So wird in einem strategisch ausgerichteten Personalmanagement der arbeitende Mensch mit seinem Verhalten und seiner Arbeitsleistung zum neu gewonnenen strategischen Erfolgsfaktor. Die Mitarbeiter leisten mit dem Einsatz ihrer Leistungspotentiale einen für das Überleben des Unternehmens unverzichtbaren Beitrag. Gemeinsam mit anderen Ressourcen eines Unternehmens wirken sie bei der Erreichung des Unternehmenszieles mit. Den „Humanressourcen“ kommt damit eine Rolle als eigenständiges strategisches Erfolgspotential zu, das Personalmanagement gewinnt eine strategische Ausrichtung. Mit dieser Sichtweise nähern sich einander zwei bis dahin meist getrennt betrachtete Bereiche an: die eher marktorientierte, strategische Unternehmungsplanung und die ressourcenorientierte Personalplanung. Doch wie kann dieses Zusammenspiel von Unternehmensstrategie und Personalstrategie bei genauerer Betrachtung verstanden werden?
1.2.3 Das Zueinander von Unternehmens- und Personalstrategie
Verschiedene Erklärungen für das Zueinander von Unternehmensstrategie und Personalstrategie sind möglich.68 In einer ersten möglichen Konzeption folgt die Personalstrategie der Unternehmensstrategie. Diese Annahme war in der Vergangenheit meist der Normalfall. Gemäß der CHANDLER-These „structure follows strategy”69 wurde der Personaleinsatz, und damit die personelle Struktur einer Unternehmung derivativ der bestehenden Unternehmensstrategie angepasst. Dieses Verständnis birgt jedoch die Gefahr in sich, dass zwar eine Unternehmensstrategie in sich anspruchsvoll und scheinbar Erfolg versprechend entwickelt werden kann, dann aber an Strukturproblemen scheitert, z.B. daran, dass das benötigte Personal nicht beschafft werden kann.
Die zweite mögliche Verbindung sieht vor, dass die Unternehmensstrategie der Personalstrategie folgt. Die Strategie wird an die vorgegebene Struktur angepasst. Hierbei muss zunächst geprüft werden, welche personelle Struktur und Ausstattung einer Unternehmung zur Verfügung steht. Ausgehend von diesen Ressourcen wird dann die (bedeutend realistischere) Unternehmensstrategie abgeleitet.
Beide genannten Konzepte werden schließlich in der Sicht einer interaktiven Strategieentwicklung zusammengebracht. Wie im Bereich der Planung die beiden Verfahren des Top-Down und des Bottom-Up eine Synthese bilden im Gegenstromverfahren, so wird hier eine Integration von Unternehmens- und Personalstrategie angestrebt. In dieser synchronen Betrachtungsweise findet sowohl der Zusammenhang „Struktur folgt der Strategie“ Beachtung als auch der umgekehrte Schluss „Strategie folgt der Struktur“. Personal- und Unternehmensstrategien müssen demnach zu einem integrativen Gesamtsystem vereinigt werden. Es gilt, die verschiedenen Teilstrategien aufeinander abzustimmen, wechselseitige Beeinflussungen zu berücksichtigen und die Gesamtstrategie unter gegenseitiger Kontrolle weiterzuentwickeln. Dieses integrative Verständnis liegt dem Ansatz des Strategischen Human Resource Managements zugrunde.
1.2.4 Funktionen eines Strategischen Personalmanagements
Ein Strategisches Personalmanagement übernimmt in einer Unternehmung eine Reihe als strategisch einzustufende Aufgaben und Funktionen.70
• Ausgleichsfunktion Im Strategischen Human Resource Management wird eine Interessen- und Zielharmonisation angestrebt zwischen ökonomischen und sozialen, sowie zwischen institutionellen und sozialen Ansprüchen. Sowohl unternehmerische Interessen als auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter fließen hierbei in den Interessensausgleich mit ein. Ziel ist eine harmonisierte Zielvorstellung und -planung, in der alle Kräfte für das Überleben des Unternehmens gebündelt werden sollen.
• Akquisitionsfunktion Langfristiges Ziel eines Strategischen Personalmanagements ist der Aufbau eines akquisitorischen Potentials gegenüber potentiellen und aktuellen Mitgliedern. Die Mitgliedschaftsentscheidung soll sowohl bei neuen Mitarbeitern (Bewerbungs- und Eintrittsentscheidungen) als auch bei bereits beschäftigtem Personal (Fluktuationsentscheidungen) positiv beeinflusst werden. Ein Unternehmen soll durch SHRM zu einem attraktiven Arbeitgeber werden, der es schafft, Fachkräfte anzuziehen und Mitarbeiter langfristig an sich zu binden.
