Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book). Mirjam Kocher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mirjam Kocher
Издательство: Bookwire
Серия: Professionsforschung zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035515817
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Die «Économie des Conventions» in der Bildungsforschung. Wiesbaden: Springer VS.

      Keck Frei, A., Berweger, S., Denzler, S., Bieri Buschor, C., & Kappler, C. (2012). Wer selektioniert sich in die Ausbildung zur Sekundarlehrperson? Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 34(3), 483–500.

      Kiener, U. (2004). Vier Fallstudien schweizerischer Berufsbildungspolitik. Winterthur: Kiener Sozialforschung.

      Leemann, R. J., & Imdorf, C. (2019). Praktiken der Valorisierung in der Educational Governance. Zur Institutionalisierung der Schweizer Fachmittelschule in den 1970er Jahren. In C. Imdorf, R. J. Leemann, & P. Gonon (Hrsg.), Bildung und Konventionen. Die «Économie des Conventions» in der Bildungsforschung (S. 427–459). Wiesbaden: Springer VS.

      Mombelli-Matthys, D. (2011). Schwerpunktfach Philosophie/Pädagogik/Psychologie (PPP). Genese, Implementierung und Status quo eines neuen Unterrichtsfachs an Schweizer Gymnasien. Bern: Universität Bern.

      Müller, F. (1975). Lehrerbildung von morgen. Grundlagen – Strukturen – Inhalte. Bericht der Expertenkommission «Lehrerbildung von morgen» im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren. Hitzkirch: Comenius.

      Ramseier, E., Allraum, J., Stalder, U., Grin, F., Alliata, R., Müller, S., et al. (2005). Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR). Schlussbericht zur Phase 1. Bern: Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF.

      SKBF (2018). Bildungsbericht Schweiz 2018. Aarau: Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung.

      Strauss, A., & Corbin, J. M. (1996). Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

      Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum: Qualitative Sozialforschung, 1(1). www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132/2519 [6.6.2019].

      Den «Praxishunger» stillen

      Eine empirische Untersuchung zum Potenzial der Erfüllung psychologischer Bedürfnisse für die erfolgreiche Realisierung von Schulpraktika

      Immer wieder gibt es in empirischen Untersuchungen Hinweise darauf, dass angehende Lehrpersonen praktische Erfahrungen während des Studiums als hochrelevant für die eigene Professionalisierung bewerten (z. B. Hascher, 2012) und sich mehr, längere und regelmäßigere Praxisphasen bereits ab Beginn des Studiums wünschen (z. B. Bergau, Mischke & Herfter, 2012; Schumacher & Lind, 2000). Dieses als «Praxishunger» bezeichnete Phänomen kann unterschiedlich erklärt werden.

      Zunächst ist ein grundsätzliches Interesse der angehenden Lehrpersonen an pädagogischen Tätigkeiten hierfür verantwortlich zu machen. Menschen, die sich für eine Ausbildung zur Lehrerin oder zum Lehrer entscheiden, tun dies zumeist mit dem Ziel, pädagogisch tätig zu sein und sich in den Rollen einer Lehrperson als wirksam zu erleben (Rothland, 2011). Praktische Phasen im Studienverlauf erlauben, wesentliche Tätigkeiten und Rollen des angestrebten Berufs noch vor dem Eintritt in die Berufstätigkeit mit einiger Verbindlichkeit zu übernehmen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass ein deutlicher Wunsch nach Praxis bereits am Beginn des Studiums und selbst vor jeder praktischen Erfahrung besteht.

      Eine im Verlauf des Studiums zunehmende Unzufriedenheit mit den «theoretischen» Elementen der Ausbildung (Liebisch, 2010; Schubarth, Speck, Große, Seidel & Gemsa, 2006) verstärkt diesen Wunsch nach Praxis. Makrinus (2013) hat herausgearbeitet, dass «Praxishunger» in diesem Zusammenhang symbolisch für ein nicht deutlich fassbares Unbehagen steht. In einer solchen Betrachtungsweise bilden Praxisphasen gewissermaßen einen Fluchtpunkt. Sie werden als bedeutsamere Quellen der individuellen Professionalisierung wahrgenommen als andere hochschulische Lehrveranstaltungsangebote. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn im Studienverlauf zunächst die fachwissenschaftliche Ausbildung ohne Praxisphasen dominiert.

