Geliebt
Der Weg der Exerzitien will nur eines: Liebe leben lernen – von Christus, in dem »die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschienen ist« (Tit 3,4). Jede biblische Betrachtung ist im Grunde eine Liebesgeschichte. Und Jesus selber zeigt sich im Heiligen Geist als »Weg, Wahrheit, Leben«, als konkrete Liebe (Joh 14,6). Die Tiefe und Weite dieses Geschehens findet sich in der »Betrachtung, um Liebe zu erlangen« (EB 230–237).
Gerufen
Jesus ruft Menschen zu sich auf den Weg der »Nachfolge« und in seine Gemeinschaft, damit sie so Menschen seines Geistes werden. Er lässt sie miterleben, was er und wie er lebt; wie er redet, betet, empfindet, handelt, dient und ein Beispiel gibt. »Christus erkennen, lieben, nachfolgen« – dies ist die Richtung, die Ignatius in den Exerzitien mit auf den Weg gibt. Auf diesem Weg kann Befreundung wachsen, wie Christus sagt: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte … vielmehr habe ich euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe« (Joh 15,15).
Gerufen sein heißt, sich zum »Ja« Jesu zu entscheiden, der das Ja zu allen Verheißungen Gottes ist und in dem auch wir das »Ja« und »Amen« zu Gott sagen können. In seinem Geist sind wir Gemeinschaft, Leib Christi, Kirche und »nicht Herren des Glaubens, sondern Mitarbeiter zur Freude« (vgl. 2 Kor 1,15–24).
Gekreuzigt
»Wer nicht sein tägliches Kreuz auf sich nimmt, kann nicht den Weg mit mir gehen!« (Lk 9,23). Dies bedeutet nicht, tägliche Folterung zu ertragen, aber doch manchen Kampf durchzustehen – um der Wahrheit und Liebe willen. Die Seligpreisungen sind Situationen der Nachfolge Jesu Christi. Es gilt, mit Spannungen gut zu leben zu versuchen und das Wort zu beherzigen: »Einer trage des anderen Last, so erfüllt ihr das Gesetz Jesu Christi« (Gal 6,2). Freilich kann es auch einmal bedeuten, am Kampf auf dem Ölberg teilzunehmen, wo einen das Leben und die Sendung, in der man lebt, »ins Schwitzen bringen« und zu entgleiten drohen. Die Worte des Gekreuzigten »Mich dürstet«, »Vater, warum hast Du mich verlassen?« können einem da nahekommen. Vielleicht aber auch: »In deine Hände lege ich meinen Geist«, vielleicht kann da eigenes Leben zum Ausdruck kommen.
Geweckt
Es gibt nicht nur das morgendliche Verschlafen oder Aufwecken. Man kann auch das Leben verschlafen auf vielfache Weise: vor lauter Übermüdung, vor Dummheit, vor Angst, vor Uninteressiertheit, Hoffnungslosigkeit. Eine zentrale Erfahrung der Jünger Jesu war: Er ist auferweckt worden und wir mit ihm. Das heißt, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Christliche »Lebensanschauung« lebt mit der Hoffnung, dass die Liebe stärker ist als Sünde und Tod. – Wo erfahren wir, was wir singen: »Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung« (Gotteslob 472)? Überall dort, wo Lieben geschieht, wo wir Versöhnung suchen, wo wir die Hoffnung nicht mit dem Tod sterben lassen: »Weil wir einander lieben, wissen wir, dass wir vom Tod ins Leben übergegangen sind. Wer nicht liebt, bleibt im Tod« (1 Joh 3,14).
Gesandt
Gesandt sein heißt, einen Auftrag zu erfüllen, für andere ein Evangelium, d.h. eine frohe Botschaft, zu sein. Mag sein, dass wir uns als Gesandte, wenn auch nicht immer als sehr geschickte, erfahren; in jedem Fall sind wir füreinander Botschaft, gute oder manchmal auch schlechte. Wir sind es in allem: in unserer Ausstrahlung, unseren inneren Haltungen, unserm Reden und Tun und Verhalten. Missionarisch sein heißt, das, was einem Leben und Freude und Hoffnung schenkt, zu teilen, mitzuteilen. »Die Liebe besteht im Mitteilen von beiden Seiten« (EB 231), schreibt Ignatius.
