Volk Gottes. Georg Bergner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Bergner
Издательство: Bookwire
Серия: Bonner dogmatische Studien
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429063665
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Ordensleute (Kapitel VI)

      B1 – Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche (Kapitel VII)

      A1 – Die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche (Kapitel VIII)

      Die vorgeschlagene Interpretation der Struktur geht von einer großen heilsgeschichtlichen Klammer (im Mysterium des sich offenbarenden Gottes) aus, die aus Kapitel I und VIII besteht. Der ganze davon umfangene Teil schildert die Kirche als Gottesvolk von ihrer Entstehung (LG 9) bis zu ihrer Vollendung (Kapitel VII). Von diesem „Volk Gottes“ als Grundkonstante der Kirche her sind die einzelnen Personengruppen in der Kirche zu beschreiben (Kapitel III, IV und VI).440 Kapitel V wird inhaltlich Kapitel II zugeordnet.

      So sehr der hier vorgelegte Entwurf eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Philips’ darstellt, sind an ihn ebenfalls einige Anfragen zu stellen. Auch in Vitalis Vorschlag ist die Brückenfunktion des Kapitels II nicht abgebildet, wenn auch dieses Mal in die andere Richtung. Mit der Entkoppelung von Kapitel II von Kapitel I wird ersteres zur Grundlage eines mächtigen Hauptteils der Kirchenkonstitution und droht, den Sakramentsbegriff in seiner Bedeutung noch weiter zurückzudrängen. Nach dem vorgelegten Strukturvorschlag steht der Kernbereich der Konstitution (Kapitel II-VII) unter dem Leitwort „Volk Gottes“. Kapitel VIII kann in seiner Sonderstellung die gewünschte Funktion der schließenden Klammer zu Kapitel I allein nicht erfüllen. Im Leseeindruck des Kapitels bleibt nicht die einmal in der Mitte des Kapitels erwähnte Beschreibung der Kirche als „Sakrament“ (LG 59) im Gedächtnis, sondern die finalen Aussagen zum pilgernden Volk Gottes (LG 68 und 69). Kapitel I und VIII bilden keine harmonische Einheit. Damit droht den beiden Kapiteln, auch wegen ihres vornehmlich biblisch-theologischen Charakters, als Zusatz bzw. geistliche Rahmung der Konstitution wahrgenommen zu werden, während das „Eigentliche“ der Kirche in ihrem Hauptteil zu finden ist. Die heilsgeschichtliche Klammer ist zwischen Kapitel I und II und Kapitel VII und VIII gegeben. Beide Teile eröffnen in LG 1 und LG 48 mit der Kennzeichnung der Kirche als „Sakrament des Heiles“ und schließen jeweils in LG 17 und LG 69 mit dem missionarischen Auftrag der Kirche zur Sammlung aller Menschen.441

      Es mag sein, dass es aufgrund der Vielfalt der in einzelnen Kapiteln von „Lumen gentium“ gebotenen Themenfülle sowie die der langen Entstehungsgeschichte, teilweise auch dem Zeitdruck geschuldeten Ecken und Kanten der Konstitution, die eben keinen in allen Belangen konsequent durchgearbeiteten eleganten einheitlichen Bogen schlägt, keine unanfechtbare systematische Übersicht über die gesamte Konstitution geben kann. Wahrscheinlich wird man sich mit Annäherungen begnügen müssen. Da aber eine schematische Gesamtsicht auf die Konstitution für ihr Verständnis bedeutend ist, soll aus dem bisher gesagten eine vielleicht verbesserte Annäherung versucht werden.

      Wenn die Bestimmung der Kirche als Sakrament als leitende theologische Idee (LG 1) bei der Bestimmung des Verhältnisses der verschiedenen Metaphern für die Kirche bereits gute Dienste geleistet hat, bietet es sich an, diese Grundidee auch auf die Gliederung der gesamten Konstitution anzuwenden. Damit soll nicht mehr gezeigt werden, als dass „Lumen gentium“ in seiner Struktur aus dem Verständnis der Kirche als „Sakrament“ heraus gelesen werden kann. Es handelt sich um das Angebot eines Leseschlüssels.

      In Anknüpfung an die klassische scholastische Lehre442 ist ein Sakrament externes, äußerliches Zeichen („sacramentum tantum“) einer freien Gnadenmitteilung Gottes („ex opere operato“) und erzeugt bei Aufnahme durch den Empfänger („ex opere operantis“) eine bleibende Wirkung („res et sacramentum“) der mitgeteilten Gnade („res tantum“). Das Sakrament ist gegenwärtiges Zeichen göttlicher Gnade („signum demonstrativum“) und einer heilsgeschichtlichen vermittelten Realität („signum rememorativum“). Es ist zugleich Vorausbild der eschatologischen Vollendung („signum prognosticum“). Wendet man diese Definition in analoger Form auf die Kirche als Sakrament an, wird in ihr der göttliche Heilswille („res tantum“) im äußeren Zeichen der gesellschaftlich verfassten Gemeinschaft der Kirche und ihrer Glaubensvollzüge in Liturgie, Verkündigung und Caritas und sichtbar („sacramentum tantum“). Gott handelt dabei aus freiem Entschluss („ex opere operato“). Adressat der Gnade ist die ganze Menschheit, wobei diejenigen, die Glieder der Kirche sind („ex opere operantis“) im „Volk Gottes“ Anteil an der Einigkeit, Heiligkeit und Katholizität der Kirche haben („res et sacramentum“) Sie sind dazu aufgerufen, in ihrem Glauben, Dienst und Apostolat zum Heilswerk der Kirche beizutragen („ex opere operantis“). Für die Kirchenkonstitution ergibt sich aus dem Gesagten folgende Struktur:

