Um für ein erweitertes Verständnis von Kompetenz Aufmerksamkeit zu erzeugen, könnte man für professionelle Kompetenz im Rahmen einer bestimmten Funktion definieren:
Mitarbeiterkompetenz =
Rollenkompetenz x Berufsfeldkompetenz x Passung
Die Multiplikation verweist z.B. darauf hin, dass die Kompetenz gegen null gehen kann, wenn die Passung nicht stimmt, auch wenn die anderen beiden Faktoren hoch sind. Fachliche Weiterbildung würde hier nichts bringen.
Neuerdings macht Frau Flink einen Kochkurs, schaut häufig Kochsendungen im Fernsehen, lässt sich Kochbücher schenken und kocht mit immer mehr Raffinesse. Andere Haushaltstätigkeiten, insbesondere das Putzen, werden weniger sorgsam ausgeführt. Nach einigen Wochen ist zu beobachten, dass sie immer mehr Zeit auf Kochen und Einkaufen verwendet, dass sie für das immer aufwendigere Essen unterschwellig Pünktlichkeit bei Essensbeginn und längere Pausen beansprucht.
1.2.2 Kooperationssystem
Das zweite Spannungsfeld liegt im System des Zusammenspiels in den einzelnen Prozessen begründet. Jede Veränderung oder Entwicklung einer Person, sei es anlässlich einer Neubesetzung oder einer partiellen Neupositionierung einer Person/Funktion, verändert immer das ganze Gefüge. Für die erforderliche Effektivität sind Funktionsveränderungen einer Person mit komplementären Funktionsanpassungen anderer Beteiligter verbunden. Passungsüberlegungen sind somit immer unter Einbezug des relevanten Kooperationssystems zu machen. Vorgesetzte klären jedoch üblicherweise Rollenveränderungen vornehmlich mit direkt betroffenen Mitarbeitern, oft ohne genügend auf die Auswirkungen im Gesamtsystem zu achten und diese entsprechend abzustimmen. Angesichts der wachsenden Anforderungen an ein passgenaues Zusammenspiel in den Prozessen kommt dieser Dimension in Zukunft höhere Bedeutung zu. Kompetenz muss vermehrt als Beziehungsphänomen im Passungssystem und nicht als Eigenschaft von Menschen betrachtet werden.
So erfreulich das Engagement von Frau Flink beim Kochen ist, so sehr bauen sich auch Spannungen mit den sonstigen Mitarbeitern des Betriebs auf. Sie versucht auf die Pausengestaltung so Einfluss zu nehmen, dass das Essen nach ihren Vorstellungen zelebriert werden kann. Sie wird als Gouvernante und »Möchte-Gern-Meisterin« gehänselt.
1.2.3 Führungssystem
Führung spielt im Prozess der Passung von Mitarbeitern und Funktionen eine wesentliche Rolle. Damit die Passung und Ausrichtung der Person in ihrer Funktion optimal geschehen kann, ist es wichtig, dass Führungskraft wie auch Mitarbeiter aus ihrer jeweiligen Verantwortung heraus eine funktionierende Kooperation eingehen.
Der unternehmerisch Verantwortliche ist dabei selbst Persönlichkeit mit Eigenarten (und Kernkompetenzen) und jeweils unterschiedlichen Zugängen und Präferenzen, die meist auch einseitig ausgeprägt sind. Menschen (gerade auch Führungskräfte) neigen leicht dazu, die Aspekte der eigenen Verantwortung, für die sie nicht gut ausgestattet oder motiviert sind, auszublenden. Doch bleibt die Verantwortung bestehen und es wäre sinnvoller, sich mit Funktionen und Personen zu umgeben, die komplementär ergänzen können und so individuelle Unterschiedlichkeiten in ein tragfähiges, komplementäres Zusammenspiel gebracht werden.
Bei Frau Flink fehlt jetzt Führung, insbesondere das tägliche Setzen von Prioritäten. Die zunächst diskreten Hinweise des Meisters, sich doch beim Kochen im Rahmen und für die anderen Pflichten in eigenverantwortlicher Sorgfalt zu halten, nimmt sie leicht gekränkt zur Kenntnis, befolgt sie aber in der täglichen Praxis nur für kurze Zeit. Der Meister nimmt die Schieflage nur unwillig wahr, kümmert sich um das gärende Problem aber nicht, da er Haushalt nicht als seine Sache betrachtet.
