Taufe allein in die Wüste und fastete vierzig Tage und Nächte. Mohammeds Offenbarungen und der Besuch des Erzengels Gabriel geschahen zurückgezogen in einer Höhle. Das vielleicht beste Beispiel ist jedoch Gautama Buddha selbst. Nachdem er sein Zuhause verlassen hatte, lebte er im Wald, meditierte in der Natur und erwachte unter einem Baum neben einem Fluss. Als Mara seine Erleuchtung in Frage stellte, sagte der Buddha nichts, sondern berührte einfach die Erde als Zeugin seiner Verwirklichung. Danach lebte und lehrte er meist in der Natur – und er starb auch im Freien, unter Bäumen.
Heute hingegen meditieren die meisten