      Ein grundsätzliches Streben nach schulpraktischen Lerngelegenheiten kann aber auch durch praktische Erfahrungen noch verstärkt werden. Studierende suchen in schulpraktischen Kontexten Selbstwirksamkeitserfahrungen und Kompetenzerleben (Korthagen & Evelein, 2016) sowie nach Wegen und Möglichkeiten der Selbstbildbestätigung (Meyer & Kiel, 2014). Erhalten sie ausreichend Gelegenheit, Erlebnisse und Eindrücke zu sammeln und diese in ein positives Selbstbild zu integrieren, so wirkt sich dies förderlich auf ihre Motivation aus, erneut praktische Kontexte aufzusuchen und sich in ihnen zu bewähren. Umgekehrt kann ein Verlangen nach mehr Praxis vor diesem Hintergrund auch als Ausdruck dafür verstanden werden, dass einzelne praktische Lerngelegenheiten als nicht ausreichend unterstützend für die Erfüllung individueller Lern- und Entwicklungsbedürfnisse erlebt werden (Hascher, 2012; Hascher & Kittinger, 2014; Ramm, Kolbert-Ramm, Bargel & Lind, 1998). Ansätze, diesem Problem zu begegnen, werden unter anderem in der Förderung von Möglichkeiten der Selbststeuerung des Lernens (z. B. Endedijk, 2014), in systematischen Betreuungs- und Coaching-Konzepten (z. B. Kreis, 2012) oder im Einsatz von Reflexions- und Dokumentationsmethoden gesehen (z. B. Gläser-Zikuda & Hascher, 2007; Ostendorf & Welte, 2012).

      Der vorliegende Beitrag wendet sich dem zuletzt beschriebenen Problemfeld zu, indem schulpraktische Phasen als Lern- und Entwicklungskontexte verstanden werden, in denen es auch darum geht, dass die psychologischen Bedürfnisse angehender Lehrpersonen erfüllt werden (Evelein, Korthagen & Brekelmans, 2008; Korthagen & Evelein, 2016; Korthagen, Kessels, Koster, Lagerwerf & Wubbels, 2001). In der Forschung zu schulpraktischen Phasen wurde diese emotional-motivationale Perspektive bisher weitgehend vernachlässigt (für eine Zusammenfassung siehe Dreer, 2016). Es ist bislang nur wenig darüber bekannt, wie relevant psychologische Bedürfnisse und deren Erfüllung für die individuell wirksame Realisierung schulpraktischer Phasen sind. Auf den folgenden Seiten wird eine Studie vorgestellt, die das Potenzial von Bedürfniserfüllung für die erfolgreiche Umsetzung von Schulpraktika untersucht. Hierzu wird von einer längsschnittlichen Tagebucherhebung berichtet, in deren Rahmen die Bedürfniserfüllung von Studierenden (n = 106) im Verlauf eines zehntägigen Orientierungspraktikums zu fünf Messzeitpunkten erhoben und mit Erfolgsindikatoren für das Praktikum in Beziehung gesetzt wurde.

      Verschiedene Studien verweisen auf die grundsätzliche Relevanz von psychologischen Bedürfnissen und deren Erfüllung für eine gesunde, zufriedene, engagierte und erfolgreiche Ausübung des Lehrberufs (z. B. Betoret, Lloret & Gómez-Artiga, 2015; Klassen, Perry & Frenzel, 2012; Olcar, 2015). Es gibt außerdem erste Hinweise darauf, dass Bedürfnisse und Bedürfniserfüllung auch im Kontext der Ausbildung von Lehrpersonen von Bedeutung sind (Filak & Sheldon, 2003; Vermeulen, Castelijns, Kools & Koster, 2012). Für das Lernen in Schulpraktika wurden insbesondere allgemeine Bedürfnisse von Lernenden, wie soziale Eingebundenheit, Kompetenzerleben und Autonomie (nach Deci & Ryan, 2000), untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Bedürfniserfüllung über den Verlauf eines vierzehnwöchigen Praktikums für die drei Bedürfnisse durchschnittlich moderat ausfällt, zum Teil jedoch erhebliche Schwankungen während der Praxisphase aufwies, die keiner linearen Tendenz folgten (Evelein et al., 2008). Eine weitere Studie verdeutlichte, dass die Erfüllung allgemeiner Lernbedürfnisse von Studierenden in signifikantem Zusammenhang mit schülerförderlichem Verhalten (z. B. Autonomiegewährung, Hilfsbereitschaft) der angehenden Lehrpersonen im Unterricht steht (Korthagen & Evelein, 2016).

      Die Grenzen der aufgeführten Untersuchungen sind darin zu sehen, dass eine alleinige Fokussierung auf allgemeine Lernbedürfnisse in Praxisphasen nicht hinreichend zu sein scheint. Die Besonderheit von Schulpraktika liegt darin, dass die intendierten Lernziele darüber erreicht werden sollen, dass Studierende (zumindest vorübergehend) die Rollen und Aufgaben von berufstätigen Lehrkräften übernehmen (Hammerness et al., 2005; McDonald et al., 2014). Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass für