Darüber hinaus zeigt sich, dass sich die Schwierigkeiten im Schreibprozess bei L2- oder L1-Lernenden nicht grundsätzlich unterscheiden, auch wenn L2-Lernende in der Regel weniger planen oder weniger flüssig schreiben, dafür mehr in das Überführen von Ideen in Sprache investieren und mehr sprachlich überarbeiten, ohne deswegen aber die konzeptuelle Überarbeitung aus dem Blick zu verlieren (Schoonen u. a. 2009). Umso wichtiger ist, dass L2-Schreibende ausreichend Schreibgelegenheiten erhalten, um den schriftlichen Formulierungswortschatz aufbauen und auch rascher abrufen zu können.
Eine Studie von Verheyden u. a. (2012) zu jüngeren L2-Schüler*innen belegt, dass ein Unterricht, der sprachliche Angemessenheit und Korrektheit betont, dazu führt, dass die Schüler*innen zwar akkurater, insgesamt aber weniger komplexe Texte schreiben. Wird dagegen zu Beginn einer Textproduktion im Unterricht die Textebene – Schreibziel, Inhalt und Aufbau – fokussiert und erst später beim sprachformalen Überarbeiten die Akkuratheit, entstehen sowohl zunehmend komplexe als auch zunehmend akkurate Texte. Eine vergleichbare Studie zu älteren Schüler*innen stellt ein Desiderat dar. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Vermittlung von beruflichem Schreiben mit Deutsch als Zweitsprache nicht einseitig sprachformale Aspekte fokussieren sollte, da berufliches Schreiben im Wesentlichen eine Frage der Enkulturation ist.
2.2 Wirksame Fördermassnahmen
Als besonders wirksame Fördermassnahme im Bereich Schreiben hat sich über mehrere Metaanalysen hinweg die sogenannte explizite Vermittlung von Schreibstrategien erwiesen (Schneider u. a. 2013, Kapitel 3). Bei diesem Verfahren wird nicht nur der Textproduktionsprozess portioniert – sofern es sich um komplexere Schreibaufgaben handelt –, sondern die für die «Lösung» der Aufgabe zentralen kognitiven Aktivitäten werden stärker bewusst gemacht (ein Schreibziel generieren, Ideen generieren, auswählen und in eine Reihenfolge bringen, das eigene Schreiben überwachen, evaluieren usw.). Dazu wird in erster Linie das Modellieren eingesetzt: Die Lehrperson führt vor, wie sie eine bestimmte Schreibaufgabe bearbeitet, und denkt dabei gleichzeitig laut, das heisst, sie verbalisiert ihre Überlegungen, Gedanken beim Schreiben.
Dieses Verfahren weist eine grosse Nähe zu cognitive apprenticeship auf: Dabei handelt es sich um eine Lehr-/Lern-Methode, die in der beruflichen Bildung stark verankert ist (z. B. im Pflegebereich). Auch in diesem Förderansatz kommt dem Modellieren eine wichtige Rolle zu (Collins 2005): Die Lehrperson ist Modell, macht vor und begründet dabei ihre Handlungen und Überlegungen so, dass sie für die Lernenden beobachtbar und nachvollziehbar sind. Beim Beobachten bauen die Lernenden ein konzeptuelles Modell der Prozesse auf, das für sie beim anschliessenden Bearbeiten einer eigenen Aufgabe handlungsleitend wird. Während solches Vormachen durch die Lehrperson zu Beginn viel Raum einnehmen kann, lösen die Lernenden ihre Aufgaben zunehmend selbstständiger, übernehmen also immer mehr Verantwortung für ihr Lernen.
Gleichzeitig wird betont, dass cognitive apprenticeship in situiertes Lernen einzubetten sei, dass dabei die (literalen) Praktiken der jeweiligen Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielten und die Lernenden als Mitglieder der Gemeinschaft partizipieren sollten: «A critical element in fostering learning is having students carry out tasks and solve problems in an environment that reflects the nature of such tasks in the world» (Collins 2005, S. 52).
In diesem Sinne könnte Schreiben also wie andere berufliche Lerngegenstände auch nach einem sehr ähnlichen Verfahren vermittelt werden.
2.3 Formatives Feedback
Liegt der Fokus auf dem beruflichen Schreiben (und Lesen) als literale Teilhabe, rückt insbesondere für das formative Beurteilen die Frage ins Zentrum, inwiefern es den Lernenden gelingt, ein kommunikatives, inhaltliches, allenfalls auch sprachliches Schreibziel so umzusetzen, dass die intendierte Wirkung erzielt werden kann. Fehlen im Regierapport oder in der Patientenakte wesentliche Informationen, kann dies unter Umständen gravierende Folgen nach sich ziehen.
