vorbereitet, die Ausgestaltung des von Reinhardt ein Jahr zuvor erworbenen Schlosses als Reinhardts zentraler Wohnstätte und zugleich als Anziehungspunkt für seine aus vielen Ländern anreisenden Gäste nahm ihren Anfang. Reinhardt war es darum zu tun, das fürsterzbischöfliche Schloss in seiner historischen Substanz zu erhalten und zu ergänzen und es zugleich mit neuem
Leben zu erfüllen. Gusti Adler wurde bald zu seiner rechten Hand bei diesem Unterfangen. In ihren Aufzeichnungen, Erinnerungen und Briefen berichtet sie darüber. In Kontakten mit Handwerkern aller Art, mit Steinmetzen, Stukkateuren, Malern, Tischlern und Gärtnern wachte sie darüber, dass Reinhardts Visionen Wirklichkeit wurden. Wenn Reinhardt auf Gastspielreisen oder mit einer Inszenierung im Ausland weilte, übermittelte er Gusti Adler in manchmal zehn- oder gar zwanzigseitigen eng beschriebenen Briefen seine Wünsche. Ganz besonders ging es dabei darum, neue, von Reinhardt gewünschte Ein- und Umbauten als stilgerecht und original vorhanden erscheinen zu lassen. So erstand die Schlossbibliothek als eine Nachbildung der Klosterbibliothek von Sankt Gallen. Sie wurde zu einem der zentralen Orte des Schlosses, ohne dass der Besucher ahnen konnte, dass dieser Raum nicht schon seit dessen Erbauung vorhanden war. Oder dass eine nach Gusti Adlers Verhandlungen mit einem Wiener Kunsthändler erworbene und in der Eingangshalle des Schlosses in einer mit Stukkaturen verzierten Nische aufgestellte Madonnenfigur nicht »echt« war. Für das von Reinhardt selbst bis in jedes Detail entworfene »Venezianische Zimmer« besorgte Gusti Adler italienische commedia dell'arte-Bilder aus dem 18. Jahrhundert, die in die von Reinhardt skizzierten vergoldeten Umrahmungen eingelegt wurden. Einige der kleinen ornamentalen Darstellungen an der Zimmerdecke entstammen der Hand von Gusti Adlers Schwester Marianne. Ein von dem Venezianer Maler Pietro Longhi stammendes Frauenportrait fand Gusti Adler bei einem römischen Händler. Die berühmte amerikanische Stummfilmschauspielerin Lillian Gish, mit der Reinhardt an einem Filmprojekt arbeitete, schenkte es ihm zum Dank für seine Gastfreundschaft in Leopoldskron. Es wurde in eine Wand des Venezianischen Zimmers integriert. In Gusti Adlers Nachlass fand sich ein Skizzenbuch Reinhardts mit farbigen Zeichnungen für das Venezianische Zimmer. Desgleichen ein Blatt, auf dem er seine präzisen Vorstellungen für die Ausgestaltung seines Arbeitskabinetts neben der Bibliothek entwickelt. Gusti Adler sollte den Handwerkern die entsprechenden Anweisungen geben.
Mit den in Salzburg lebenden Schriftstellern Hermann Bahr und Stefan Zweig und mit dem Maler Anton Faistauer, der später das Große Salzburger Festspielhaus mit Fresken ausstattete, entwickelten sich enge Freundschaften. Die mit Bahr wurde auf eine harte Probe gestellt, als es Gusti Adler gelang, ihn dazu zu bewegen, Reinhardt eine im Garten des jenseits der Salzach gelegegenen Arensbergschlösschens, Bahrs Wohnsitz, aufgestellte Herkulesstatue Reinhardt für den Schlosspark von Leopoldskron zu überlassen. Die Figur fand ihren Platz in der Mitte eines kleinen Teichs neben dem Schloss, wo sie heute noch steht. Den Anweisungen Reinhardts zufolge hatte Gusti Adler dafür zu sorgen, dass das Moos, das die Skulptur im Lauf der Jahrhunderte angesetzt hatte, beim Transport nicht verletzt wurde. Hermann Bahr nahm den »Raub« schließlich nicht übel. In einem seiner an Gusti Adler gerichteten Briefe heißt es: »Metzl (ein Hilfsregisseur bei Reinhardt), mit dem ich neulich in Salzburg zusammen war, kann Ihnen bestätigen, wie traurig es mich macht, gar nichts mehr von Ihnen zu hören. Er behauptete übrigens, daß Sie persönlich gar nicht mehr vorhanden sind, sondern nur noch als Geist existieren, der Geist Max Reinhardts, über den Wassern schwebend.« (26. Mai 1924) In der Tat blieb Gusti Adler bei den vielen Aufgaben, mit denen sie Reinhardt betraute, selbst meistens im Hintergrund. Wichtig war jeweils das Resultat – ob es sich um die Aufstellung von Orangenbäumen aus dem Schloss Schönbrunn auf der Leopoldskroner Terrasse handelte oder um die Organisation von Tischordnungen für Einladungen im weißen Salon. Als sie sich im Sommer 1928 auf den Weg machte, Lillian Gish bei ihrer Ankunft im Hafen von Cuxhafen zu empfangen, bat Reinhardt sie noch in letzter Minute, bei dieser Gelegenheit bei Hagenbeck in Hamburg chinesische Nachtigallen für die bereits mit allerlei exotischen Vögeln bevölkerte Voliere im Park zu besorgen. (Daher der Titel ihres 1980 erschienenen Erinnerungsbuches an Max Reinhardt »…aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen«). Zu den am leidenschaftlichsten ausgeführten Tätigkeiten für Reinhardt gehörte der Erwerb von Büchern. Gusti Adler, aber auch ihr Vater, seinerseits ein bibliophiler Büchersammler und ihre Schwester gingen für Reinhardt in Antiquariate und auf Kunst- und Bücher-Auktionen, so dass die Regale der Leopoldskroner Bibliothek sich bald füllten. In einem Brief aus dem Jahre 1933 bedankt sich Reinhardt für die vielfältige Hilfe der Familie Adler: »Lieber, verehrter Herr Adler, Ihre freundlichen Worte und Wünsche zu meinem Geburtstag waren von einer deutlich spürbaren Gefühlswelle getragen, die mir nahe ging. So darf ich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin auf derselben Welle von Herzen danken für alle Freundschaft, die mir seit vielen Jahren von Ihrem Hause zuströmt und diesem Dank meine wärmsten Grüße und Wünsche für Ihr Wohlergehen beifügen.« Ihr Max Reinhardt. (18. September 1933).
