71 WIJLENS, Bishops, 213 Anm. 6 sowie 221. Vgl. LEDERHILGER, Kirchenrecht, 258f. sowie für die Gegenmeinung z. B. SCHIMA, Meinungsfreiheit, 165 sowie im Folgenden.
72 MÜLLER, Kirchenrecht, 378. Tatsächlich wäre ein „rechtspositivistischer“ Ansatz nur zu konstatieren und zu kritisieren, wenn „die Auffassung vertreten würde, jeder beliebige Inhalt könne Recht sein und was legal sei, sei stets auch legitim“ (BIER, Einführung, 162). Das ist in der Kanonistik jedoch nicht der Fall, denn: „Niemand bestreitet ernsthaft, kirchliches Recht müsse durch übergeordnete rechtliche Maßgaben (göttliches Recht, moralische Wahrheit) legitimiert sein. Gerade wegen der Rückbindung an das göttliche Recht kann die kirchliche Rechtsordnung per definitionem rechtspositivistisch nicht erfasst werden“ (ebd., H. i. O.). Einen solchen Positivismus, der „das Naturrecht und das positive göttliche Recht sowie die lebenswichtige Beziehung eines jeden Rechts zur Gemeinschaft und Sendung der Kirche praktisch vergißt“, hat auch PAPST BENEDIKT XVI., Rota-Ansprache v. 21. Jan. 2012, 8 zurückgewiesen. Eine entsprechende „Auffassung würde eine deutliche Verarmung mit sich bringen“: Werde das Kirchenrecht mit dem System kirchlicher Gesetze identifiziert, „dann bestünde die Kenntnis dessen, was in der Kirche rechtlich ist, im wesentlichen darin zu verstehen, was die Rechtstexte bestimmen.“ Dies aber beraube „die Arbeit des Auslegers der lebenswichtigen Verbindung mit der kirchlichen Wirklichkeit“. „In letzter Zeit“, so der frühere Papst, hätten „einige Denkströmungen vor einer übertriebenen Treue gegenüber den Gesetzen der Kirche […] gewarnt“ und „hermeneutische Wege vorgeschlagen, die einen Ansatz zulassen, der den theologischen Grundlagen und den auch pastoralen Anliegen der Kirchengesetzgebung besser entspricht. Dies hat zu einer Kreativität im rechtlichen Bereich geführt, bei der die einzelne Situation zum entscheidenden Faktor bei der Feststellung der wahren Bedeutung der Rechtsvorschrift im konkreten Fall wird. Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, ‚oikonomia‘ – sehr geschätzt in der östlichen Tradition – sind einige der Begriffe, auf die man bei dieser Auslegungstätigkeit zurückgreift.“ Hierzu stellte Papst Benedikt XVI. klar: Dieser Ansatz überwinde den kritisierten Positivismus nicht, sondern ersetze ihn lediglich durch einen anderen, „in dem die menschliche Auslegungstätigkeit sich zum Protagonisten aufschwingt bei der Bestimmung dessen, was rechtlich ist.“ Es fehle das Bewusstsein für ein objektives Recht, insofern das Recht „Spielball von Überlegungen“ bleibe, „die den Anspruch erheben, theologisch oder pastoral zu sein, am Ende jedoch der Gefahr der Willkür ausgesetzt sind.“ So aber werde die Rechtshermeneutik ausgehöhlt. Letztlich bestehe „kein Interesse daran, die Gesetzesweisung zu verstehen, da sie jeder Lösung dynamisch angepaßt werden kann, auch wenn diese dem Buchstaben des Gesetzes widerspricht“ (ebd.).
73 PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIX.
74 SOBANSKI, Interpretationsregeln, 705. Dabei versteht Sobanski „die die Interpretation betreffenden Weisungen […] als Ausdruck einer bestimmten ekklesiologischen Option […], die in der Literatur als ecclesiologia societatis bezeichnet wird“ (ebd.).