Geerdet
Geerdet, das meint, dass alle »hohen Gedanken«, tiefen Einsichten, Erkenntnisse, Vorsätze, Projekte, außerordentlichen Tage wie etwa Exerzitien sich im Ernstfall des Lebens, d.h. im Alltag, bewähren müssen. »Und das Wort ist Fleisch geworden«, heißt es (Joh 1,14) und auch: »Was schaut ihr zum Himmel?« (Apg 1,11). – Er »ist von den Toten auferstanden und siehe, er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen« (Mt 28,7). Gott ist vor Ort. Er ist »in allem«, wie Ignatius schreibt: in allem Reden, Denken, Tun, Lassen, Atmen, Arbeiten, Ruhen und in allen Lebensphasen. »Dort« werdet ihr ihn finden. Dieses Sehnen und Suchen und Erfahren von Gegenwärtigkeit geschieht in der Bis-Zeit. So wie es in der Eucharistie heißt: »Geheimnis des Glaubens – deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.«
Voreinstellungen in einer »Dreiecksgeschichte«
»Wie wird es diesmal gehen?«, das fragen auch Menschen, die schon öfters auf dem Exerzitienweg waren. Wie wird es sein mit der »Dreiecksgeschichte« von mir, Gott und dem begleitenden Menschen? Die 20 Vorbemerkungen des Exerzitienbuches haben diese Fragen zum Inhalt: Die Haltung und das Verhalten der begleitenden Person soll zuhörend, freilassend, ermutigend, hinweisend, fragend, nicht ausforschend und der Individualität der Einzelnen entsprechend sein. Die Begegnung soll auf gleicher Augenhöhe geschehen und sie soll vor allem darauf vertrauen, dass Gottes Geist tragend und leitend ist.
Gott wird als der gesehen, von dem und auf den hin alles ist, der den suchend-übenden Menschen selber vorbereitet und begleitet und umarmt und Liebe schenkt und weckt (vgl. EB 15).
Großherzig und freigebig
»Da kommt nicht viel heraus …«, »das ist die große Chance für dich …«, »das schaffe ich kaum …«, »Vorsicht, Vorsicht!« Solche und eigentlich alle optimistischen, pessimistischen und sonstigen Voreinstellungen haben ihre Bedeutung für eine Begegnung, ein Projekt, ein Vorhaben. Man spricht dabei manchmal von »sich selbst erfüllenden Prophezeiungen«. Dies gilt für das alltägliche Leben und für Exerzitienzeiten ebenfalls. In der fünften Vorbemerkung im Exerzitienbuch spricht Ignatius das Thema Voreinstellungen an: »Für den, der die Übungen empfängt, ist es sehr nützlich, mit Großmut und Freigebigkeit gegenüber seinem Schöpfer und Herrn in sie einzutreten« (EB 5). Im spanischen Text heißt es »con grande animo« und mit »liberalidad«, also mit einem großen Geist und mit Freiherzigkeit darauf zuzugehen, nicht mit Kleingeisterei und Engherzigkeit.
Was kann dies alles bedeuten? Zunächst einmal, selber zu prüfen, wie man »so drauf« ist, welche inneren Voreinstellungen und Haltungen einen bewegen:
Bin ich hoffnungsgeladen oder auch mehr ängstlich? Sind es die üblichen Jahresexerzitien oder erwarte ich etwas Besonderes? Suche ich einen geistlichen Urlaub und vor allem Ruhe von der Alltagshektik oder etwas anderes? Bin ich bereit, mich überraschen zu lassen? Macht mir etwas Angst vor dem Geschehen der Tage? Meine ich, es müsse »unbedingt« etwas geschehen und entschieden werden? Denke ich etwas kindlich: Danach müsste ein Problem ganz und für immer gelöst sein?
Worauf hin richtet sich meine Sehnsucht, mein Wunsch für diese Tage? Fühle ich mich bereit, auch durch schwierige Momente wie Unsicherheit, Trockenheit, Ängste hindurchzugehen? Brauche ich jetzt Exerzitientage oder stünde für mich eher ein Kurs an für Kommunikation, Entscheidungsfindung, Verhaltenstraining oder irgendeine Weise von therapeutischer Hilfe oder auch eine echte Urlaubszeit? Was ist meine Voreinstellung gegenüber der geistlichen Begleitung und der anbietenden Institution? Fühle ich in mir eine Bereitschaft dazu, mich, meine Person, mein Leben nach dem Liebeswillen Gottes auszurichten?
Schweigen: Genug vom Zuviel
»Ob ich das aushalte?«, ist immer wieder die Frage von Menschen, die an Schweigeexerzitien teilnehmen. Fast alle erfahren aber dann Schweigen und Stille als ein wesentliches Element für das Gelingen der Tage und als Konfrontation mit sich selber und Begegnung mit Gottes Geist.
Was man so sehr wünscht
Ignatius setzt Stille und Schweigen als selbstverständlich voraus, gebraucht aber nicht oft das Wort Stille, sondern schreibt ganz nach seiner pragmatischen Art: Man wird »in den Exerzitien normalerweise umso mehr Nutzen ziehen, je mehr der Exerzitant sich von allen Freunden und Bekannten und von jeder irdischen Sorge absondert; etwa indem er aus dem Haus zieht, wo er wohnte, und ein