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eine geschickte Komposition verschiedener Elemente erreicht.

      Dazu nutzt er auch ein Mittel, das aufgrund der heute gebräuchlichen Exerzitienpraxis leicht übersehen werden kann. Ignatius legt den Übenden die Bibeltexte nicht direkt vor, sondern gibt deren Inhalte durch Einschübe neutestamentlicher Zitate nur paraphrasiert wieder. Ein großer Teil des Exerzitienbuches besteht daher aus Schilderungen der „Geheimnisse des Lebens Christi“. Anhand kurzer Textpassagen, die zumeist aus drei Punkten bestehen und helfen sollen, „mit größerer Leichtigkeit an ihnen sich zu besinnen und zu betrachten“ (GÜ 261) wird der Bogen von der Verkündigung an Maria bis hin zur Himmelfahrt Jesu gespannt (GÜ 261–312). Ignatius gelingt so nicht nur eine Zusammenschau der vier Evangelien, sondern er bezieht auch andere neutestamentliche Passagen aus dem Korintherbrief (GÜ 308 f., 311) und der Apostelgeschichte (GÜ 312) mit ein. Dabei folgt er zwar einer verbreiteten Frömmigkeitspraxis, wenn er etwa aus den verschiedenen Passionserzählungen – ungeachtet der unterschiedlichen Akzente der Kreuzigungsberichte – die sieben Worte Jesu aufzählt (GÜ 297), zugleich setzt Ignatius jedoch eigene Schwerpunkte, indem er etwa deren traditionelle Reihenfolge variiert.

      Weit über eine Abänderung hinaus gehen jedoch die Betrachtungen zur Auferstehung. Das Exerzitienbuch thematisiert insgesamt dreizehn verschiedene Erscheinungen des Auferstandenen, davon haben zwei jedoch keinen unmittelbar biblischen Anhaltspunkt. Ignatius kannte diese Tradition durch die Vita Christi des Kartäusers Ludolf von Sachsen, doch darf im Rahmen der Geistlichen Übungen die Aufnahme dieser Schilderungen durchaus überraschen. Denn sonst finden sich für die Darstellung des Lebens Jesu immer biblische Referenzpunkte und die Interpretation als lediglich fromme Ausschmückung würde der Vorgehensweise der Exerzitien widersprechen, in denen nicht „viel erläutert und erweitert“ (GÜ 2) werden soll.

      Warum hat Ignatius also diese Stellen aufgenommen? Offensichtlich waren sie ihm wichtig und doch war er sich vermutlich schon bei der Niederschrift des Textes kritischer Rückfragen bewusst. Dem Satz „Er erschien der Jungfrau“ fügt er direkt einen zweiten an: „Denn obwohl dies in der Schrift nicht gesagt wird, wird es für gesagt gehalten, wenn sie sagt, dass er so vielen anderen erschienen ist“ (GÜ 299). Dahinter ist weniger eine exegetische Aussage als der Stellenwert Marias für die ignatianische Spiritualität zu suchen. In den Exerzitien wird die und der Übende immer wieder zum Gespräch mit der Gottesmutter eingeladen. Maria wird aufgrund der Bedeutung, die sie im Leben Jesu hatte, zu einer Identifikationsfigur, durch welche sich das Geheimnis Christi tiefer verstehen lässt. Durch den Versuch, sich in das Erleben der Mutter auf dem Weg ihres Sohnes hineinzuversetzen, werden die Gefühle der Nähe und Vertrautheit angesprochen und zugleich lässt sich so angesichts des Leidens die „Einsamkeit unserer Herrin erwägen“ (GÜ 208). Aus dieser inneren Logik heraus kann der Weg und die Erschließung der Geheimnisse des Lebens Jesu nicht am Kreuz enden, sondern auch die Freude und Gelöstheit über die Auferstehung müssen durch das betende Einfühlen mit Maria lebendig werden.

      Doch es folgt noch eine zweite außerbiblische Stelle zur Auferstehung. „Er erschien Josef von Arimathäa“ – und auch hier gleich eine (rechtfertigende?) Erläuterung: „wie man fromm sinnt und im Leben der Heiligen liest“ (GÜ 310). Warum hat Ignatius diese Betrachtung, die auf einer fragwürdigen Überlieferung beruht, aufgenommen? Zudem spielt dieser Josef nur eine kleine Nebenrolle in der Geschichte Jesu. Obwohl er ein Jünger war, gab er sich aus Furcht nicht als solcher zu erkennen (Joh 19,38). Alle Evangelien kennen ihn als denjenigen, der sein Grab für den Leichnam Jesu zur Verfügung stellt. Muss ihm deshalb aber der Auferstandene erschienen sein?

