Urlaub auf dem Bauernhof ist heutzutage für Kinder der Renner. Ich hatte das damals ständig, ungewollt und unfreiwillig. Doch zugegebenermaßen gab es auch viele schöne Momente, etwa wenn das Heu kurz vor dem Gewitterschauer trocken in der Scheuer war oder die Vesperpausen auf dem Feld, im Schatten von Bäumen. Mit selbstgebackenem Brot, Hausmacher-Leberwurst, Most und Dutzenden von Schmetterlingen. Sie beim Essen zu beobachten, war einfach toll. Und manchmal ließ sich sogar einer auf meinen Füßen nieder. Das waren dann ganz besondere Momente. In denen ich absolut ruhig sitzen konnte. Meine Oma erklärte mir die einzelnen Schmetterlinge. »Das da ist ein Kohlweißling und der da drüben heißt Pfauenauge.« Ich war fasziniert. Wie unterschiedlich die Schmetterlinge doch waren. Und wie fragil, verletzlich. Im Gegensatz zu den robusten Kühen, Schweinen und Hühnern im Stall.
Auch wenn ich damals gelegentlich genervt war von der Landwirtschaft: Im Nachhinein profitiere ich von dem, was ich en passant in Stall, auf Acker und Wiesen über Tiere, Pflanzen und Jahreszeiten gelernt habe. Zwar kann ich in unserer Münchner Stadtwohnung weder Hühner noch Schweine halten, aber Gärtnern ist inzwischen meine große Leidenschaft. Sie erdet mich, macht Kopf und Gedanken frei. Nach den »Eisheiligen« im Mai lege ich los im Schrebergarten um die Ecke, säe Radieschen und Blumen, pflanze Salat, Kohlrabi, Fenchel, Gurken und Rucola. Und freue mich über jedes neue Blatt und jede neue Blüte. Beim Gärtner meines Vertrauens kaufe ich stets eine italienische Zucchinipflanze, die ich täglich besuche und ungeduldig auf die erste Frucht warte! Den grünen Daumen habe ich von Oma und Mama geerbt. Und auch mein Interesse für Tiere und Pflanzen, deren Entwicklung und Gedeihen übers Jahr hinweg, wurde in meiner Kindheit geweckt. Schon in der Grundschule habe ich Heimat- und Sachkunde geliebt und nach dem Abitur wollte ich Biologie studieren. Letztlich entschied ich mich aber für ein Germanistik- und Sportstudium an der Uni Tübingen zum Start meiner beruflichen Laufbahn – mit dem Ziel Gymnasial-Lehrerin zu werden.
Blöde Fragen gibt es nicht!
Anfangs war ich mit diesem Berufsziel und der Fächer-Kombi ganz happy, doch nach einigen Semestern wurden die Germanistik-Seminare zur Qual. Die anfängliche Begeisterung, Leichtigkeit und Motivation waren verflogen. Gelegentlich bereute Frau Wahl ihre Wahl. Was tun: Weitermachen? Aufhören? Fach wechseln? Alle möglichen und unmöglichen Alternativen und Argumente wälzte ich durch meine Gehirnwindungen. Ich kam nicht weiter. Coaches oder Mentoren gab es damals noch nicht. Im Nachhinein betrachtet wäre solch eine Unterstützung in dieser Phase für mich genau das Richtige gewesen. Also verharrte ich damals in meinem Kokon und zog das Studium durch – denn ausdauernd und diszipliniert war ich schon immer. Außerdem hatte ich trotz allem ein gutes Bauchgefühl und mein Motto, der antreibende Gedanke im Kopf, hieß damals und heißt auch heute noch: »Es wird schon für etwas gut sein und seinen Sinn haben, auch wenn ich momentan noch nicht weiß, für was.«
Genau so war es. Parallel zum Studium begann ich in der Sportredaktion eines Regionalradios zu arbeiten. Texte schreiben, Anmoderationen auf den Punkt bringen, Nachrichten knapp und präzise formulieren – das alles fiel mir relativ leicht, obwohl ich journalistische Anfängerin war. Die Arbeit als rasende Reporterin machte mir vor allem großen Spaß und ich bekam prima Feedback von Kollegen und Hörern. Mein ursprüngliches Berufsziel (ver-) wandelte sich von Lehrerin zu Journalistin! Plötzlich profitierte ich von der ungeliebten Germanistik, den scheinbar nutzlosen Linguistik-Vorlesungen. Ich konnte das mühsam Gelernte und Studierte erst beim Radio, dann bei der Tageszeitung »Schwäbisches Tagblatt« praktisch anwenden. Der endgültige Abschied vom Lehrerinnendasein und der Beginn meiner Ausbildung zur Redakteurin ließ nicht lange auf sich warten.
