Freiheit als Hingabe an Gott. Maciej Malyga. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Maciej Malyga
Издательство: Bookwire
Серия: Bonner dogmatische Studien
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429060961
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21. November 1942): I, 289. An der Schwelle einer neuen Epoche wird das Denken Delps auch von Thomas Merton erörtert, der im Oktober 1962 in der Einleitung zur englischsprächigen Ausgabe der Gefängnisschriften schreibt: „Fr. Delp reminds us that somewhere in the last fifty years we have crossed a mysterious limit set by Providence and have entered a new era … there has been a violent disruption of society and a radical overthrow of that modern world which goes back to Charlemagne”, siehe MERTON, Introduction: xxi–xxii.

      17 Vgl. PIEPMEIER, Die Moderne: 54–62.

      18 Bleistein erwähnt als die vier Hauptthemen Delps: der zwischen Transzendenz und Immanenz lebende Mensch; die Welt der sozialen Gerechtigkeit, in der der Mensch als Person leben könne; der Mensch gewordene Gott Jesus Christus; die Kirche als Sakrament. Siehe BLEISTEIN, Geschichte eines Zeugen: 430–433.

      19 Vgl. DELP, Epiphanie (Gefängnismeditation, Januar 1945): IV,216.

      20 Vgl. ebd.: 217.

      21 Thomas Merton bezeichnet die Gefängnisreflexionen Delps als mystisch und betont zugleich ihre Verbundenheit mit der alltäglichen Existenz des Menschen: „Fr. Delp was at the same time profoundly mystical and wide open to the broadest ideals of Christian humanism. It was by the gift of mystical intuition that he not only found himself in God but also situated himself perfectly in God’s order and man’s society”, siehe MERTON, Introduction: xxxviii, vgl. auch xli.

      22 Vgl. ders., Das Schicksal der Kirchen (Gefängnisreflexion, 1944/45): IV,318.

      23 Vgl. NEUFELD, Einleitung zu den Texten: 15.

      24 DELP, Der Krieg als geistige Leistung (in: Stimmen der Zeit, 1940): II,239–248.

      25 Vgl. NEUFELD, Einleitung zu den Texten: 11,20,33.

      26 Vgl. DELP, Gestalten der Weihnacht (Gefängnismeditation, Dezember 1944): IV,213.

      27 Im Folgenden SZ mit Angabe der Seitenzahl.

      28 DELP, Tragische Existenz: II,39–147.

      29 Ders., Der Mensch und die Geschichte (1943): II,349–429.

      30 Ders., Im Angesicht des Todes (1947), Zur Erde entschlossen (1949), Der mächtige Gott (1949).

      31 Vgl. ders., Dritter Adventssonntag (Gefängnismeditation, Dezember 1944): IV,161–176.

      32 Vgl. SCHAEFFLER, Heidegger und die katholische Theologie: besonders 48–54.

      33 Vgl. BLEISTEIN, Begegnung mit Delp. Siehe auch die persönlichen Erinnerungen von Delps Freund, MATZKER, Begegnung und Erfahrung mit Alfred Delp.

      34 Siehe BLEISTEIN (Hg.), Dossier Kreisauer Kreis (1987), ders., Die Jesuiten im Kreisauer Kreis. Ihre Bedeutung für den Gesamtwiderstand gegen den Nationalsozialismus (1990), FUCHS (Hg.), Glaube als Widerstandskraft (1986), NEUFELD, Katholik und Widerstand (1985). Siehe auch MERTON, Introduction: xxi–xlii.

      35 Vgl. LÜCK, Alfred Delp (1984), SALTIN, Durchkreuztes Leben (2004), HAUB/SCHREIBER, Held gegen Hitler (2005), FELDMANN, Leben gegen den Strom (2006), ENDRAß, Gemeinsam gegen Hitler (2007), SCHULTE (Hg.), Delp. Programm und Leitbild für heute (2007), HAUB, Beten und Glauben (2007), LEHMANN/KISSENER, Das letzte Wort haben die Zeugen (2007). Im Auftrag der Alfred-Delp-Gesellschaft von Mannheim wird seit 2007 von R. ALBERT, R. HARTUNG und G. SALTIN ein Alfred-Delp-Jahrbuch herausgegeben, das die Erforschung des Lebens und des Denkens des Jesuiten zu fördern und sein Werk in dessen aktueller Relevanz zu erschließen versucht.

