Was nun die angeforderten Räume selbst anbelangt, so sind sie auf die persönliche Anregung des Herrn Ministers für Bauten etc. Dr. Kraft (?) besichtigt und als nunmehr einzig übriggebliebene Wohnung gewählt worden. Sie entspricht im wesentlichen genau der korrespondierenden Wohnung im Südwesttrakt von Schönbrunn, die dem Fabrikanten M? … zugewiesen wurde, und bedarf ganz gewiß des Denkmalschutzes in keinem höheren Maße als diese, die nicht nur geräumiger, sondern auch um vieles reicher und schöner ist. Augenblicklich dient die in Frage stehende Wohnung, die sich in demselben Trakte wie die Räume der Kinderfreunde befindet, der Aufbewahrung von Betten, Matratzen und anderem Gerät des täglichen Haushalts.
Da Prof. R. beruflich gezwungen ist, einen Teil des Jahres im Ausland zu verbringen, in den Sommermonaten mit seiner Familie auf seiner Besitzung in Leopoldskron lebt, ist überdies die Gefahr einer Abnutzung durch Verwohnen auf ein kaum nennbares Minimum beschränkt. Dazu kommt, daß Prof. R. aus Leopoldskron, das er in furchtbarer Verwahrlosung und Baufälligkeit übernommen hat, eine Sehenswürdigkeit für Kenner gemacht hat und das Schloß, wie der Landeskonservator von Salzburg, Dr. Hütter, der Direktor des Kunstgewerbemuseums, Hofrat Prof. Roller, und der Geheimrat(?) Dr. Erhardt ohne weiteres bezeugen werden, mit strengster wissenschaftlicher Wahrung der historischen Denkmalwerte erhält und konserviert, also nach der ausdrücklich geäußerten Meinung dieser und anderer Fachleute als der beste Custode jeder Wohnung angesprochen werden darf. Die auf beiliegendem Plan besonders bezeichneten Parterreräume in Schönbrunn stellen einen zusammenhängenden, in sich geschlossenen Complex dar, der mit Leichtigkeit gegen die nach dem Park gehenden Vorderzimmer entsprechend abzumauern ist. Die Wohnung hat einen eigenen Zugang vom Hofe aus, schließt eine bereits vorhandene Küche in sich ein, sie genügt gerade mit ihren fünf heizbaren Wohnräumen, den entsprechenden Nebenräumen und Korridoren den Ansprüchen einer fünfköpfigen Familie mit Dienerschaft und entspricht auch gewissen repräsentativen Anforderungen, die der Person des Mieters auferlegt sind. Durch die vom Minister für Bauten etc. selbst angeregte Zuteilung dieser heute als provisorisches Magazin benützten Wohnung würde es Prof. R. nach langem Harren endlich ermöglicht sein, die geplanten künstlerischen und privaten Dispositionen zur Ausführung zu bringen, und die p.p. Behörden ihrerseits würden damit nicht nur eine durch Zusicherungen eingegangene Verpflichtung erfüllen, sie hätten auch die Gewissheit, durch eine individuelle Behandlung des vorliegenden Falles, keinem Unwürdigen entgegenzukommen und die ihm anvertrauten Räume in die denkbar beste Hut und Pflege zu geben.
1934 suchte Reinhardt ein Standquartier in Wien, nicht nur, weil er des Wohnens in Hotels überdrüssig war, sondern auch, weil damals schon die Geldschwierigkeiten begannen, die sich bis zum Jahr 1937 immer mehr steigern sollten.
Eine Zeitlang dachte Reinhardt an einen kleinen Hof in Grinzing. Zahllose andere Häuser wurden besichtigt, die ihm zum Teil angeboten wurden: das Gomperzhaus, die Villa Bunzel, die Karpeles-Villa auf der Hohen Warte, aber auch das Pötzleinsdorfer Schloss, Schloss Hetzendorf, das Palais Rainer, das DeTornahaus in der Argentinierstraße, das Hertzhaus im Kaasgraben und viele andere Wohnungen. Im Heiligenkreuzerhof in Wien hatte das Ehepaar Coudenhove-Roland eine entzückende Wohnung. Sie waren nicht vollkommen entschlossen, sie aufzugeben, aber ich durfte sie anschauen, als sie erfuhren, dass Reinhardt dafür Interesse hätte. Es wurde aber nichts aus all diesen Plänen, und Reinhardt wohnte bis zuletzt in Hotels, auch am Cobenzl, abgesehen von einer kurzen Zeit, die er im Hause von Hugo Thimig verbrachte.
Selbst kurz vor seinem Tode in Amerika, als seine pekuniären Verhältnisse auf dem größten Tiefstand seines Lebens waren, sah er sich noch bei New York Häuser an, beschrieb sie in langen Telegrammen und Briefen und verschloss sich dem Gedanken, dass es hoffnungslose Träume seien.
