Als wir in Princeton mit dieser Art von Experimenten begannen, gab es auch noch keine Handys und kein Internet, wo man sich mal eben schnell Bilder von der Neuen Brücke ansehen konnte. Stattdessen dokumentierten Alan und Frank die Szene mit altmodischen Fotografien.
Wie ist es möglich, dass ein Mensch eine Szene beschreibt, die ein anderer erst in der Zukunft erlebt?
Das war eine jener Fragen, die wir uns in Princeton über zweieinhalb Jahrzehnte lang im PEAR Lab stellen sollten.
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht erklären können – aber die trotzdem existieren
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich unserer rationalen Erklärung entziehen. Jeder Mensch kennt solche Phänomene und Ereignisse und einige haben sie in ihrem Leben vielleicht schon selbst erlebt. Unser Verstand kann sie meist nicht erklären oder nachvollziehen, aber unsere Intuition sagt uns, dass es sie gibt.
Wenn sich Ereignisse jeder Analyse entziehen, wenn die Wissenschaft nicht weiterweiß – und das ist weitaus häufiger der Fall, als Sie vielleicht vermuten würden – so werden Phänomene oft als Einbildung, Humbug oder »esoterischer Schwachsinn« abgetan. Aber was ist, wenn es diese Phänomene tatsächlich gibt, wir sie aber mit unserem menschlichen Verstand einfach – noch – nicht erforschen oder deuten können?
»Wissen ist begrenzt«, sagte Albert Einstein. Welcher seriöse Wissenschaftler maßt sich an, das gesamte Universum verstehen oder deuten zu wollen? Das ist, als würden Sie einer Ameise die Relativitätstheorie erklären wollen. Wir scheitern schon bei der Erklärung der Funktionsweise unseres eigenen Gehirns.
Wissenschaftliche Forschung beginnt meist mit kühnen Theorien. Und oft werden diese nicht ernst genommen. Das haben wir in der Geschichte der Menschheit laufend erlebt. Nikolaus Kopernikus stieß auf breite Ablehnung, als er behauptete, die Planeten drehen sich ebenso wie die Erde um die Sonne und nicht wie bisher angenommen alle Gestirne um die Erde, und die Fixsterne am Himmel bewegen sich nur scheinbar und zwar deshalb, weil sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Das wissenschaftliche wie das damals einflussreiche kirchliche Establishment lehnten seine Theorien strikt ab. Sein heliozentrisches Weltbild wurde als »Hirngespinst« abgetan. Und heute? Wissen wir, dass Kopernikus recht hatte.
Wesentlich ist, dass die Wissenschaft bereit ist, sich unvoreingenommen Phänomenen zu widmen, die sie nicht erklären kann. Gibt es Telepathie – Gedankenübertragung – wirklich? Können wir alleine mit unseren Gedanken Materie beeinflussen? Sind wir alle miteinander verbunden?
Albert Einstein lehrte in Princeton, der wissenschaftlichen Heimat zahlreicher Nobelpreisträger
Diese Fragen faszinierten mich als Wissenschaftler immer schon sehr. Umso begeisterter war ich, als mich Robert G. Jahn fragte, ob ich mit ihm und Brenda Dunne das PEAR – das Princeton Engineering Anomalies Research Lab – entwickeln und wissenschaftlich leiten möchte. Ich unterrichtete zu dieser Zeit gerade Psychologie am Johnson State College in Vermont, das heute Northern Vermont University heißt, als mir ein Freund eine Stellenanzeige zeigte, die mich schon nach Lektüre des ersten Satzes fesselte: »Wir suchen einen kognitiven Wissenschaftler, der sich für die weniger bekannten Aspekte der Wahrnehmung interessiert. Princeton University.« Das klang interessant. Der Job reizte mich gleich aus mehreren Gründen.
Princeton ist keine gewöhnliche Universität. Sie ist eine der bedeutendsten der Welt. Albert Einstein lehrte in Princeton und veränderte mit seinen Theorien die Welt. Unzählige Nobelpreisträger studierten oder unterrichteten in Princeton wie Kip Thorne (Physik), Steven Weinberg (Physik), Edwin McMillan (Chemie), Gary Becker (Wirtschaft), Clinton Davisson (Physik), John Nash (Wirtschaft), Robert Hofstadter (Physik), Richard Smalley (Chemie) und Frank Wilczek (Physik). Der Computerwissenschaftler und Mathematiker Alan Turing, der den Code der Nazi-Verschlüsselungsmaschine Enigma knackte und die Grundlage für künstliche Intelligenz legte, studierte in Princeton, aber auch Amazon-Gründer Jeff Bezos, Ex-Hewlett-Packard-CEO Meg Whitman und Google-CEO Eric Schmidt sind Princeton-Absolventen.
