Weiterbildung an Hochschulen. Tobias Zimmermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tobias Zimmermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035507409
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      Die Hochschulen sind seit den 1990er-Jahren ein wachsender Player im Schweizer Weiterbildungsmarkt. Besonders die Fachhochschulen sind seit ihrer um die Jahrtausendwende erfolgten Gründung im Weiterbildungsbereich sehr aktiv. Dies geht einher mit der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung von Weiterbildungen: Gerade auch für gut Ausgebildete wird es angesichts von Globalisierung und Digitalisierung in unserer dienstleistungsorientierten Wirtschaft zunehmend wichtiger, den Anschluss an den aktuellen Stand von Wissenschaft zu wahren und neueste Erkenntnisse für die Praxis nutzen zu können. An Schweizer Hochschulen erfreuen sich bisher vor allem Weiterbildungslehrgänge (CAS, DAS, MAS, vgl. Schläfli & Sgier in diesem Band) großer Beliebtheit. Allerdings scheint das Angebot inzwischen teilweise größer als die Nachfrage, wobei die Unterschiede zwischen den Fachrichtungen und Hochschultypen groß sind. Verlässliche Zahlen zum Umfang des Weiterbildungsangebots und zu Teilnehmendenzahlen an Schweizer Hochschulen liegen leider keine vor, da bis heute aufseiten der Anbieter keine nationale Statistik erhoben wird (vgl. SKBF 2014, S. 266); Gleiches gilt auch für Deutschland (vgl. Kamm et al. 2016, S. 140).

      Aus Sicht der Hochschuldidaktik fällt auf, dass es wenig Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote gibt, die sich spezifisch auf Weiterbildnerinnen und Weiterbildner an Hochschulen ausrichten, während in den letzten Jahren das Angebot an hochschuldidaktischen Lehrgängen für Dozierende in der Lehre stetig zugenommen hat – einhergehend mit einer wachsenden Erwartung an diese, sich hochschuldidaktisch zu qualifizieren. Aus unserer Perspektive, die aus den genannten Gründen nicht durch statistische Daten gestützt werden kann, ist zudem wenig davon zu spüren, dass die an Hochschulen angebotenen Weiterbildungen dem wachsenden Bedarf nach flexiblen Angeboten Rechnung tragen würden. Hanft et al. (2016, S. 113) vermuten als Ursache, dass zu stark von der inneren Struktur und Logik des jeweiligen Fachgebiets her gedacht wird und zu wenig von den Vorerfahrungen und vorhandenen Kompetenzen der Teilnehmenden.

      So erfolgen die meisten Weiterbildungen weiterhin schwergewichtig in Form von Präsenzunterricht; es sind wenig Verbindungen zwischen Weiterbildung und Beratung auszumachen, und die Verbindung zwischen konsekutivem Studium und Weiterbildung ist vielerorts nicht gegeben. Auch Leistungsnachweise orientieren sich vielerorts an den aus dem Grundstudium bekannten – und auch dort oft einem tiefergehenden Lernen nicht zuträglichen – Formaten wie Closed-Book-Klausuren und schriftlichen Arbeiten. Dies stellt eine vergebene Chance dar, Berufspraxis und Weiterbildung auf lernwirksame Weise zusammenzubringen.

      Die geschilderte Situation steht im Widerspruch zum Konzept des lebenslangen Lernens, das im Weiterbildungsbereich seit der Jahrtausendwende zum Referenzrahmen geworden ist (vgl. das sogenannte Memorandum über das lebenslange Lernen, Europäische Kommission 2001). Dieses Konzept stellt einen Paradigmenwechsel in der Weiterbildung dar und zielt auf eine strukturelle Veränderung des bisherigen Bildungssystems. So erfordert es neue Bezüge zwischen den einzelnen Bereichen des Bildungssystems, sowohl bezüglich der Lerninhalte und Gestaltung der Angebote als auch bezüglich der Übergänge, Zugänge, Anrechnungen und des Aufbaus von Wissen, Qualifikationen und Fähigkeiten. Die Stoßrichtung beinhaltet auch, dass die Lernenden die lebenslange Lernperspektive ihres Lernprozesses selber lenken. Die Bildungssysteme des lebenslangen Lernens werden somit nicht mehr nur von den Institutionen und den Bildungsanbietern her definiert, sondern auch von der Person her, die lernt. Im Zuge dieser verstärkten Nachfrageorientierung werden heute auch bildungsökonomische Modelle wie Bildungsgutscheine lanciert (vgl. Schläfli & Sgier 2014, S. 59–63).

