Das Schweizer Bildungssystem ist zweifellos ein Exportschlager. Es gibt weltweit 17 Schweizerschulen im Ausland, in denen längst nicht mehr nur die Kinder von Auslandschweizerinnen und -schweizern unterrichtet werden. Das Ausland interessiert sich für das Schweizer Berufsbildungsmodell, viele Projekte der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit sind Belege dafür. Die anhaltend geringe Jugendarbeitslosigkeit wird zu einem großen Teil der dualen Berufsbildung zugeschrieben. Und auch bei der aktuellen PISA-Studie schneiden die Schweizer 15-Jährigen größtenteils gut ab. In der Mathematik belegt die Schweiz einen Spitzenplatz, und in den Naturwissenschaften ist sie signifikant besser als der OECD-Durchschnitt.
Aber ist das Schweizer Bildungssystem so gut, wie es sein könnte? Die Tatsache, dass bis zu 25 Prozent der Lehrverträge aufgelöst werden und dass laut der Stiftung für Alphabetisierung und Grundbildung Schweiz (SAGS) rund 800 000 Personen einen einfachen Text nicht verstehen, obwohl sie die obligatorischen Schuljahre absolviert haben, lässt aufhorchen. Muss deswegen aber gleich von einer Bildungskrise gesprochen werden? Viele selbsternannte Schulreformer behaupten genau das in ihren Populärpublikationen, vereinfachen aber auch nur komplexe Bildungsthemen und kommen über simple Weisheiten und Worthülsen nicht hinaus.
Unbestritten müssen sich Bildungsinstitutionen heute vielen Herausforderungen stellen: Arbeit 4.0, Fachkräftemangel, Digitalisierung, Chancengleichheit und Selektion, Wandel der Berufe – um nur einige zu nennen. Wie gelingt Bildung und mit welchen Kompetenzen werden Lernende und Studierende fit für das 21. Jahrhundert gemacht?
Die National Education Association, die größte amerikanische Gewerkschaft, der Lehrerinnen und Lehrer aller Schulstufen angehören, befragte vor einigen Jahren Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Feldern, was aus ihrer Sicht im 21. Jahrhundert die zentralen «Skills» im Bildungsbereich sein werden. Vier spezifische Kompetenzen werden künftig im Zentrum stehen, so die nahezu einhellige Meinung der Befragten. Die vier Kompetenzen wurden schnell bekannt als «Four Cs», die 4K: Kooperation, Kommunikation, Kreativität und Innovation sowie kritisches Denken und Problemlösen. Die 4K sind ein Kondensat aus einem ganzen Bündel wichtiger Kompetenzen und ein Rüstzeug für unsere (Arbeits-)Welt. Für Lernende aller Schulstufen bleiben namentlich Sprachen, Literatur, Künste, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und andere Fächer selbstverständlich weiterhin bedeutsam. Bildungsinstitutionen sollen Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen vermitteln, die die Grundlagen für eine moderne Gesellschaft darstellen und mündige Persönlichkeiten hervorbringen.
Das vorliegende Buch zeigt auf, warum mit den 4K ein Bildungsschritt in die Zukunft gelingt. Nach einer Zeitdiagnose in Teil I, in dem wir gesellschaftliche Strukturen und Prozesse herausarbeiten, beschäftigen wir uns in Teil II mit Bildung und Arbeit im 21. Jahrhundert und deren Folgen. Teil III bildet das Kernstück des Buches. Darin stellen wir das 4K-Modell vor, einen an der Pädagogischen Hochschule Zürich entwickelten Studiengang, der angehenden Lehrerinnen und Lehrern an Berufsfachschulen eine fundierte didaktisch-pädagogische Ausbildung bietet. In diesem Studiengang wird nach den geschilderten 4K gelehrt und gelernt. Konkret heißt dies unter anderem: Studierende der Ausbildungsgänge «Berufskundlicher Unterricht» und «Allgemeinbildender Unterricht» werden gemeinsam ausgebildet. Im letzten Teil des Buches wagen wir einen Ausblick und zeigen Konsequenzen auf, die sich aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel und den 4K für die Berufsbildung ergeben.
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