»Ich habe das inzwischen oft genug gemacht«, sagte ich.
»Bei unserer Ankunft in Ägypten läuft das genauso reibungslos?«, fragte er.
Ich nickte. »Der Ablauf ist fast immer und in allen Ländern gleich. Am Rollfeld empfängt uns unsere Kontaktperson von der Polizei und begleitet uns bis zu unserem Zielort am Hafen, natürlich gegen Entgelt. Dort bekommen wir die Waffen.«
Ich versuchte bei unseren Aufträgen, Reisen mit so wenigen Zwischenstopps wie möglich zu planen. Dennoch mussten wir dieses Mal über München nach Kairo fliegen. Kairo war gerade eine nicht eben beliebte Reisedestination, weshalb es kaum Flüge gab.
Obwohl meine Lider immer schwerer wurden, erklärte ich Karl in der Maschine von Wien nach München noch einmal genau seine Aufgaben als Waffenoffizier. »Unsere Teams bestehen immer aus vier Personen«, sagte ich. »Es gibt einen Teamleader, einen Waffenoffizier, einen Sanitäter und einen Allrounder, der auch für die Kommunikation zuständig ist. Wir nehmen bauliche Veränderungen am Schiff vor, wenn es uns notwendig erscheint. Wir richten Schutzräume ein, errichten Abwehranlagen und überarbeiten die Navigation. Es ist zu jeder Zeit einer von euch auf der Brücke, das ist wichtig. Ihr überwacht tagsüber das Radar und sucht zusätzlich den Horizont mit dem Fernglas ab. In der Nacht verwendet ihr die Nachtsicht- und Wärmebildgeräte. Außerdem führt ihr Übungen mit der Crew durch. Dabei geht ihr das Verhalten im Brandfall und bei Schiffbruch durch. Deine spezielle Aufgabe ist die Verwaltung der Waffen. Das Öffnen der Waffenkoffer im Ernstfall erfordert zwei Personen, den Kapitän und dich. Die Koffer haben zwei Schlösser. Den einen Schlüssel verwahrt der Kapitän, den anderen du. Du bist dafür verantwortlich, jedem Teammitglied Waffe und Munition auszuhändigen.«
Karl nickte.
»Denk immer daran, den ganzen schriftlichen Kram zu erledigen, egal wie stressig die Situation gerade scheinen mag«, sagte ich. »In der Regel hast du genug Zeit dafür.«
In München nahmen uns wie geplant am Rollfeld Polizisten in Empfang. Als unsere Ausrüstung kam, brachten sie uns direkt zum Gate unseres Anschlussfluges. Als wir in der Maschine nach Kairo Platz genommen hatten wandte ich mich noch einmal an Karl. »Alles klar soweit?«
»Ich kenne mich aus«, sagte er.
Ich rief Ralf an. Das Klima zwischen ihm und mir war nie richtig entspannt gewesen. Es lag wohl an unseren unterschiedlichen Rollen in Lisas Leben. Als sich Lisa von ihm getrennt hatte, hatten Lisa und ich uns schon gekannt. »Ich wollte nur ein letztes Mal fragen, ob alles in Ordnung ist«, sagte ich.
Ralf räusperte sich. »Es gibt eine kleine Änderung«, sagte er. »Euer Kontaktmann nimmt euch nicht gleich am Rollfeld in Empfang, sondern erst im Ausgangsbereich.«
Das hörte sich für mich nicht gut an, doch ich versuchte, vor Karl meine Verwunderung zu verbergen. »Das ist unüblich«, sagte ich. »Kannst du das bitte noch klären?«
Er seufzte. »Geht in Ordnung.«
Ich war beunruhigt, aber die Müdigkeit übermannte mich, noch bevor das Flugzeug startete.
4
Die unsanfte Landung der Maschine weckte mich aus meinem tiefen Schlaf. »Morgen«, sagte Karl. Er lächelte, doch jetzt wirkte er doch etwas angespannt. Ich nickte ihm zu und gähnte. Wir waren in Kairo.
Die Umstände, unter denen ich den Transport unserer Ausrüstung organisieren musste, waren mir im Grunde von Anfang an suspekt gewesen. Doch mir war nichts anderes übrig geblieben. Meine Firma lief gut, sehr gut sogar. Von einer etwas instabilen Lage in einem Land wie Ägypten wollte ich mich da nicht aufhalten lassen.
Wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich mir kaum Sorgen gemacht. Ich konnte gut auf mich aufpassen. Das hatte ich mir in meinem Leben oft genug bewiesen. Bei Einsätzen mit dem Bundesheer in Problemregionen wie dem Kosovo zum Beispiel. Ich war dort einer von 466 Soldaten des österreichischen Bundesheeres gewesen, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit auf Basis der UN-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999 unter anderem Überwachungs- und Sicherungsaufgaben übernommen hatte. Ich konnte auch die Risiken von maritimen Einsätzen inzwischen gut einschätzen. Doch für Karl war es der erste Einsatz dieser Art und ich war verantwortlich für ihn. Deshalb übertrug sich seine jetzt spürbare Unruhe auf mich.
»Es ist alles organisiert und abgesprochen«, sagte ich. »Wir haben alle notwendigen Papiere, unsere Ausrüstung ist ordnungsgemäß verstaut und gesichert und wir haben uns angekündigt. Ich bin in diesen Dingen genau. Deswegen hatte ich noch nie Probleme beim Transit, und glaub mir, ich bin schon durch gefährlichere Länder als Ägypten gereist.«
Das schien Karl zumindest ein wenig zu beruhigen.
Das Flugzeug kam zum Stillstand. Wir hatten unsere Parkposition erreicht. Ich sah auf die Uhr. Wir waren im Plan. Es war gegen 16 Uhr und wir hatten genug Zeit für den Transit.
Wir verließen das Flugzeug als letzte. Ralf war es offenbar nicht gelungen, unsere Abholung noch wie üblich für das Rollfeld zu organisieren. Weder Polizeioffizier Mohamed Diab noch seine Leute waren da. Damit hatte ich auch nicht mehr gerechnet. Also fuhren wir mit den wenigen anderen Passagieren im Bus zum Flughafengebäude.
Die internationale Ankunftszone war wie ausgestorben. Im gesamten Ankunftsbereich befanden sich höchstens dreißig Menschen. »Ägyptenurlaub ist wohl derzeit kein Kassenschlager«, sagte Karl.
Ich deutete zur Verkaufsstelle für Visa. Der Mann hinter dem Schalter sah müde aus. Alle in der Ankunftshalle wirkten müde, als hätte ganz Ägypten es aufgegeben, für ankommende Reisende eine schöne Fassade zu schaffen. Wir kauften unsere Visa, ohne dass der Mann ein einziges Wort verlor. Hinterher lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete uns.
Wir sahen uns um. Weit und breit keine Spur von unserer Kontaktperson. »Warten wir. Wir haben Zeit«, sagte ich zu Karl. Ich hoffte, dass gleich eine Nebentür der Halle aufgehen würde und wir weiter konnten.
Wir gingen in der internationalen Zone auf und ab, doch niemand kam auf uns zu. Ich rief Ralf an, kam aber nicht durch. Seine Nummer war ständig besetzt. Ein einzelner Beamter lehnte mit verschränkten Armen an einer Säule und starrte in die Luft. Er trug eine vergilbte weiße Uniform. Vermutlich war er von der Flughafenpolizei. Auch er beobachtete uns nur gelangweilt.
Fünfzig Minuten vergingen. Obwohl ich unsere Reise mit diversen Puffern geplant hatte, hatten wir nicht den ganzen Tag Zeit. Unser Kunde am Port Suez sollte schließlich nicht auf uns warten müssen. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit waren ein wesentlicher Teil von Edwards und meiner Geschäftsphilosophie.
Karl wollte Wasser kaufen, doch ich hielt ihn zurück. »Wir fragen den Mann da«, sagte ich. »Er macht zwar nicht den Eindruck, aber vielleicht kennt er sich aus.« Ich deutete auf den Uniformierten, der noch immer an seiner Säule lehnte.
»Excuse me, we are waiting for someone from the police, can you help me?«, sagte ich.
Er sah mich verwirrt an. »No english.« Er schüttelte den Kopf.
Mit Händen und Füßen machte ich ihm klar, dass wir auf einen Polizisten warteten, um unseren Transit abzuschließen. Als er verstand, wich endlich die Langeweile aus seinem Gesicht. Er riss die Augen auf. Aufgeregt redete er in arabischer Sprache auf uns ein und deutete uns, ihm zu folgen. Ich war erleichtert. Endlich kam Bewegung in die Sache.
»Also war er doch der Typ«, sagte Karl.
»Mal sehen.«
Wir folgten dem Beamten zu einer unscheinbaren Tür. Er sperrte auf und bat uns hinein. Der Anblick, der sich uns darin bot, vertrieb meine neugewonnene Zuversicht augenblicklich. Das Büro war klein. Es maß wohl nicht mehr als zehn Quadratmeter. Darin waren fünf Männer, alle in zivil gekleidet. Sie hantierten mit allerlei Gerätschaften herum. Mit unseren Gerätschaften.
In der Mitte des Raumes stand ein wackeliger Tisch. Darauf ausgebreitet lag unser gesamtes Gepäck. Unsere Taschen waren zerfetzt