75 Für GEROSA, Gesetzesauslegung, 109 verpflichtet die „Besonderheit des Rechts der Kirche […] dazu, daß der Codex des kanonischen Rechts stets im Licht der Konzilslehren ausgelegt und angewendet wird.“ Vgl. PUZA, Kirchenrecht, 127. Für BORRAS, Auslegung, 314 hat die „konziliare Lehre von der Kirche […] die Funktion eines Proto-Textes, der das Abschließen des kanonischen Textes des Codex verhindert.“ MÜLLER, Codex und Konzil, 479 vertritt die Meinung, die „konziliare Lehre insgesamt“ bilde „den Kontext für die Interpretation der Normen der kirchlichen Gesetzbücher“ (zur Kritik an seiner These vgl. BIER, Diözesanbischofsamt, 81f. Anm. 8). Ähnlich WIJLENS, Verhältnisbestimmung, 337f.; DIES., II. Vatikanum, 8 sowie DIES., Bishops, 221 unter Bezugnahme auf die Arbeiten von L. Örsy (vgl. grundlegend ÖRSY, Theology, bes. 53–58). Für SOBANSKI, Interpretationsregeln, 705 steht fest: „Obwohl die Weisungen des can. 17 ein statisches Interpretationsmodell abbilden, so muß doch mit Rücksicht auf die den Kodex selbst begründenden Motive […] festgestellt werden, daß nur eine dynamische Auslegung zum rechten Verständnis des Kirchenrechts führt.“ Vgl. BAUSENHART, Desiderate, 363, wonach der „für den Codex konstitutive Bezug auf das Konzil […] das Verständnis des CIC als eines autonomen Textcorpus [verbietet], das in seinen Normen allein nach philologischen, grammatischen und logischen Methoden auszulegen wäre. Die in c. 17 CIC niedergelegte Interpretationsregel ist zwar zunächst kanon-immanent formuliert, gibt aber doch auch den Blick frei auf kanon-externe Faktoren wie ‚die Absicht des Gesetzgebers‘, der hinreichend deutlich gemacht hat, dass der CIC/1983 im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verstehen sei.“ Auch DEMEL/MÜLLER, Einführung, 13 haben 2007 stellvertretend für die Autor(inn)en der Festschrift für Peter Krämer betont, „nach wie vor“ sei das II. Vatikanum „der maßgebliche Interpretationsrahmen für das kirchliche Recht.“
76 GEROSA, Gesetzesauslegung, 139.
77 HILBERATH, „Nur der Geist …“, 269. Es sei in ekklesiologischer Hinsicht „unzureichend, den Gesetzgeber zugleich und allein zur absoluten Auslegungsinstanz zu erklären bzw. eine solche hermeneutische Praxis zu etablieren und zu dulden. Weder sollten allein die Kanonisten herausfinden, was der Wille des Gesetzgebers war, noch darf sich dieser allein von hierher inspirieren oder instruieren lassen. Die Dogmatiker sind nicht nur Tagträumer, sondern auch Anwälte und Interpreten wichtiger Konzilstexte […]. […] Die Canones des Codex und ihre Interpretation sind daran auszurichten, was wir im Verbund der Subjekte in der Communio der Kirche als Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils erkennen“ (DERS., CIC, 48). Wer in dieser Weise das Konzil über den Wortlaut des Gesetzes stellt, wird tatsächlich mitunter bedauernd feststellen, konziliare Vorgaben seien im Codex nicht rezipiert. „Genauer“, so BIER, Einführung, 161, „müsste indes formuliert werden: Der Gesetzgeber hat konziliare Vorgaben nicht in der vom jeweiligen Ausleger gewünschten Weise berücksichtigt. Denn dass der Gesetzgeber alle relevanten Vorgaben in der von ihm für sachgerecht angesehenen Weise aufgenommen hat, dafür verbürgt er sich durch den Hinweis, der Codex sei die Übersetzung des Konzils in die Sprache des Rechts“ (H. i. O.).
78 Vgl. MECKEL, Konzil und Codex. Die Arbeit war bis zum 30. Mai 2016 noch nicht publiziert und konnte daher in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt werden.
79 Vgl. DRÖßLER, Bemerkungen, 17; SCHMITZ, Wertungen, 26; GEHR, Qualifikation, 191; BIER, Diözesanbischofsamt, 81. Mit Inkrafttreten des CIC/1983 ist der Legitimationsgrund einer streng konzilskonformen Auslegung, „ein durch die Summe der Konzilsbeschlüsse des II. Vaticanum gegenüber dem CIC/1917 verursachter ‚Verfassungswandel‘, entfallen. […] Selbstverständlich bleiben die Dokumente des II. Vaticanum für die Gesetzesauslegung auch weiterhin relevant, aber nur insofern, als sie nun im Rahmen der gesetzlichen Interpretationsmethoden, z. B. als Entstehungsumstände der Normen des CIC oder als Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen sind“ (DRÖßLER, Bemerkungen, 17f.). Zur Bewertung einer Auslegung im „Geist des Konzils“ vor dem CIC/1983 vgl. SCHULZ, Geist, bes. 459f. sowie GEHR, Qualifikation, bes. 188–192.
80 Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIII sowie dem entsprechend jüngst REES, Papst, 48: Der CIC/1983 sei „das unmittelbare Ergebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils und von dessen Ekklesiologie her bestimmt.“
81 Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIX. Dabei sei „sicher, daß die Forderungen des Konzils, wie die praktischen, dem Dienst der Kirche gegebenen Richtlinien in dem neuen Kodex genaue und gewissenhafte, bisweilen bis in die wörtliche Formulierung gehende Entsprechungen finden“ (DERS., Ansprache v. 3. Feb. 1983, 154).
82 Vgl. DERS., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XII.
83 DERS., Ansprache v. 26. Jan. 1984, 131.
84 Vgl. z. B. DERS., Ansprache v. 21. Nov. 1983, 518; DERS., Ansprache v. 26. Jan. 1984, 131. - Von diesem „letzten Konzilsdokument“ wünschte der Papst: „Gebe also Gott, dass […] was das Haupt anordnet, vom Leib eingehalten wird“ (DERS.,