Anhand von sechzehn Geschichten über Persönlichkeiten in der Berufsbildung wird anschaulich erzählt, welchen Stellenwert Berufsbildungsverantwortliche in der Entwicklung junger Nachwuchstalente haben und was sie motiviert. Darüber hinaus wird gezeigt, was sie neben dem eigentlichen Vermitteln des Fachunterrichts, der Berufskunde oder der Einsatzplanung im Betrieb zugunsten des Berufsnachwuchses tun und wie sie selbst den Weg in ihre Funktion gefunden haben. Es werden Menschen mit Fähigkeiten und Fertigkeiten porträtiert, die sie nicht nur im Unterricht erlernt haben, Menschen mit charakteristischen Wahrnehmungen, Werten, Haltungen und Leidenschaften . Durch die Linse dieser Profis der Berufsbildung werden beispielhaft Wirkungszusammenhänge sichtbar, die bisher wenig thematisiert wurden. Dabei wird deutlich, dass ihr Aktionsraum nicht einfach das Klassenzimmer oder der Betrieb ist. Sie erschliessen über die Berufslernenden auch Beziehungsstrukturen ausserhalb ihrer Arbeitsstätte, z. B. das Elternhaus, Peers, Betriebsvertreter. Sie leisten oft mehr als im Pflichtenheft ihres Arbeitsvertrages steht. Sie begleiten Jugendliche in der dualen Bildung auf dem Weg zum erwachsenen Menschen in vielfältigen Veränderungsprozessen. Dass dies nicht immer reibungslos und einfach verläuft und wie Profis selbst mit solchen Situationen umgehen, erfahren wir in diesem Buch.
Vieles, was Fachleute an Kompetenz zeigen oder von Jugendlichen einfordern, hängt von den sogenannten weichen Faktoren ab, beispielsweise von der Empathie, welche in ganz bestimmten kritischen Situationen den Lernenden, deren Eltern oder Betriebsvertretern entgegengebracht wird. Durch ihre Kompetenz, unangenehme Aspekte anzusprechen und Jugendlichen auf der ganzen Breite der Begabtenskala dabei zu helfen, kritische Situationen zu überwinden und eigenverantwortlich zu handeln, helfen sie, Schlüsselereignisse im Leben eines Jugendlichen nachhaltig zu beeinflussen. Oft sind es vermeintlich unscheinbare Momente im Leben eines Lernenden, die durch geeignete Massnahmen und mit einer gewissen Hartnäckigkeit seitens der Profis zum Positiven gewendet werden können. Die resultierenden Erfolgserlebnisse bilden sich selten in Notenausweisen ab. Nur wenige Beteiligte wissen, warum es zum Erfolg kam und wer ihn wem zu verdanken hat. Das Erfolgserlebnis wirkt hingegen auf alle. Solche Persönlichkeiten machen die Schweizer Berufsbildung stark, auch wenn sie meist unscheinbar wirken.
Dem Interview mit der aus der Türkei gebürtigen Mine Dal können wir entnehmen, dass andere Länder den Bildungsverantwortlichen und insbesondere den Lehrpersonen mehr Wertschätzung entgegenbringen, als wir es tun. Das hat in mir in Erinnerung gerufen, dass für uns vieles einfach zu selbstverständlich ist. Wenige wissen, wie anspruchsvoll die Arbeit von Berufsschullehrpersonen aufgrund der Heterogenität der Klassen heute ist und wie oft sie sich über ihre eigentliche Aufgabe hinaus zugunsten der jungen Nachwuchstalente engagieren, weil ihnen die Jugendlichen wichtig sind. Ebenso wenig weiss eine breite Öffentlichkeit, was die Managerinnen und Manager von Berufsbildung in Betrieben leisten. Dieses Buch mit seinen Gesichtern und Geschichten hilft zu verstehen, warum die Berufsbildung in der Schweiz so erfolgreich ist. Es zeigt, dass es sich auch für die kommenden Generationen lohnt, sich zu engagieren, seine Stärken zu stärken und immer wieder den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Wer heute dank einer tollen Berufsbildnerin oder einem engagierten Lehrer einen guten Berufsabschluss erworben hat, der steht vielleicht bald auch in der Verantwortung, seine Erfahrung und sein Können an die nächste Generation weiterzugeben. Berufsbildung Schweiz ist für engagierte Berufsbildungsverantwortliche wie für die Berufslernenden eine Bildung fürs Leben.
