Der fremde Gott. Hans-Joachim Höhn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Joachim Höhn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429061074
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woran entsprechende Zeugnisse heute noch erinnern. Einer Gott los gewordenen Zeit setzt sie trotzig oder besserwisserisch, auf jeden Fall aber vollmundig die Überzeugungen einer besseren alten Zeit entgegen. Eine solche Theologie hat Gott in Wahrheit längst hinter sich. Religiöse Gewissheiten, die ihre Behauptungen stärken könnten, besorgt sie sich im Copyshop der Kirchengeschichte. Für alle, die in der Gegenwart nichts mehr von Gottes Nähe spüren, hat sie nur Vorwürfe übrig: Wäre ihr Glaube stärker, ihre Hoffnung unerschütterlicher und ihre Liebe inbrünstiger gewesen, dann stünde es jetzt besser um sie. Dass die Anfechtung des Gottesverlustes umso heftiger erlebt wird, je stärker Glaube, Hoffnung und Liebe ausgeprägt waren,41 will eine solche Theologie nicht wahrhaben. Ebenso wenig kommt ihr in den Sinn, dass die Erschließung der Wirklichkeit Gottes mit der Enteignung überkommener Gottesschablonen beginnen kann.42 Und dass die Erfahrung des Gottesentzuges selbst eine religiöse Erfahrung sein kann43 ist für sie erst recht unvorstellbar.

      Die religionskritischen Plausibilitäten der Moderne eröffnen aber auch – wie im Folgenden zu zeigen ist – durchaus die Möglichkeit einer zeit- und adressatengemäßen Rede von Gott. Diese bedingt allerdings die Aufgabe bisheriger Prämissen christlicher Gottesrede, von denen man annahm, dass sie die Plausibilität dieser Rede verbürgen. Vor allem gilt dies für die Prämisse der Notwendigkeit Gottes zur Erklärung innerweltlicher Abläufe und Sachverhalte (inklusive der religiösen Angelegenheiten des modernen Menschen). Diese Prämisse hat die Moderne als überflüssig erwiesen mit der Konsequenz, dass Gott im Horizont der Welt nicht mehr nötig ist, ins Beliebige abgedrängt und überflüssig geworden ist. Ein überflüssiger Gott ist kein wirklicher Gott mehr – ihm fehlt ja das Prädikat der Notwendigkeit.

      Wie schwer der Verlust dieses Prädikates wiegt, bezeugt die prominenteste „Vermisstenanzeige“, die von Seiten der Philosophie formuliert wurde. „Wohin ist Gott?“ lässt Fr. NIETZSCHE seinen „tollen Menschen“ fragen44 und bringt damit zum Ausdruck, dass Gott nicht mehr dort ist, wo er als Gott hingehört – nämlich „ganz oben“, um von dort aus erst die Unterscheidung von „oben“ und „unten“ und eine Hierarchie aller Werte zu ermöglichen: als oberster Gesetzgeber oder als höchstes Gut. Wo die Moderne aber an ein Höchstes und Oberstes, an ein Erstes und Grundlegendes stößt, entdeckt sie nichts mehr, was sie „Gott“ nennen könnte oder müsste. Übrig bleibt nur die vage Aussicht, dass es einen anderen ihm gemäßen Platz geben könnte. Lässt sich eine „andere“ Notwendigkeit denken, von der her sich sein Gottsein bestimmt? Da dies offenkundig nicht der Fall ist, kann nur noch auf höchst unbestimmte Weise nach Gott gefragt werden. Dieses Fragen verliert aber jeden konkreten Anhalt und wird selbst etwas Vages. Denn es ist kein Kontext, kein Ort, keine Funktion mehr erkennbar, womit man das Erfragte in Beziehung setzen könnte. Man kann auch nicht mehr sagen, Gott sei abwesend. Ein Abwesender hält sich ja woanders auf und ist durch dieses „Woanders“ bestimmbar. Was aber bestimmungslos und unbestimmbar geworden ist, hat auch kein „Woanders“ mehr. Gott wird ein „nichts“ und „niemand“. Es ist dann nur konsequent, die Suche nach ihm abzubrechen und den lange Zeit Vermissten für tot erklären zu lassen.45

      Wenn Gott alle Bestimmungen verliert, die ihn als Gott identifizierbar machen, ist er nicht mehr unterscheidbar von einem „Gott“, der nicht (Gott) ist. Letztlich wird er sogar vom Nichts ununterscheidbar – es ist gleichfalls völlig unbestimmt und unbestimmbar (ebendies macht ja seine „Nichtigkeit“ aus). Wenn Gott nicht mehr vom Verdacht der Nichtigkeit entlastet werden kann, wird jede affirmative Rede von Gott problematisch. Als unproblematisch galt dieses Sprechen so lange, wie es von Gottes Notwendigkeit für die Bewältigung innerweltlicher Sachverhalte als von einer als evident erachteten Prämisse ausgehen konnte, die Gott bestimmbar machte. Von dieser Notwendigkeit her ließen sich Aussagen darüber treffen, „wie“ Gott sei: Die Kontingenz der Welt erwies ihn als „allmächtig“; als Bürge menschlicher Wahrheitssuche musste er „allwissend“ sein; dass das menschliche Streben nach dem Guten nicht ins Leere lief, verdankte es seiner „Allgüte“. Genau diese Voraussetzung hebt die Moderne auf und erweist sie als nicht-notwendig.

      Mehr noch: Für die autonome Vernunft ist dies sogar eine falsche Prämisse. Für das Projekt, die Rede von Gott denkerisch, d. h. mit den Mitteln der autonomen Vernunft, zu verantworten, gilt dies aber auch. Daher steht die Theologie nunmehr vor der Herausforderung, in dieser falschen Voraussetzung vernünftigen Denkens auch eine falsche Prämisse theologischen Denkens zu erkennen. Entfällt die Möglichkeit, von Gott sagen zu können, wofür er notwendig sei, gibt es für eine affirmative Gottesrede keinen unmittelbaren Anlass und Ansatz mehr.

      Es wäre jedoch ein Kurzschluss, damit das Ende jeglichen theologischen Denkens gekommen zu sehen. Wenn das Wahrheitsmoment der Rede vom „Tod Gottes“ in der Beseitigung einer falschen Prämisse besteht, dann ergibt sich für jede weitere Rede von Gott die Notwendigkeit, unter Absehung der Vorstellung von Gottes Notwendigkeit für Aufgaben, die sich in der Welt dem Menschen stellen, von der Wirklichkeit Gottes zu reden. Es entfällt dann auch die Konsequenz, dass jedes Reden von Gott notwendigerweise affirmativ sein muss.

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