Inszenierung Leopoldskron
Der Abschied von Salzburg fiel Max Reinhardt immer schwer. Er beneidete jeden, der nach dem Sommer noch dort bleiben konnte. Das Ausgestalten von Leopoldskron war eine Inszenierung, die nicht wie bei einem Stück in einem Regiebuch zusammengefasst werden konnte. Zwei Jahrzehnte lang hat er an dieser Inszenierung gearbeitet. Sie wuchs wie eine Pflanze und trieb bis zuletzt immer neue Blüten. So glichen die Weisungen, die er vor jeder Abreise zurückließ, die Briefe, die er dann noch schrieb, Regiebemerkungen. Sie waren bis ins letzte durchdacht. Meist in der Nacht vor der Abreise geschrieben. Diese Nacht zog sich fast immer bis in die frühen Morgenstunden. Es war die letzte Möglichkeit, längst Geplantes noch festzuhalten, in konzentrierter Form Dinge zu besprechen, die, bis dahin hinausgeschoben, der Erledigung harrten.
Reinhardt saß dann – inmitten von Reisetaschen und Koffern – in seinem damaligen Arbeitszimmer, bei seinem großen Schreibtisch, auf dem sich Bücher, Manuskripte und Mappen türmten. Ihm gegenüber der wundervolle alte Sakristeischrank, der aus Firmians Zeiten stammte. In der Zimmerecke einer der kostbaren farbigen barocken Kachelöfen, die zum besonderen Schmuck der großen Zimmer von Leopoldskron gehörten. Launische Prunkstücke, von Wind und Wetter abhängig: föhnige Luft oder Sturm drückte den Rauch durch die weiten Kamine zurück, und dieser bläuliche Dunst, der Geruch der ungeheuren Holzscheite (die Öfen mussten von außen geheizt werden) ist mit diesen frühen Zeiten, in denen das Schloss noch keine Zentralheizung hatte, untrennbar verwoben. Reinhardts Weisungen für die kommenden Monate hatten eine große Spannweite. Sie umfassten das Schloss, die Handwerker, die darin arbeiteten, den Garten, vor allem aber auch die uralten Orangen- und Zitronenbäume, die aus der Orangerie des Schlosses Schönbrunn stammten.
Schönbrunn unterstand nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie von 1918 mit seinen Gärten dem Ministerium. Reinhardt hatte durch einen Zufall erfahren, dass diese Bäume (manche waren über hundert Jahre alt) verkauft werden müssten, da es dem Staat in der Nachkriegszeit unmöglich sei, das Heizmaterial aufzutreiben, um sie in strengen Wintern vor Kälte zu schützen. Es war eine einmalige Gelegenheit, solche wertvollen, gepflegten Bäume zu erwerben, und Reinhardt nahm sie unverzüglich wahr. Die Entscheidung musste sehr schnell erfolgen, da Präsident Masaryk ebenfalls Orangenbäume kaufen wollte. Ich fuhr damals auch nach Schloss Laxenburg, um zu ergründen, ob vielleicht dort Bäume zu günstigeren Bedingungen abgegeben werden könnten. Aber es blieb bei Schönbrunn. Ich kaufte 21 Orangenbäume, die 70 Jahre alt waren, und sechs zweieinhalb Meter hohe Bäume um 15.200 Kronen. Außerdem einige vier bis fünf Meter hohe Bäume mit einem Durchmesser von zwei Metern. In späteren Jahren wäre es schwer gewesen, sich die Terrasse zum See hin ohne diese duftenden Bäume in ihren großen Holzkübeln vorzustellen.
Der Transport von Wien nach Salzburg war nicht einfach. 1898 hatte der letzte ähnliche Transport von Orangenbäumen nach Ischl und Gmunden (anlässlich der Verlobung einer Erzherzogin) stattgefunden. Ein Angestellter, der ihn geleitet hatte, konnte die besten Ratschläge für das schwierige Unternehmen geben. Ein Schönbrunner Gärtner fuhr auf dem Loriwagen mit und instruierte dann den Gärtner in Leopoldskron in allem, was die Pflege dieser Bäume anlangte. Die Sorge um die Orangen- und Zitronenbäume kehrte in allen Reinhardtschen Briefen im Laufe der Jahre immer wieder:
Die Orangenbäume sind (nach Anordnung des Gärtners) noch einmal (bei gutem warmen Wetter) auf die Terrasse zu stellen, später in dem besprochenen Eckzimmer, nach Weisung des Gärtners aufzustellen und die Blätter sorgfältig und sachgemäß zu putzen. Das Zimmer soll später schwach geheizt und dauernd etwas temperiert gehalten werden.
Das Überwintern in den Parterreräumen des Schlosses, das Putzen der Blätter, das Regulieren der Temperatur – mitten