      Kapitel II wird sowohl Kapitel I als auch den Kapiteln III-VI zugeordnet. LG 7 und 8 weisen überdies schon auf die Kirche als „signum demonstrativum“ sowie die äußerer Verfasstheit der Kirche hin. Eine eindeutige Grenze zu ziehen, ist nicht möglich. Die dargestellte Struktur bildet für Kapitel I und II eher eine tendenzielle Orientierung ab. Der Vorteil der Betrachtung liegt in der Einheit, die die Kirchenkonstitution trotz differenzierter und teilweise divergierender Themen und theologischen Ansätze durch die Kennzeichnung der Kirche als „Sakrament“ erhält. Die Kennzeichnung als „signum“ in der dreifachen Konnotation verdeutlicht die heilsgeschichtliche Aussage. Sie lässt sich auch ohne gnadentheologische Implikationen verstehen.

      259 S. ALBERIGO, Die Ankündigung des Konzils, 1f, 48–54. Für die biografischen Angaben zu den Akteuren des Konzils s. (sofern nicht anders angegeben): QUISINSKY / WALTER, Personenlexikon zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Die verschiedenen Bearbeitungsstufen und Textentwürfe (auch der Alternativschemata) auf dem Weg zu LG werden, sofern nicht anders angegeben, zitiert nach: ALBERIGO / MAGISTRETTI, Constitutiones Dogmaticae Lumen Gentium Synopsis Historica.

      260 AD I/2,1, Xf, s. FOUILLOUX, Die vor-vorbereitende Phase, 104f.

      261 Die Rückmeldequote auf das Schreiben Tardinis liegt bei 76,4%, wobei die Voten von sehr unterschiedlicher Länge und Qualität sind. S. FOUILLOUX, Die vor-vorbereitende Phase, 109–120. Zur Auswertung der Voten: Ders., 158–168.

      262 Analyticus Conspectus Consiliorum et Votorum quae ab Episcopis et praelatis data sunt, in: AD I, Appendix 2, 1+2.

      263 Die Problematik des „Analyticus Conspectus“ besteht in seinem Aufbau, der sich an den klassischen neuscholastischen Lehrtraktaten und dem Kirchenrecht ausrichtet und zudem Positionen kumulativ zusammenfasst, so dass neuartige Impulse keine angemessene Berücksichtigung finden oder nicht deutlich werden. Diese Tendenz wird im Abschlussbericht, der „sintesi finale“ deutlich, die versucht, die Voten der Bischöfe vereinfacht und möglicherweise tendenziös auf lediglich 18 Seiten darzustellen S. HÜNERMANN, Theologischer Kommentar, 292; FOUILLOUX, Die vor-vorbereitende Phase, 163–168.

      264 Analyticus Conspectus 1, 35–43.

      265 Analyticus Conspectus 1, 68–76. Das Fehlen des Begriffs muss angesichts der Tatsache, dass es einige Eingaben zu diesem Thema gegeben hat verwundern (s.u.).

      266 Hierzu finden sich in den Kapiteln über die wesenhaften Aussagen zur Kirche sieben Einträge. S. Analyticus Conspectus 1, 35–76.

      267 S. Analyticus Conspectus 1, 755–763. Schwerpunkte sind dabei die Klärung der Aufgaben und Pflichten der Laien (15 Einträge), die Forderung nach einer Theologie der Laien (7 Einträge), die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Laien und Priestern (7 Einträge) sowie vereinzelte Forderungen nach einer Darstellung des allgemeinen Priestertums, nach mehr kirchlicher Mitbestimmung der Laien und einer stärkeren Demokratisierung der Kirche. Dabei sind Rückmeldungen hinsichtlich einer größeren Öffnung und positiven Bewertung der Laien, aber auch im Sinne einer defensiven Klärung des Aufgabenbereiches gegen eine zu starke oder „protestantisierende“ Tendenz der Laienbetätigung in der Kirche etwa zu gleichen Teilen vorhanden.

      268 Vgl. FOUILLOUX, Die vor-vorbereitende Phase, 132–141 gibt einen Überblick über diese Voten, die er in den Kontext der eher pastoral geprägten Rückmeldungen der Bischöfe einreiht.