Im Jahre 1559 kehrte ich wieder nach Pavia zurück, und hier trat bald darauf das unselige Verhängnis ein, das meinem Sohne Giovanni Battista das Leben kosten sollte. Mein Aufenthalt währte gleichwohl fast bis ins Jahr 1562. Dann folgte ich einem Ruf nach Bologna und setzte dort meine Lehrtätigkeit fort bis ins Jahr 1570. Am 6. Oktober dieses Jahres bin ich eingekerkert worden; man behandelte mich dabei in allem, abgesehen vom Verlust meiner Freiheit, durchaus milde. Am 22. Dezember 1570, am gleichen Wochentag und zur gleichen Tagesstunde, als ich eingekerkert worden war, ließ man mich frei, an einem Freitag, in der abendlichen Dämmerung. Ich bezog wieder mein Haus, wurde aber dort zunächst unter Hausarrest gehalten. Sodass ich, da die Kerkerhaft 77 und der Hausarrest 86 Tage währte, im ganzen 163 Tage in Haft war. Ich blieb noch das Jahr 1571, bis in die letzten Tage des Septembers, in Bologna und habe dort mein 70. Lebensjahr beendet. Dann zog ich nach Rom und kam dort an am 6. Oktober, eben als man den Sieg gegen die Türken46 feierte.
Und heute ist seit meinem Einzug in Rom das vierte, seit meiner Verhaftung das fünfte Jahr verstrichen. Ich lebe seither hier als Privatmann; doch hat mich am 13. September dieses Jahres das Kollegium der römischen Ärzte in seine Reihen aufgenommen, und der Papst47 zahlt mir eine Pension.
FÜNFTES KAPITEL
Gestalt und Aussehen
Meine Gestalt ist mittelgroß. Meine Füße sind klein, vorn an den Zehen breit und haben einen etwas hochgewölbten Rücken, sodass ich nur mit Mühe passende Schuhe finde und gezwungen bin, mir solche eigens herstellen zu lassen. Meine Brust ist etwas eng. Die Arme sind viel zu dünn, die rechte Hand zu plump und ihre Finger unförmig, woraus die Handwahrsager wohl schließen möchten, dass ich dumm und roh sei. Sie mögen sich dieser ihrer Wissenschaft schämen. In der rechten Hand ist die Lebenslinie48 kurz, die sogenannte Saturninische49 lang und tief. Die linke Hand ist schön, hat längliche, schlanke und wohlgefügte Finger. Meine Nägel sind glänzend. Mein Hals ist etwas zu lang und zu dünn, das Kinn geteilt, die Unterlippe schwülstig und herabhängend. Meine Augen sind klein und fast wie blinzelnd zugedrückt, außer wenn ich einen Gegenstand schärfer beobachte. Auf dem linken Augenlid habe ich ein linsenförmiges Mal, so klein, dass es nicht leicht zu sehen ist. Die Stirn ist breit und an den Seiten, wo die Schläfen anstoßen, von Haaren frei. Haupt- und Barthaare waren früher blond. Den Kopf pflege ich kurz geschoren und den Bart gestutzt zu tragen. Der Letztere ist zweigeteilt wie das Kinn. Unterhalb des Kinns wachsen viel reichlichere und längere Haare, sodass ich dort einen stärkeren Bart tragen könnte. Mit dem Alter hat der Bart die Farbe gewechselt, das Haupthaar nur wenig. Meine Sprechweise ist etwas laut, sodass ich mitunter darob von Leuten getadelt wurde, die sich gern als meine Freunde ausgaben; die Stimme selbst ist rau und stark und wurde gleichwohl in meinen Vorlesungen schon in einiger Entfernung nicht mehr verstanden. Meine Redeweise ist nicht gerade angenehm und viel zu umständlich; mein Blick fest und starr wie der eines Nachdenkenden. Die oberen Vorderzähne sind groß. Meine Hautfarbe ist ein ins Rötliche spielendes Weiß; mein Gesicht länglich, freilich nicht übertrieben. Der Schädel läuft nach hinten stark verengend und in einer Art kleiner Kugelform aus.
So ist also nichts Besonderes an mir. Und die Maler, deren mehrere aus fremden Gegenden gekommen sind, um mich zu porträtieren, konnten nichts Charakteristisches an mir finden, woran ich im Porträt leicht hätte erkannt werden können. Unten an der Kehle habe ich eine – nicht sehr gut sichtbare – harte, kugelförmige Geschwulst; sie ist von der Mutter vererbt und angeboren.
SECHSTES KAPITEL
Von meiner Gesundheit
Ich hatte viel unter körperlichen Schwächezuständen zu leiden, und zwar handelte es sich dabei sowohl um natürliche Erkrankung als um Unfälle äußerer Art und um bloße krankheitssymptomatische Erscheinungen. Von Natur litt mein Kopf an Katarrhen, die sich bald auf den Magen, bald auf die Brust legten, sodass ich mich immer dann am gesündesten fühle, wenn ich an Husten und Heiserkeit leide. Denn legte sich der Katarrh auf den Magen, so waren Durchfall und Appetitlosigkeit die Folge. Mehr als einmal glaubte ich, Gift zu haben, aber jedesmal kehrte bald und wider alles Erwarten die Gesundheit wieder. Auch die Zähne litten unter diesen Katarrhen, und ich habe auf diese Weise vom Jahre 1563 an rasch hintereinander viele verloren, während mir bis dahin nur einer oder zwei gefehlt hatten. Jetzt habe ich noch 14 gesunde und einen kranken; aber der kann noch lange halten, glaube ich, denn ärztliche Sorge hat viel geholfen. Auch an überladenem und schwachem Magen litt ich viel; und von meinem 72. Lebensjahre an habe ich sofort, wenn ich etwas zu viel oder zu hastig aß oder trank, oder wenn ich etwas meinem Magen wenig Bekömmliches zu mir nahm, Schmerzen gefühlt. Ein Mittel dagegen habe ich im zweiten Teil meines Werkes De tuenda sanitate mitgeteilt. In meiner Jugend hatte ich viel mit Herzklopfen zu tun; es war dies ein Familienerbstück, aber die ärztliche Kunst hat mich ganz davon befreit. Desgleichen litt ich auch an Hämorrhoiden und Podagra, bin aber von diesem Letzteren so gründlich geheilt worden, dass ich oft hätte wünschen mögen, nicht gerade diese Krankheit wiederzubekommen, wohl aber, wenn sie käme, sie wieder vertreiben zu dürfen. Einen Darmbruch, woran ich litt, hatte ich anfangs ganz unbeachtet gelassen; später, von meinem 62. Lebensjahre an, reute es mich, ihn nicht genügend behandelt zu haben, vor allem, als ich merkte, dass er mir vom Vater vererbt war. Dabei ist mir Folgendes ganz Sonderbare begegnet: der Bruch war auf beiden Seiten eingetreten; auf der linken nun, wo ich ihn durchaus vernachlässigte,