1.2.4 Bewertungsdifferenzen
Was für die Organisation von Wert ist, muss nicht unbedingt für die Person von Bedeutung sein und umgekehrt. Die Herausforderung besteht also darin, Funktionen mit Personen so zu besetzen, dass die Kerntätigkeiten von hoher Bedeutung für die Person und ebenso von hohem Wert für die Organisation sind. Probleme können entstehen, wenn Personen ihre Kerntätigkeiten in Nebenprozessen der Organisation finden, die für die Organisation von untergeordneter Bedeutung und damit von geringerem Wert sind. Mit dieser grundlegenden Differenz wird in Organisationen oft nicht bewusst umgegangen. Damit Klärungsprozesse bezüglich Passungsfragen nicht zu Schlachtfeldern der Eitelkeiten und Empfindsamkeiten werden, ist ein sorgfältiger Dialog über die jeweiligen Bewertungsmaßstäbe hilfreich. Wichtig ist hierbei eine Kultur, in der die Achtung und Beachtung eines Mitarbeiters nicht von seiner Wichtigkeit für Kernprozesse allein abhängt. Sonst fühlen sich Menschen in Nebenprozessen nicht gewürdigt, verlieren Motivation und Bindung ans Kerngeschäft und bauen »Schwarzmärkte« und Ersatzwichtigkeiten auf.
Dass gemeinsam gegessen wird, hatte für die Organisation den Wert, dass das Gruppengefühl gepflegt wurde, dass sich privater Austausch auf diese Situation konzentrierte, dass Mitarbeiter im Hause bleiben und sich nicht durch Wege belasten mussten, aber sich auch nicht zu Besorgungen verstreuten etc. Man ging pünktlich und meist gut gelaunt wieder an die Arbeit. Hierfür reichte ein einfach zubereitetes Essen, für das wenig Aufmerksamkeit beansprucht wurde. Durch den in ihrem Agieren vorgetragenen Wichtigkeitsanspruch von Frau Flink entstanden hier eher Spannungen. Statt das Problem zu meiden, müsste der Meister Verantwortung für die Klärung und die dafür notwendigen Inszenierungen übernehmen, auch wenn er sich selbst dazu nicht kompetent fühlt.
1.3 Umgang mit Passungsproblemen
Veränderungen im Passungssystem können an verschiedenen Orten und in verschiedener Weise entstehen:
• beim unternehmerisch Verantwortlichen (Ablösung, Veränderung der Zuständigkeit, etc.),
• in den Prozessen (neue Strategie, Veränderung der Zuständigkeiten und des Zusammenspiels),
• im Team resp. Umfeld (Personenumbesetzungen etc.),
• bei den Personen (Wunsch sich neu zu positionieren, weniger zu arbeiten, etc.).
Alle diese Teilveränderungen verändern auch das subtile Gleichgewicht im Passungssystem und sind somit Anlass für Passungsüberlegungen. Dabei gibt es zwei Ansatzpunkte für Optimierungsmaßnahmen:
• Anpassung der Organisation (Strukturen und Prozesse),
• Anpassung der Person (Positionierung und Qualifikation).
1.3.1 Anpassung von Strukturen und Prozessen
Wenn Prozesse und Funktionen bzw. der Stil, in dem sie ausgefüllt werden müssen, nicht (mehr) zu den (möglichen) Funktionsträgern passen, kann geprüft werden, ob Veränderungen von Organisationsseite her möglich sind. Der Slogan »person follows function« weist jedoch darauf hin, dass Passungsprobleme nur mit Umsicht durch Funktionsänderung beantwortet werden sollten. In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass dadurch nicht Verantwortungslücken oder Passungsprobleme an anderer Stelle entstehen.
1.3.2 Neupositionierung der Personen
Wenn Personen nicht mehr zu den erforderlichen Funktionen oder Funktionen nicht mehr zu veränderten Kernkompetenzen und Entwicklungsinteressen passen, kann geprüft werden, ob andere Funktionen gefunden werden können.
In beiden Fällen bleibt dabei die Möglichkeit, dass innerhalb eines Unternehmens für die Person
• keine passende Funktion gefunden werden kann,
• nur eine passende Funktion mit reduzierter Arbeitszeit gefunden werden kann,
• zwar