Als Journalistin konnte ich einige meiner Leidenschaften und Charakterzüge voll ausleben: mit interessanten Menschen reden, neue Leute kennenlernen, neugierig sein, Augen und Ohren aufsperren. Auf dem Fußballplatz, im Gemeinderat oder bei den Kleintierzüchtern. Das Schöne am journalistischen Arbeiten bringen acht Worte auf den Punkt: Es gibt keine blöden Fragen, nur blöde Antworten. So bin ich doch noch Forscherin geworden, wenn auch nicht in der Biologie, sondern in den Medien. Lange Jahre war das für mich der optimale Job – als freie Journalistin oder festangestellt in Redaktionen, beim Radio, bei Tageszeitungen, Agenturen und Magazinen. Doch das Unterrichten fehlte mir, die Lehrerin in mir kam mit den Jahren nicht mehr auf ihre Kosten. Also berufliche (Ver-)Wandlung, die Zweite. Selbstständige Trainerin, Autorin und Coach bin ich nun und mit diesem Trio voll in meinem Element. Und noch immer profitiere ich von meinem Germanistikstudium, wenn ich Schreibwerkstätten für Kunden abhalte und Öffentlichkeitsarbeit unterrichte.
Bis ich jedoch so weit war, hatte ich einige schlaflose Nächte, öfters Minus auf dem Konto, schlechte Laune und die immer wiederkehrende Frage im Kopf: Wo und wann kommt endlich der nächste Auftrag? Von Leichtigkeit weit und breit nichts zu sehen. Weder bei mir noch bei vielen Freunden, Kunden und Seminarteilnehmern.
Sackgassen beschwingt verlassen
Das kann doch nicht sein, dachte ich mir. Was sind die Ursachen für diese Unzufriedenheit und Verbissenheit? Muss das sein, kann es nicht mal nur flutschen im Leben? Immer dieses ständige Auf und Ab, drei Schritte vorwärts, zwei zurück. Manche Menschen stehen sich gar selbst im Weg und machen sich das Leben schwer, bauen sich ihre eigenen Einbahnstraßen und Sackgassen. Von persönlicher Weiterentwicklung ist wenig zu sehen, immer derselbe Trott und dieselben Geschichten. Andere hingegen schaffen es trotz Liebeskummer, Kündigung oder Krankheiten, beschwingt nach vorne zu schauen. Was macht den Unterschied und wie sehen die Erfolgsrezepte aus?
Ich fing an zu suchen. Im Internet, in Büchern, in Fortbildungen, in Gesprächen mit Experten und Freunden, in Workshops und Seminaren. Im Münchner Tierpark Hellabrunn – für den Zoo habe ich schon eine gefühlte Ewigkeit eine Jahreskarte –, in den Bergen, an meinem Lieblingssee und im Botanischen Garten München-Nymphenburg. Während der Wintermonate kann man dort in einem umgebauten Gewächshaus tropische Schmetterlinge aus direkter Nähe beobachten. Waren Sie vielleicht schon mal mit Ihren Kindern in einer Schmetterlingsfarm oder Ausstellung? Ich bin praktisch eine Wiederholungstäterin und bei jedem Besuch immer wieder fasziniert von der wundersamen Metamorphose: Erst liegt da ein winziges Ei, aus dem eine gefräßige Raupe wird und schließlich – nach einer Ruhe- und Entwicklungsphase im Kokon – verwandelt sich die Puppe in einen (farbenfrohen) Schmetterling. Ein Wunderwerk der Natur mit faszinierenden Eigenschaften. Finden Sie nicht auch?
Falls Sie schon immer mal mehr über Schmetterlinge erfahren wollten, doch weder Zeit noch Muße hatten und sowieso überhaupt keine Lust auf dicke Wälzer, kein Problem. Die Recherche in Schmetterlingsausstellungen und in der (Online-)Literatur habe ich übernommen und die wichtigsten Punkte, Eigenschaften und Besonderheiten der farbenprächtigen und filigranen Insekten zusammengefasst. Biologen können jetzt schon mal die Nase rümpfen und sich über fehlende Fachbegriffe sowie mangelnde wissenschaftliche Details mokieren. Für die anderen Leser und Leserinnen gilt: Tauchen Sie mit mir in die Geheimnisse von Metamorphose, Mimese und Mimikry ein. Lassen Sie sich überraschen und staunen Sie!
Acht Eigenschaften von Schmetterlingen
Je länger ich mich mit Schmetterlingen beschäftigt habe, umso größer wurde nicht nur mein Wissen, sondern auch mein Respekt vor diesen Wesen. Wirken sie auf den ersten Blick unscheinbar und zerbrechlich, haben sie es bei genauerer Betrachtung faustdick hinter den Ohren – Näheres wird bei »Strategen mit ausgeklügelten Sinnen« beschreiben – und sind ganz schön ausgebufft. In vielen verschiedenen Bereichen. Mit allerlei Tricks halten angehende und erwachsene Schmetterlinge beispielsweise ihre Feinde auf Abstand und schaffen es so, munter und unbehelligt von einer Blüte zur anderen zu kommen. Weitere Besonderheiten und Fähigkeiten, die ich bei meinen praktischen und theoretischen Exkursionen im Schmetterlingsreich entdeckt habe, stelle ich Ihnen auf den nächsten Seiten vor. Sie sind die Basis für das von mir entwickelte MARIPOSA-Prinzip, in dem ich sozusagen das kleine Einmaleins der Schmetterlingskompetenzen und Fähigkeiten zusammengefasst, »übersetzt« und menschentauglich gemacht habe. Doch dazu später.
Bei meinen Besuchen bei den Nymphenburger Schmetterlingen und meinen Forschungen ist mir aufgefallen, dass die Metamorphose die