Ursula Renold
März 2015
Einleitung
Einleitung
« Il a le geste vif et appuyé, un peu trop précis, un peu trop rapide, il vient vers les consommateurs d’un pas un peu trop vif, il s’incline avec un peu trop d’empressement, sa voix, ses yeux expriment un intérêt un peu trop plein de sollicitude pour la commande du client, enfin le voilà qui revient, en essayant d’imiter dans sa démarche la rigueur inflexible d’on ne sait quel automate, tout en portant son plateau avec une sorte de témérité de funambule en le mettant dans un équilibre perpétuellement instable et perpétuellement rompu, qu’il rétablit d’un mouvement léger du bras et de la main. Toute sa conduite nous semble un jeu. (…) Il joue, il s’amuse. Mais à quoi joue-t-il ? Il ne faut pas l’observer longtemps pour s’en rendre compte : il joue à être garçon de café. »
Jean-Paul Sartre, L’être et le néant
Das Spiel, das Sartre hier mit distanziertem Blick seziert, ist nichts anderes als die Professionalität des Kellners, des garçon de café, der in seiner Aufgabe aufgeht und seinen Beruf verkörpert – wenigstens für die Dauer des Spiels.
Aber dieses Kellnerhandeln ist nicht bloss Rollenspiel, es ist durchaus Daseinsform. Und ausserdem verdunkelt Sartres kühle Skizze, dass jede Bewegung des Kellners mehr ist als eingeübte Fertigkeit, mehr und anderes als perfekter Ausdruck von Selbstverleugnung: In jeder Geste steckt Haltung, steckt in mühevoller Arbeit angeeignetes Wissen, das sich auch keineswegs nur auf die typischen Abläufe und Bewegungen beim Servieren bezieht, sondern ebenso auf die Karte der Getränke und Mahlzeiten, die Kaffeesorten oder die Zubereitung der angebotenen Speisen, den Charakter der Weine, auf die Traubensorten und Aromen, Struktur, Bukett und Abgang jedes Weins, auf die Eigenheiten der Kundschaft, ihre Gewohnheiten, die Behandlung, die sie von einer Bedienung erwarten. Der Kellner realisiert seine Vorstellung von perfekter Kellnerarbeit, er ist dabei nicht nur Tänzer und Akrobat, er ist auch Gedächtniskünstler, Menschenkenner, selbstverständlich Gastronom und vieles mehr. Analog ist die Coiffeuse nicht einfach eine, die Haare wäscht, schneidet oder färbt, als die wir sie uns vielleicht denken möchten, sondern auch Lebensberaterin und Laborantin, Gestalterin und Gesellschaftsdame, Kauffrau, Hautspezialistin, Psychologin und vieles mehr. Und der Lehrer wird irgendwo pendeln zwischen Einpeitscher und Entertainer, Löwenbändiger, Lerncoach und Lebensbegleiter – kein Wunder, dass Unterrichten als «unmöglicher Beruf» gehandelt wird.
Wir bewundern die Kunstfertigkeit der alten Schreiner, die ohne Schrauben, Leim und Nägel die wunderbarsten Schränke und Truhen herstellten: früher ein gewöhnlicher Bauernkasten, heute ein Sammlerstück, das vom erlesenen Geschmack des Besitzers zeugt.
Wir liegen alle gern bequem. Und wir wissen, was wir von einer Matratze oder einem Bettgestell erwarten: Komfort, genau nach unserem persönlichen Bedürfnis. Hochwertige, gesunde, dauerhafte, sorgfältig verarbeitete Materialien. Aber auch ästhetische Qualitäten.
Wir lassen uns auf die Wartelisten der Sterneköche setzen – eigentlich auch nicht mehr als «simple Köche», die aber die eingeschliffenen Routinen der unpersönlichen Qualitätsarbeit verlassen und sich auf das ungewisse, individuelle Terrain der Kunst vorgewagt haben.
Wir wünschen uns die beste Pflege, wenn wir krank sind, die beste Beratung in der Apotheke. Und die beste Pflege, die beste Beratung, das ist immer mehr als bloss das richtige Medikament gegen ein diagnostiziertes Leiden.
Die Chirurgin soll eine ruhige Hand und gute Nerven haben, aber auch akkurate Kenntnisse der menschlichen Anatomie. Was noch? Und was macht die professionelle Gipserin aus, den Tramführer, die Politikerin, den Verkäufer im Elektronikmarkt? Was dürfen wir von einer «professionellen Grabpflege» erwarten, die uns ein Friedhofgärtner auf seiner Website verspricht?
Es ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, alle Eigenschaften zu benennen und zu beschreiben, an die wir in all diesen Fällen denken, wenn wir das Wort «professionell» verwenden. Und doch wissen wir oder haben es zumindest im Gefühl, was wir von kompetenten Berufsleuten erwarten.
Auf der andern Seite: Hingeschustert! Liederliches Gestümper, Schlamperei, Pfusch, Murks! Geschluder! Geschmiere! Flickschusterei! Einfach unprofessionell!
Wir haben für unsachgemäss ausgeführte Arbeit eine ganze Palette von Begriffen und können «Pfusch» ohne Weiteres erkennen, selbst wenn wir vom guten Handwerk vielleicht wenig Ahnung haben.
Wir schätzen die Qualität von Produkten und die Professionalität gelieferter Arbeit. Aber der Weg dahin, die Berufsbildung – jedenfalls die Grundbildung in den handwerklichen, den gewerblichen, den industriellen und Dienstleistungsberufen