      36 Vgl. SALTIN, Biographische Ergänzungen und Forschungsdesiderata: 114.

      I. Die „Zwangsjacke“ der Geschichte und das Kreuz der Freiheit – der Lebenslauf Alfred Delps

      Das Freiheitsverständnis Alfred Delps wurde so stark durch die Erfahrungen seines Lebens geprägt, dass es gerechtfertigt und sogar notwendig ist, seine Biographie in den für sein Denken entscheidenden Zusammenhängen darzustellen.1 Wenn er über die Geschichte schreibt, dass sie gleichsam zu einer „Zwangsjacke“ werde, so dass der Mensch sich um der eigenen Freiheit willen an das Kreuz nageln lassen müsse,2 dann spiegelt sich darin vor allem auch der Weg seines eigenen Lebens wider. Diese über das bloße biografische Nacherzählen weit hinausgehende Perspektive wird dadurch möglich, dass Alfred Delps Lebenslauf – etwa in der bereits erwähnten, von Roman Bleistein verfassten Biographie – gründlich dokumentiert ist.

      Die folgende Skizze des Delp’schen Lebenslaufes konzentriert sich deshalb, ohne auf die Darstellung der wichtigsten biografischen Fakten zu verzichten, auf seinen Denkweg durch die Philosophie, die Theologie und die im Allgemeinen für unser Verständnis des Jesuiten relevanten Entwürfe. Sie zeigt bestimmte Lebensereignisse als Anhaltspunkte für seine Freiheitsreflexion und versucht vor allem seinen Denkprozess nachzuzeichnen. Aus diesem Grund lassen sich die einzelnen Etappen nicht immer scharf voneinander abgrenzen. Die Quelle der Darstellung ist uns vor allem Delp selbst. Wir erkennen dabei eine gewisse Steigerung in der „Denkbiographie“ Delps: Der Takt seines Werkes schlägt anfänglich langsamer, er steigert sich allmählich, bis er in den letzten Tagen seines kurzen Lebens das rechte Tempo gefunden zu haben scheint.

      Alfred Delp wurde am 15. September 1907 in Mannheim geboren. Am 11. März desselben Jahres wurde Helmuth James von Moltke geboren, der später sowohl innerhalb des Kreisauer Kreises als auch vor Gericht Delps Schicksalsgefährte sein wird.3 Der spätere Präsident des höchsten Gerichtshofes des Dritten Reiches und zukünftige Scharfrichter der beiden Genannten, Roland Freisler, besuchte damals als 14-jähriger Schüler das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Aachen.4 Der 18-jährige Freiburger Gymnasiast Martin Heidegger, der spätere Gesprächspartner und Bezugspunkt Delps, bekam in diesem Jahr von einem befreundeten Priester, dem späteren Freiburger Erzbischof Conrad Gröber, Franz Brentanos Dissertation Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, deren Frage nach dem Sein zum Anlass für das zwei Jahrzehnte später verfasste Werk Sein und Zeit wurde.5 Die Wege dieser Menschen haben sich später verflochten. Sie alle haben somit irgendeinen Anteil an der Entstehung der Delp’schen Freiheitsreflexion.

      Die Mutter von Alfred Delp, Maria Bernauer, Köchin von Beruf, war katholisch; sein Vater, Johann Adam Friedrich Delp, von Beruf Kaufmann, war dagegen protestantisch. Diese konfessionelle Familiensituation spiegelt sich in Alfred Delps Leben wider, insofern er zwar katholisch getauft wurde, ab 1915 aber eine evangelische Volksschule in Lampertheim besuchte – dahin war seine Familie ein Jahr vorher umgezogen. Zur Kommunion und zur Firmung ging er 1921 wiederum in der Katholischen Kirche. In der Zeit seiner Gymnasialausbildung in Dieburg engagierte er sich innerhalb der christlichen Jugendbewegung „Neudeutschland“.

      Einen entscheidenden Schritt seines Lebens bildete im April 1926 der Eintritt in das Noviziat der Gesellschaft Jesu im österreichischen Tisis bei Feldkirch/Vorarlberg. Nach den ersten Gelübden im Jahre 1928 begann er in Pullach bei München sein Philosophiestudium, das er 1931 mit dem Examen „de universa philosophia“ beendete. Aufgrund jenes Examens wurde ihm 1939 der kirchliche Titel eines Doktors der Philosophie verliehen. In jene Periode fällt nun auch seine Auseinandersetzung mit Martin Heideggers Sein und Zeit, die letztendlich 1935 in die Schrift Tragische Existenz einging. 1934-1936 studierte er Theologie zunächst im holländischen Valkenburg, dann in Frankfurt/Sankt Georgen. Am 24. Juni 1937 empfing er durch den Münchner Kardinal Michael von Faulhaber die Priesterweihe. Seine lange Ausbildung endete mit den Examina „de universa philosophia et theologia“ (Theologisches Lizenziat), die er am 8. Juli 1938 ablegte. Eine weitere Ausbildung, die Delp 1939 an der Universität München beginnen wollte, verweigerten ihm die Nationalsozialisten.