      In der Schweiz hat die Politik versucht, den erhöhten Ansprüchen an die Weiterbildung durch ein neues Gesetz Rechnung zu tragen. Das im Zuge dieser Bemühungen geschaffene Weiterbildungsgesetz (WeBiG) trat am 1. Januar 2017 in Kraft und regelt als Rahmengesetz die gesamte non-formale Weiterbildung, zu der auch die Weiterbildung an Hochschulen gehört. Die zentralen fünf Grundsätze des Gesetzes betreffen die Aspekte Verantwortung, Qualität, Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung, Verbesserung der Chancengleichheit sowie wirtschaftlicher Wettbewerb (vgl. Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2014).

      Neben dem eingangs konstatierten Innovationsdruck setzen die verstärkte Nachfrageorientierung, die inzwischen hohe Angebotsdichte sowie das Wettbewerbsprinzip des WeBiG die Weiterbildung an Hochschulen auch wirtschaftlich unter verstärkten Druck.

      Uns scheint das ein guter Zeitpunkt, um die Situation näher zu analysieren und weiterführende Ideen und Konzepte zu diskutieren. Im ersten Teil des Bands leuchten wir deshalb systemische Zusammenhänge der Weiterbildungslandschaft an Hochschulen aus. Darauf aufbauend stellen wir im zweiten Teil innovative didaktische Konzepte, Methoden und Formate vor, die sich spezifisch für den Weiterbildungskontext eignen.

      Dabei richten wir uns in erster Linie an Dozierende und Leitungspersonen im Weiterbildungsbereich an Hochschulen. Wir möchten ihnen die Möglichkeit bieten, ihr Bild von Weiterbildung und von den Weiterbildungsteilnehmenden abzugleichen mit einer systematisch aufgearbeiteten Beschreibung der aktuellen Situation an (Schweizer) Hochschulen. Darüber hinaus bieten die Beiträge des zweiten Teils vielfältige Anregungen für die didaktischmethodische Gestaltung von Weiterbildungen. Sie adressieren aktuelle Herausforderungen der hochschulischen Weiterbildung und sollen die Leserinnen und Leser anregen, ihre Weiterbildungen innovativ und zukunftsgerichtet zu gestalten.

      Der erste Teil des Bands beginnt mit einem Überblick über die aktuelle Situation der Weiterbildung in der Schweiz und speziell an Schweizer Hochschulen, den André Schläfli und Irena Sgier mit einem Ausblick auf Perspektiven für die Weiterentwicklung verbinden. Erik Haberzeth fragt anschließend, was wissenschaftliche Weiterbildung ausmacht, und zeigt anhand von vier Dimensionen des Umgangs mit Wissen, wie man Weiterbildung an Hochschulen lernwirksam gestalten kann. In diesem Beitrag klingt auch die Frage an, wie wissenschaftliches Wissen und das Erfahrungswissen der Teilnehmenden zueinander in Bezug gesetzt werden. Diese Frage vertiefen Mònica Feixas und Franziska Zellweger in ihrem Beitrag, indem sie didaktische, individuelle und organisationale Faktoren besprechen, die den Transfer zwischen Weiterbildung und Arbeitstätigkeit beeinflussen. Abgerundet wird der erste Teil durch ein Interview mit Anke Hanft und Rolf Arnold, in dem die thematischen Linien der ersten Beiträge noch einmal aufgegriffen und verwoben werden. Besonders die an Hochschulen starke Trennung von Ausbildung/konsekutivem Studium und Weiterbildung kritisieren die beiden Interviewpartner deutlich und fordern eine übergreifende Perspektive auf lebenslanges Lernen.

      Der zweite Teil stellt innovative didaktische Konzepte, Methoden und Formate für die Gestaltung von Weiterbildung an Hochschulen vor. Eingestreut sind einige Praxisbeispiele1, die zeigen sollen, wie die vorgestellten Konzepte und Methoden umgesetzt werden können. So stellen Niels Anderegg und Geri Thomann die Arbeit an einer Weiterbildungslandkarte vor, während Tobias Zimmermann und Eva Buff Keller ein Kompetenzprofil für einen Weiterbildungslehrgang präsentieren. Hilde Krug erläutert ein Projektsemester, in dem sich Weiterbildungsstudierende weitgehend selbst organisieren, Ruth Förster und Renate Grau stellen ihren konsequent modularisierten Studiengang vor und Simon J. Evenett zeigt anhand der Learning Assessment Week auf, wie ein lernwirksamer Leistungsnachweis in einem Studiengang aussehen kann. Thilo Harth schließlich legt dar, wie man unterschiedliche Kommunikationsanlässe als Impulse zur Weiterbildung nutzen kann.

      Den Anfang von Teil zwei bildet der Beitrag von Martin Schmid und Katrin Kraus, die das Anerkennen von Kompetenzen als In-Wert-Setzung diskutieren und aufzeigen, wie vorhandene Kompetenzen von Teilnehmenden in der Hochschulweiterbildung validiert werden können. Die Kompetenzthematik wird