Bald nach den Salzburger Festspielen von 1937 reiste Reinhardt in die Vereinigten Staaten, um dort Filmprojekte zu verwirklichen. Er sollte nicht mehr zurückkehren. Im Frühjahr fand der »Anschluss« Österreichs an Deutschland statt. Leopoldskron und Reinhardts Theater in Berlin und Wien wurden von den Nationalsozialisten enteignet. Gusti Adler, die von Wien aus versuchte, für Reinhardt noch zu retten, was zu retten war, was aber in den meisten Fällen nicht gelang, verblieb zunächst in Österreich. 1939 folgte sie Reinhardt und Helene Thimig ins amerikanische Exil. In Hollywood fand sie eine Anstellung bei der Dokumentationsabteilung des Filmstudios der Warner Brothers, die sie bis in ihr achzigstes Lebensjahr mit großem Engagement beibehielt. In den ersten Jahren war sie dort neben ihrem neuen Beruf noch für Reinhardts Hollywooder Theaterschule tätig, freiwillig, ohne Gehalt. Danach widmete sie sich der ersten Fassung ihres Reinhardt-Buches, das 1964 im Salzburger Festungsverlag erschien. Gemäß ihrer angeborenen Bescheidenheit kommt sie selbst in diesem Buch nicht vor. Es hat ihre Freunde, denen sie gerne bei Fragen nach ihrer Tätigkeit für Reinhardt Auskunft gab, einiger Überzeugungskraft bedurft, sie dazu zu bewegen, eine Erweiterung ihres Buches, in der sie ihre eigene Rolle nicht verschwieg, zu verfassen. Es erschien 1980 im Verlag Langen Müller in München. In dem vorliegenden Bändchen finden sich die Passagen, die Leopoldskron betreffen, zusammengefügt.
Gusti Adler starb bei voller geistiger Verfassung im Alter von fünundzneunzig Jahren am 21. Januar 1985 in Hollywood.
Leonhard M. Fiedler
Ankauf von Leopoldskron
Helene Thimig, Victoriastraße 11, Berlin 16. April 1918
Leopoldvertrag unterzeichnet Gott schenke uns für dieses köstliche Gehäuse die glücklichsten Inhalte Bin froh gut dankbar erkenne wie wundervoll notwendig der Feiertag für den Menschen gespenstische Hindernisse einschrumpfen den Glauben an Erfüllung des Naturnotwendigen wachsen läßt Ich liebe Dich
Dieses Telegramm barg den Keim für alles Künftige. Mit dem Federzug der Unterschrift des Kaufvertrages von Leopoldskron wurden zwanzig Jahre im Leben Reinhardts schicksalhaft bestimmt.
Max Reinhardt hatte seit Jahren nach einem Haus gesucht, das seiner Vorliebe für das Barock entgegenkam. Er konnte, bis an sein Lebensende, niemals widerstehen, wenigstens mit dem Gedanken zu spielen, irgendein altes Schloss, ein altes Bauernhaus, das zum Verkauf ausgeschrieben war, zu erwerben, selbst lange nachdem er schon in Leopoldskron fest verankert war.
Eine solche Möglichkeit war lockend wie eine neue Inszenierung. In Gedanken richtete er dann dieses Haus bis ins letzte ein. Wohin er auch kam: die Suche nach einem derartigen Wohnsitz begann sofort – Kauf oder Miete –, und es war oft schwer, ihn davon abzubringen, sich in ein kostspieliges Abenteuer dieser Art zu verstricken. Freunde und Mitarbeiter wurden auf die Suche geschickt, Pläne mussten beschafft, eigensinnige Besitzer solcher Häuser überredet werden, ihr Haus zum mindesten zu zeigen.
Bei Leopoldskron spielte die Liebe zu Salzburg, dem Salzburg seiner Jugend, noch eine besondere Rolle. Er war verliebt in die Stadt, verliebt in die Landschaft, verliebt in das Barock des Schlosses. Der Gedanke, den Berliner Sorgen entfliehen zu können, eine Ruhe zu genießen, die wie eine Fata Morgana ein Leben lang vor ihm herschwebte, ein Haus zu schaffen, dessen Vollkommenheit er träumte, und wenigstens einen Teil des Jahres so zu leben, wie es seinem innersten Wesen