Damit formatives Feedback eine Wirkung entfalten kann, muss es sich auf das Lernziel beziehen, das den Ausgangspunkt des Lehr-/Lernarrangements bildet (Sturm/Lindauer/Sommer 2018): Feedback, das die kommunikative Funktion in den Blick nimmt, bedarf anderer Arrangements als Feedback, das ausschliesslich die sprachformale Korrektheit fokussiert. Im ersteren Fall sind etwa Arrangements nützlich, in denen die Schreiber*innen beobachten können, wie Leser*innen auf ihre Texte reagieren: Feedback vermischt sich hier gewissermassen mit Instruktion und wird deshalb auch als elaboriertes Feedback bezeichnet (Shute 2008).
Das schliesst nicht aus, dass sprachformale Korrektheit auch bei elaboriertem Feedback eine Rolle spielen kann. Es ist durchaus denkbar, dass in einer Patientenakte beispielsweise falsche Dosierungen angegeben sind: Korrektheit ist in einem solchen Fall nicht bloss eine Konvention, sondern eine Notwendigkeit.
Über die verschiedenen Schulstufen hinweg ist zu beobachten, dass normative Erwartungen der Lehrenden vor allem hinsichtlich sprachformaler Korrektheit zunehmen und teilweise kommunikative oder auch inhaltliche Aspekte überlagern beziehungsweise sogar verdrängen (Boscolo 2012). Entsprechend geht dies mit korrektivem Feedback einher; damit wird aber auch bei den Lernenden die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Oberflächenmerkmale gelenkt. Sie lernen so zwar, korrektere Texte zu verfassen, nicht aber wirkungsvollere – ein Befund, der Lernende mit Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache gleichermassen betrifft, wie bereits in Abschnitt 2.1 ausgeführt wurde.
3 Schreiben als Denkwerkzeug
Wie zu Beginn erwähnt, werden Lernjournale bereits in der Primar- oder Sekundarstufe I eingesetzt und kommen besonders in Berufsfachschulen häufig zur Anwendung, oft in Form von Lerndokumentationen. Aber auch andere Formen des schreibenden Lernens sind anzutreffen, so etwa bei Zusammenfassungen, Concept-Maps oder schriftlichen Notizen im Rahmen von Recherchen, Leseaufträgen u. a. Zentrales Ziel dabei ist immer, dass das fachliche Lernen bzw. Lesen unterstützt und vorangebracht wird.
Lernjournale sind Schreibaufgaben, die – so Hübner, Nückles und Renkl (2010) – kognitive wie auch metakognitive Lernstrategien herausfordern und fördern können. Sie werden hauptsächlich nach einer Lektion oder auch nach mehreren zusammenhängenden Lektionen eingesetzt. Wie Hübner u. a. (2010, S. 21) betonen, haben Lernjournale keinen bestimmten Aufbau, da die Lernenden den Gegenstand ihrer Reflexion frei wählen und nach ihrem Gutdünken darstellen sollen. Aus diesem Grund sei eine umfangreiche Einführung in das Führen eines Lernjournals nicht notwendig, insbesondere nicht in Bezug auf die sprachliche Umsetzung.
Damit Lernjournale insgesamt gewinnbringend sind, müssen die Lernenden deren Funktion verstehen und mit geeigneten Impulsen zur Reflexion animiert werden. Ein solcher Impuls kann die Lernenden auffordern, über Beispiele oder Erfahrungen nachzudenken, die den Inhalt der Lektion bestätigen oder auch infrage stellen (Hübner u. a. 2010, S. 23). Vor allem metakognitive Impulse wie «Welche zentralen Aspekte habe ich bereits oder noch nicht verstanden?» wirken sich positiv aus, wie Bangert-Drowns, Hurley und Wilkinson (2004) allgemein für das schreibende Lernen zeigen.
Es sei erwähnt, dass Hübner u. a. (2010) ihre Intervention mit Gymnasiast*innen durchführten, die tendenziell über hohe sprachliche Fähigkeiten verfügen. Es ist damit zu rechnen, dass bei jüngeren Schüler*innen und bei solchen mit eher wenig ausgebauten sprachlichen Fähigkeiten eine umfangreichere Einführung sowie das Vermitteln von Redemitteln, die zu den Impulsen passen, nicht nur sinnvoll, sondern möglicherweise notwendig ist.
Eine Studie zu digitalen Lernjournalen bei Berufsschüler*innen