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Zum Geleit
Wie können junge Erwachsene ideal auf das Berufsleben vorbereitet werden? Diese Frage beschäftigt Unternehmen genauso wie Berufsfachschulen, überbetriebliche Kursanbieter, die Organisationen der Arbeitswelt (OdA), Politik und natürlich die jungen Erwachsenen selbst und ihre Eltern. Was muss sich bei der Ausbildung im Betrieb ändern? Was benötigen junge Erwachsene dort, um sich ideal entwickeln zu können? Und was haben Schweizer Unternehmen unternommen, um ihr Ausbildungsangebot auf die neuen Anforderungen abzustimmen? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in unserer Reihe nach. Ein Jahr lang haben wir beim führenden Schweizer ICT-Unternehmen Swisscom Personen interviewt, die in die Berufsbildung involviert sind, vor allem auch die Lernenden selbst. Wir waren offen und neugierig und sind dabei auf erstaunliche Innovationen gestoßen.
Die Schweiz, als Land mit einer langen Tradition der dualen Berufsbildung, ist seit geraumer Zeit Vorbild und Orientierung für andere Länder, die über die Gestaltung ihrer Berufsbildungssysteme nachdenken. Dabei ist längst bekannt, wie das duale System funktioniert, wer beteiligt ist, wie es finanziert wird und wie viele junge Erwachsene den Weg über diese Art der Qualifizierung einschlagen und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Viel weniger bekannt ist hingegen, warum das System so gut funktioniert, eben auch völlig unabhängig von den Strukturen und Institutionen, die es tragen. Zu wenig wissen wir über den wichtigsten Bereich der Ausbildung, nämlich den Teil, der im Unternehmen oder generell in der Arbeitswelt verbracht wird. Wir sind losgezogen, um herauszufinden, wie bei Swisscom gelernt und gearbeitet wird. Dabei haben wir erfahren, mit welchen innovativen Ansätzen junge Erwachsene adäquat auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet werden. Uns ist klar geworden, dass vieles von dem, was an neuen Methoden ausprobiert wird, auch branchenspezifisch verstanden werden muss. Und genau deshalb scheint uns das Kennenlernen und Hinterfragen der jeweiligen Lernkultur, die sich in einem Unternehmen oder einer Branche etabliert hat und die aber auch in Bewegung ist, wegweisend zu sein.
Wir, die Autorinnen und der Autor, kommen aus recht unterschiedlichen Kontexten. Antje Barabasch ist Professorin für Berufsbildung und leitet seit 2015 den Forschungsschwerpunkt «Lehren und Lernen in der Berufsbildung» und das Forschungsfeld «Lernkulturen und Didaktik» am EHB. Sie forscht zu den Themen Lernkultur in Organisationen, Kreativitätsförderung in der Berufsbildung, Migration und Policy Transfer. Als Expertin für internationale Berufsbildung arbeitete sie zuvor beim Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) in Thessaloniki. Dort hat sie viel Zeit investiert, um wertvolles systemisches Wissen über die Gestaltung von Berufsbildung zusammenzutragen. Eine wichtige Einsicht aus dieser Zeit ist, dass das Wissen über funktionierende Strukturen noch lange kein wirksames Berufsbildungssystem hervorbringt, sondern dass stattdessen die über Generationen hinweg entstandenen Werte, Einstellungen und Überzeugungen der Akteure maßgebend für den Erfolg sind. Antje Barabasch spricht hier von einer Lernkultur – und weil diese sich an neue Anforderungen, wie Ansprüche der Wirtschaft, aber auch neue Erwartungen nachwachsender Generationen, anpassen muss, auch von innovativer Lernkultur.
Anna Keller ist Doktorandin und am EHB im Forschungsfeld «Lehren und Lernen in der Berufsbildung» tätig. Von Beginn an arbeitete sie im Projekt zur Lernkultur von Unternehmen mit und begab sich auf die Spur neuer Trends in der betrieblichen Ausbildung. Besonderes Interesse hat sie am Thema «Coaching» und sie fragt sich, wie dieser neue Betreuungsansatz auch in den beruflichen Schulen mehr zum Einsatz kommen könnte. Dank ihrem Studium der Erziehungswissenschaft an der Universität Bern und ihrer Tätigkeit als Lehrerin konnte sie unser Projekt mit pädagogischem Hintergrundwissen versorgen.
Marc Marthaler ist seit 2016 Leiter der Next Generation bei Swisscom. Als ausgebildeter Lehrer mit einem abgeschlossenen Sportstudium war er als Quereinsteiger von 2003 bis 2009 selbst als Lernbegleiter im Berufsbildungsmodell bei Swisscom tätig. Die Arbeit mit Menschen und die Motivation als Triebfeder von Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit sind zwei Aspekte, die ihn schon immer und in unterschiedlichen Kontexten fasziniert und vorangetrieben haben. Nach Abschluss eines Master of Advanced Studies in Coaching, Supervision und Organisationsberatung arbeitete er vier Jahre als Dozent, Coach und Projektleiter, bevor er – um viele Erfahrungen und neue Ideen reicher – zurück zu Swisscom kam. Über die Entwicklungsgeschichte der innovativen Lernkultur und darüber, was sein Verhalten, seine Werte und Überzeugungen im Lernen und Arbeiten bei Swisscom geprägt hat, schreibt er in diesem Buch.
Lernkultur gestalten heißt auch, dass ein permanenter Erneuerungsprozess stattfindet. So ist der alte Begriff der «Auszubildenden» oder «Lehrlinge» beispielsweise durch «Lernende» ersetzt worden. Darin begründet ist die Idee des selbstgesteuerten Lernens genauso wie die des lebenslangen Lernens. Junge Erwachsene sind nicht mehr nur diejenigen, denen noch viel beigebracht werden muss, sondern sie werden zunehmend als aktiv zur Arbeit und auch zu Innovationsprozessen Beitragende wahrgenommen.
Im Rahmen des Forschungsprojekts haben wir Lernende, Projektanbieterinnen, Lernbegleiter und Personen aus dem Management interviewt. Wir haben uns verschiedene Arbeitsstandorte und die Arbeit in ausgewählten Projekten angesehen, an Veranstaltungen, in die Lernende involviert waren, teilgenommen und uns in Hubs begeben, die auch von Lernenden frequentiert werden. Die Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Dazu kamen Feldaufzeichnungen und Logbücher, in denen wir Hintergrundinformationen, Reflexionen und Beobachtungen notierten. So hatten wir eine Fülle an Informationen, aus denen wir schöpfen konnten, um Antworten auf unsere Frage nach der Gestaltung innovativer Lernkultur zu finden.
In unserem ersten Buch der Reihe «Neue Lernkulturen in der Berufsbildung» erzählen wir die Innovationsgeschichte der Berufsbildung bei Swisscom. Wir behandeln darin alle relevanten Themen, auf die wir bei unseren Besuchen und Interviews gestoßen sind, und lassen auch die beteiligten Akteurinnen und Akteure anhand von zahlreichen Zitaten zu Wort kommen. Im ersten Kapitel von Teil 1 wird in kompakter Form die Transformation von Swisscom als Unternehmen beschrieben. Die Auswirkungen auf die Berufsbildung sowie die Entwicklungsgeschichte und die Grundpfeiler des innovativen Berufsbildungsmodells werden in einem zweiten Kapitel geschildert. Den Abschluss des ersten Teils bilden in Kapitel 3 konkrete Einblicke in die Erfahrungen mit der Next Generation Swisscom.
In Teil 2 zeigen wir anhand von 15 ausgewählten Themen, wie Berufsbildung konkret gestaltet wird, und schließen jeweils mit wichtigen Einsichten und Erkenntnissen ab, die für Sie wegweisend sein mögen.
Im Schlusswort fassen wir noch einmal die besonders herausragenden Bestandteile innovativer Lernkultur bei Swisscom zusammen.
Das Buch ist keine Wissenschaftslektüre. In einigen Kapiteln verweisen wir auf aufschlussreiche Literaturquellen, sodass interessierte Leser und Leserinnen sich in wichtige Themen vertiefen können. Unser Ziel ist es, in diesem Buch vordergründig eine interessante und möglichst aufrüttelnde Geschichte moderner Berufsbildung zu erzählen, die zum Weiterdenken und Nachmachen inspiriert.
Danksagen möchten wir an dieser Stelle allen Swisscom-Mitarbeitenden, die uns Auskunft gegeben haben, bei der Organisation der Interviews und Besuche halfen, uns an Standorten herumführten oder für Nachfragen zur Verfügung standen. Ganz speziell danken wir (in alphabetischer Reihenfolge):
Thomas Albori, Gabriele Barbarossa, Tom Diggelmann, Louise Flüeler, Tobias Frehner, Jasmina Friedli, Urs Gloggner, Michael Haueter, Julien Hautle, Jan Minder, Martin Näf, Fabrizio Pera, Willy Rösch, Fulvia Rusconi, Aurelio Simione, Graciela Sollberger und Reto Wälchli.
Für die Mitarbeit am Projekt danken wir den EHB-Praktikanten Jan Danko und Dominik Caldart und für das Feedback zu ersten Entwürfen des Buches Vera Husfeldt und Alexandra Dehmel.