Nachdem der angehende Golfer den ersten Ball zum Fliegen gebracht hat, ist es oft nicht mehr weit zur Golf-Sucht. Der Golfer erkundigt sich schnell nach Schnupperkurs, Mitgliedschaft und Handicap. Bald sitzt er nach seiner Golfrunde im Auto und rechnet ein subjektiv mögliches Ergebnis, wenn er die tatsächlich zwölf komplett vermurksten Schläge, die er eigentlich im Schlaf kann, nicht gemacht hätte und ist zuhause tatsächlich der Meinung, er habe heute eine 82 gespielt. Golf ist toll, fesselt uns und trübt unsere Sinne. Vielleicht erkennst ja auch Du Dich in der einen oder anderen Situation, die es Tag für Tag auf und um Golfplätze herum gibt.
Golf-Träume
Ich bin sicher, dass jeder Golfer träumt. Der eine träumt von der Platzreife, der andere von der ersten Runde unter Par. Der nächste von einer Runde auf dem Old Course in St. Andrews oder der Mitgliedschaft der PGA Senior-Tour, um mit Mitte 50 doch noch sein Hobby zum Beruf zu machen. Vor lauter Träumen vergessen die meisten Golfer jedoch, um was es bei Golf eigentlich geht und bleiben deutlich unter ihren Möglichkeiten. Doch im Grunde ist es toll, dass die Schotten ein Spiel erfunden haben, das alle träumen lässt und kurzfristig auch in eine andere Welt entführt.
Ein guter Schlag genügt
Sehr viele Golfer sind vom Tennis zum Golf gewechselt und jagen nun der kleinen weißen Kugel über die Fairways dieser Welt nach. Daher können diese den folgenden Vergleich sehr gut nachvollziehen und verstehen und erkennen den großen Unterschied zwischen diesen beiden Sportarten. Geh auf den Tennisplatz und mach 100 Aufschläge. Davon gehen 99 ins Netz oder ins Aus. Nur einer landet im Feld. Dann sitzt Du im Auto und schwörst Dir: „Nie wieder“, was eine durchaus realistische und nachvollziehbare Reaktion ist. Schlag dagegen 100 Bälle auf der Driving Range, von denen 99 nicht den Boden verlassen und nur der eine diese wunderschöne Kurve zum 100-Meter-Schild macht. Dann sitzt Du danach nicht nur völlig glücklich im Auto und sagst „geil, morgen wieder“, sondern Du erzählst von diesem Schlag allen. Auch denen, die es gar nicht verstehen oder hören wollen.
Das kann ich auch
Und schon sind wir wieder beim Thema Träumen, denn der Golfer hat oft keinerlei Bezug zur Realität. Schau Dir im Clubhaus mit anderen Mitgliedern eine Golfübertragung an. Du kannst sicher sein, wenn Phil Mickelson einen 18-Meter-Putt locht, dass dann irgendeiner sagt, dass ihm das gestern auf Loch 7 auch gelungen ist. Ich habe dagegen noch bei keiner Tennisübertragung nach einem Ass von Roger Federer, 220 km/h schnell, jemanden sagen hören, das habe er gestern auf Platz 7 auch geschafft.
Sonst so cool und abgeklärt
In Deutschland geistert immer noch die Aussage durch die Gegend, dass Dein Handicap die Tage widerspiegelt, die Du im Monat arbeitest.
Im Grunde ein lustiger Ansatz, doch vielmehr sind erfolgreiche Golfer meist Menschen, die es im Beruf schaffen, auf sich alleine gestellt, richtige Entscheidungen zu treffen, und Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Faszinierend finde ich auch, dass der Vorstand eines Unternehmens cool und abgeklärt über jede Menge Personal, über zukunftsweisende Strategien und über größte Etats entscheidet. Derselbe Kerl aber bei der Golfrunde mit seinem Kumpel bei einem 38-Zentimeter-Putt, bei dem es bloß um ein Bier geht, auf einmal Druck verspürt. Golf ist der Hammer!