Dazu kam: Robert G. Jahn war nicht irgendwer. Er war ein renommierter Physiker, Professor für Weltraumwissenschaften und Dekan der Fakultät für Ingenieurwesen und Angewandte Wissenschaften der Princeton University. Er war ein Pionier, der mit der NASA und der U.S. Air Force Raketentriebwerke entwickelte.
Jahn entschloss sich, ein eigenes Forschungslabor zu gründen, um Phänomene zu erforschen, die es eigentlich nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht geben dürfte und die andere Wissenschaftler gerne ignorierten oder belächelten. Jahns Plan, diese faszinierenden Fragen zu erforschen, war inspirierend. Bei dieser Mission wollte ich dabei sein.
Das PEAR Lab begann seine Arbeit
Wir konzentrierten uns anfangs auf zwei große Bereiche, die wir am PEAR erforschen wollten:
• Die Verbindung zwischen Menschen, die durch große Distanz getrennt waren.
Damit war aber nicht nur die räumliche Distanz gemeint – sondern auch zeitliche. Können wir Ereignisse, die erst in der Zukunft passieren, vorhersagen beziehungsweise erkennen? Kann ich heute schon beschreiben, was jemand anderer morgen sehen und erleben wird?
• Der zweite große Bereich, den wir erforschten, waren Human/Machine Anomalies oder auch Mind/Machine Interaction genannt.
Dabei wollten wir herausfinden, ob Versuchspersonen die Fähigkeit hatten, alleine durch ihre Intention und ihre Gedanken Materie zu beeinflussen. Wenn dem so war, wollten wir feststellen, was solche Effekte verstärken oder verhindern kann. Diese Faktoren waren sowohl psychologischer als auch physischer Natur.
Unser Ziel am PEAR war auch die Entwicklung von wissenschaftlichen Theorien, um so eine erklärende Grundlage für die empirischen Resultate zu liefern, die oft schwer bis kaum in bestehende wissenschaftliche Modelle zu integrieren waren.
In der Geschichte des PEAR machten wir über 650 voneinander unabhängige Remote Perception Experimente. Die Versuchsanordnungen waren unterschiedlich: Wir machten solche, wo Agent und Empfänger zur gleichen Zeit eine Szene beschreiben mussten. Eine größere Zahl an Experimenten machten wir, bei der der Empfänger anhand eines klar definierten Protokolls eine Szene beschreiben musste, die der Agent einige Stunden oder Tage zuvor erlebt hatte. Die größte Anzahl an Versuchen führten wir jedoch im präkognitiven Modus mit einem Agenten durch, dessen Ziel noch nicht einmal bestimmt war, als der Empfänger die Situation bereits beschrieben hatte. Die Szene würde also erst in der Zukunft ausgewählt werden. Zum Beispiel ein, zwei Tage nach der Beschreibung des Empfängers, indem man dem Agenten den Tag und die exakte Zeit mitteilte, an dem er das, was er erlebte, beschreiben sollte – egal, wo er gerade war.
Anders ausgedrückt: Der Empfänger musste vorausahnend feststellen, was jemand anderer erleben würde, obwohl die Szene zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ausgewählt war – so wie eingangs das Experiment mit John Hamm.
Diese Art von Experimenten wurde nach einem besonders strengen wissenschaftlichen Protokoll durchgeführt, um sicherzustellen, dass es zu keiner Interaktion zwischen Empfänger und Agent kam, um mögliche Kritik mit dem Argument, diese hätten sich vielleicht abgesprochen, ausschließen zu können.
Über die Jahre, in denen wir diese Experimente durchführten, konnten wir beweisen, dass die Ergebnisse für gleichzeitige, präkognitive und postkognitive Experimente ähnlich waren, was belegte, dass unsere Protokolle fehlerfrei funktionierten. Wir konnten so Fehler ebenso wie Betrug als mögliche Erklärungen für die Phänomene ausschließen. Wir konnten messbare Anomalien beobachten, die man mit unseren normalen wissenschaftlichen Modellen nicht erklären konnte.
Die über 650 Experimente, die wir im Laufe der Jahre durchführten, ist die größte Anzahl, die bis dahin weltweit in diesem Bereich gemacht worden ist, mit verschiedensten Distanzen und Zeiten. Es war dabei völlig gleich, ob Agent