• Investitionsfunktion Strategisches Personalmanagement sieht in den Mitarbeitern Strategische Erfolgsfaktoren. Im Sinne des Humanvermögens-Ansatzes sind diese Erfolgspotentiale beständig zu pflegen und weiterzuentwickeln. Durch dauernde Investition (z.B. durch Aus-, Fort- und Weiterbildung) entsteht eine quantitative und qualitative personelle Problemlösungskapazität.
• Aktivierungsfunktion Neben der Investition in die Leistungsfähigkeit spielt auch die Steigerung der Leistungsbereitschaft eine wichtige Rolle im Strategischen Personalmanagement. Die Leistungspotentiale der Mitarbeiter sollen aktiviert und auf die Erreichung strategischer Ziele hin ausgerichtet werden. Hierzu können strategische Anreizsysteme dienen, z.B. Gratifikationssysteme, die sich am Erreichen strategischer Vorgaben und Teilziele orientieren.
• Kultivierungsfunktion Strategisches Personalmanagement möchte seine langfristigen und ganzheitlichen Entscheidungen im Alltag eines Unternehmens manifestiert sehen. Dazu sollen sich gemeinsame kognitive Problemlösungsfähigkeiten, affektive Einstellungen, grundlegende Annahmen, Werte und Normen in einer Unternehmenskultur verdichten. Strategisches Human Resource Management hat so „die nicht einfache und kurzfristig kaum lösbare Aufgabe einer Harmonisation von strategischem Wollen und kulturellem Werden“71. In der Unternehmenskultur sollen Unternehmenskonzept und Leitbild umgesetzt werden. Eine konsequente „Kulturpolitik“ kann hierbei prägend wirken. Von besonderer Bedeutung ist zudem die symbolische Vertretung der im Leitbild verfassten Grundlagen der Unternehmenskultur durch Vorbild und Vorleben seitens des Managements.
• Entlastungsfunktion Strategisches Human Resource Management trägt schließlich im strategischen Sinne zu einer Schwerpunktbildung im Unternehmen bei. Durch gemeinsam akzeptierte strategische Vorgaben und eine (unternehmens-)kulturelle Orientierung wird die Verhaltensvarietät im System Unternehmung reduziert. Es kommt zu einer subjektiven Komplexitätsreduktion, die für alle Beteiligten entlastende Funktion haben kann: Kooperation, Konsensfindung und gemeinsame Zielausrichtung werden gefördert. Zudem kann sich eine Entlastung der Führung einstellen, wenn innerhalb einer strategie- und strukturharmonisierten Unternehmenskultur ziel- und strategiebezogene Rahmenbedingungen gestaltet und im Gegenzug bürokratische Führungsstrukturen abgebaut werden.
In diesen beschriebenen Aufgaben und Funktionen zeigen sich verschiedene strategierelevante Aspekte eines modernen Personalmanagements. Der anschließende Blick auf einen konkreten SHRM-Ansatz soll die bisherigen Gesichtspunkte weiter erläutern und vertiefen.
1.3 Der Ansatz des SHRM nach Walter A. OECHSLER
Nachdem im vorangegangen Kapitel Aspekte zum geschichtlichen Hintergrund und zur strategischen Ausrichtung des Strategischen Human Resource Managements thematisiert wurden, soll nun ein konkreter SHRM-Ansatz vorgestellt werden. Es handelt sich hierbei um das bei Prof. Walter A. OECHSLER zu findende Konzept eines Strategischen Personalmanagements, das zunächst im Überblick dargestellt werden soll. Der Ansatz des SHRM beinhaltet zum einen die integrative Abstimmung der Kernelemente Strategie, Struktur und HRM (vgl. Abb. 1, S. 54), zum anderen den damit aufs engste zu verknüpfende Human-Resource-Kreislauf (vgl. Abb. 2, S. 55).
1.3.1 Integrative Abstimmung der Elemente Strategie, Struktur, HRM
Der Ansatz des Strategischen Human Resource Managements72 von OECHSLER geht zurück auf verschiedene US-amerikanische personalstrategische Konzepte. Zentral sind hierbei vor allem der an der University of Michigan in den 1980er Jahren entwickelte Michigan-Ansatz73 und