Golf ist mal richtig schwer
Ein guter Schlag genügt, und Du denkst, „jetzt hab ich’s!“. Du rechnest später im Auto aus, wie Deine Runde gelaufen wäre, wenn Du diesen einen Schlag 40 Mal gemacht hättest. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Um Dir einen kurzen Eindruck zu geben, wie kompliziert Golf tatsächlich ist, sei die Information genannt, dass die besten Spieler der Welt auf 18 Löcher nur zwei bis drei Schläge als perfekt getroffen definieren. Selbstverständlich haben Profis einen anderen Anspruch, was für sie „perfekt“ bedeutet. Wir Zuschauer wundern uns teilweise am Bildschirm, dass ein Profi nach dem Schlag enttäuscht abdreht und sein Ball drei Sekunden später vier Meter links von der Fahne landet. Doch er hatte eine andere Idee zu diesem Schlag, seine Erwartung wurde nicht erfüllt und er war unzufrieden. Golf ist sehr sehr schwer und daher ist es im Grunde völlig unrealistisch anzunehmen, dass wir 40 Bälle in Folge „perfekt“ treffen.
Putten kann ich super
Faszinierend ist auch die Tatsache, dass Golfer mit Handicap 42 behaupten: „Aber putten kann ich super“. Können sie nicht, denn sonst hätten sie nicht Handicap 42. Das Stableford-System, das übrigens ein Herr Stableford 1898 aufgrund der endlosen Zählspielrunden mit seiner Gattin erfunden haben soll, macht es allen Golfern möglich, sich als Sieger zu fühlen. Golf ist einfach toll.
Real Happiness …
„… is a 180-m-walk to the green, with the putter in your hands“. Das ultimative Glücksgefühl des Profigolfers muss es wohl sein, 180 Meter vor dem Grün, den Putter vom Caddy in die Hand gedrückt zu bekommen, und diese 180 Meter anschließend mit vollem Genuss zum Grün zu schlendern. Zumindest vermitteln die Champs im Fernsehen dieses Gefühl, lassen das Eisen 4 lässig auf die Tasche fallen, nehmen den Putter aus dem Bag, streifen das Häubchen ab und marschieren, ziemlich arrogant, drauf los. Da wir Amateure keinen taschetragenden Caddy bei uns haben, kommen wir auch nicht in den Genuss dieses Glücksgefühls. Naja, vielleicht treffen wir aber auch selten aus 180 Metern das Grün. Aber alleine der Gedanke daran ist toll!
Ist weniger mehr?
Wie widersprüchlich Golf in sich ist, zeigt uns, dass das eigentlich Schönste an diesem Spiel ist, zu sehen, wie der Ball in einem hohen Bogen zum Ziel fliegt. Unsere Stimmung und unser Glücksgefühl werden aber immer besser, je weniger Schläge wir machen, also je weniger oft wir das sehen und erleben, was uns eigentlich glücklich macht. Macht dies Sinn?
Die Schotten
Bei all der Aufregung um das Thema Golf, dem Spaß, dem Ernst, dem Glück, dem Leid, dem Frust und der Genugtuung, darf man eine Sache jedoch nie vergessen: „Golf haben Menschen erfunden, die behaupten, gute Musik kommt aus dem Dudelsack!“. Dieses Spiel ist anders, muss anders sein und treibt uns jedes Mal zum Wahnsinn, im Positiven wie im Negativen.
„Taiger & Wutz“ ist das Ergebnis meiner Erfahrungen vieler Runden mit Bekannten und Unbekannten und ihrem so ungemein wichtigen Handicap (welches sie auf eine Kommastelle genau kennen!!!), das sie verbessert haben, ohne eine einzige Trainerstunde genommen oder wöchentlich den neuesten Driver gekauft zu haben. Wir waren nicht mal auf dem Platz oder der Driving Range. Unsere Gespräche fanden an der Bar, am Telefon oder sonst wo statt.
Denn um Golf zu verstehen, muss man keinen Schläger in der Hand haben. Golf ist eine der wenigen Sportarten, bei dem der Sportler alleine für alles selbst verantwortlich ist. Kein Ball war zu schnell, kein Gegner zu grob. Die Hindernisse auf der Spielbahn, wie Bunker oder Teiche, stehen dort seit vielen Jahren und werden auch morgen noch an derselben Stelle sein. Der einzige, der sie ins Spiel bringen kann, bist Du. Es reduziert sich alles auf Dich allein. Daher macht es Sinn, dass Du verstehst, wie dieses Spiel funktioniert.
Handicap, Ausrüstung und Golflehrer
Bevor wir uns dem eigentlichen Thema von „Taiger & Wutz“ nähern, müssen wir erst einmal ein wenig aufräumen. Aufräumen, was Deine Träume angeht, Dein Bag aufräumen und letztendlich mit Deiner Art zu Trainieren