europäischen Sozialdemokratie ist eine solche Bravheit ins Gesicht geschrieben. Das Rot, das früher mit ihr identifiziert wurde und das aus guten Gründen ihr nicht mehr zugeschrieben wird (auch wenn gelegentlich rote Fahnen und rote Nelken oder auch rote Rosen Parteiveranstaltungen schmücken) – dieser mit Rot identifizierte Revolutionsaufruf ist mit dem Marxismus-Leninismus an der Kremlmauer begraben. Und das ist gut so. Für die Sozialdemokratie ist dieses Rot im politischen Alltag den verschiedenen Grautönen gewichen. Nun ist grau zwar die Farbe der Aufklärung und der Vernunft. Es ist die Absage an die Irrwege totalitärer Utopismen wie auch an das nihilistische Zudecken inhaltlicher Leere durch buntes PR-Gefasel, ob orange oder türkis oder sonst wie eingefärbt. Aber grau – das mobilisiert nicht. Grau, das ist Vernunft, und die ist leise, wie schon Sigmund Freud festgestellt hat; Freud, der, wenn er im Wien der Jahre vor seiner Vertreibung gewählt hat, sich wohl für die Sozialdemokratie entschieden hätte – für wen sonst, doch nicht etwa für die antisemitischen Christlichsozialen?