      Ignatius fordert die und den Betenden heraus. Provokativ fügt er der ersten nichtbiblischen Szene an: „Denn die Schrift setzt voraus, dass wir Verstand haben, wie geschrieben steht: ‚Seid auch ihr ohne Verstand?‘“ (GÜ 299) Es geht um ein kritisches Fragen, das mehr als ein Überprüfen des biblischen Befundes ist. Verstehen heißt den Glauben in eine Unterscheidung miteinzubeziehen und daraus etwas logisch zu folgern. Daher kann man sich der verständigen Interpretation der Exerzitien anschließen, die besagt, dass Jesus dem Josef erschienen ist, da dieser, wenn auch aus Angst nicht öffentlich, an ihn als den Messias glaubte. Wenn aber Jesus im Leben eines Menschen die entscheidende Rolle spielt, wie könnte dieser dann keine Erfahrung mit dem Auferstandenen machen?

       Niklaus Kuster OFMCap | Luzern

      geb. 1962, Dr. theol., Dozent für Kirchen-

      und Spiritualitätsgeschichte, Autor und

      spiritueller Begleiter

       [email protected]

       Franz und Klara von Assisi

       Christus arm umarmen – geschwisterlich verbündet

      Wie kommt es, dass erst in diesen Jahren eine Doppelbiografie über Franz und Klara von Assisi erscheint?1 Schließlich projizierte der Erfolgsregisseur F. Zeffirelli bereits 1972 mit dem Film Bruder Sonne – Schwester Mond die Beziehung der beiden Heiligen in die Kinos der halben Welt.2 Doch auch die gegenteilige Frage kann sich aufdrängen: Wie lässt sich eine Doppelbiografie über einen Wanderradikalen und eine Klausurschwester schreiben, da ihre Lebenswege kaum gemeinsame Züge aufweisen? Franziskus zog mit Gefährten durch ganz Italien und erweiterte sein Einsatzfeld von Spanien bis in den Orient oder er verweilte wochenlang in einsamen Bergwäldern, während Klara 42 Jahre still und unscheinbar in ihrem Kloster bei Assisi lebte. Was verbindet die zwei? Sind ihre Lebenswege derart verschieden, weil die beiden ein „unheiliges Paar“ waren und ihre „Liebesgeschichte keine sein durfte“, wie die Dogmatikerin E. Pahud de Mortanges suggeriert?3 Oder um mit dem Historiker H. Feld weit krasser zu spekulieren: Hat Franziskus die Schwester im Kloster „weggesperrt“, weil sie ihm so aufdringlich nachlief und er sich nicht anders zu schützen wusste?4 Romantische Kinofilme einer geschwisterlichen Liebe kontrastieren zu prickelnden Thesen über eine tragisch Verliebte.

       Eine programmatische Doppelbiografie

      Weltweit noch immer erstmalig,5 ist die erschienene Doppelbiografie über Franz und Klara von Assisi Programm. Materiell stützt sie sich auf eine Quellenbasis, die sich für zwei kirchliche Laien aus der Kleinstadt Assisi im hohen Mittelalter als einzigartig reich erweist: Die beiden Sammelbände der bedeutsamen Quellen aus dem 13./14. Jh. umfassen mit Blick auf Franziskus und seinen Brüderorden 1800 Seiten, mit Blick auf Klara und die Schwestern des entstehenden Zweiten Ordens 1500 Seiten.6 Die von Paul Sabatier vor 120 Jahren initiierte moderne Franziskusforschung findet seit Marco Bartolis wissenschaftlicher Biografie der Schwester7 ein Pendant in einer entfesselten Klaraforschung, die in drei Jubiläumsjahren zwischen 1993 und 2012 durch eine Reihe internationaler Kongresse beflügelt worden ist.8 Eine Zusammenschau der vielfältigen Forschungsliteratur macht eines deutlich: Auch die Lebensgeschichten der beiden Heiligen und ihre Spiritualität sind in eine Zusammenschau zu stellen.

      Franz lässt sich ohne Klara nicht verstehen, und die Schwester hätte ihren mutigen Weg ohne brüderliche Verbündete nicht gehen können. Daher schildern auch modernste Franziskusbiografien, die Klara nur Seitenblicke oder gerade mal ein Kapitel widmen,9 nicht die ganze Geschichte. Und Klarabiografien, welche die Schwester in der Nachfolge des Bruders sehen, begehen aus Sicht der modernen Frauenforschung eine Todsünde.10 Die zehn Jahre alte TV-Produktion Chiara e Francesco beginnt denn auch mit einer suggestiven Szene: Franziskus schreitet in erdfarbener Kutte über eine taunasse Wiese der aufsteigenden Sonne entgegen. Klara folgt ihm in einem schlichten hellen Habit. Als er sich umdreht und fragt, ob sie seinen Spuren folge, antwortet sie lächelnd: „tieferen Spuren!“ – und geht Seite an Seite mit ihm weiter. Der Film schildert die Geschichte der beiden eng verflochten, so kontrastvoll sich ihre Lebensformen auch unterscheiden.11 Wie vital sich die moderne Klaraforschung zeigt, ist an den Diskussionen zu erkennen, die seit