Kreativität, so das bereits hier formulierte leidenschaftliche Plädoyer, ist dringend nötig und kann der Motor zu einer Veränderung der eigenen Lebensgestaltung, aber vor allem auch zur Humanisierung der Gesellschaft und der Welt sein. Aber dann muss sie einem anderen Zweck untergeordnet werden. Die Herausforderung dieser Zeit ist zweifellos, über Alternativen nachzudenken, die zu einer Vermenschlichung dieser Welt führt. Albert Einstein hat zurecht gesagt, „mit dem Denken, das unsere Probleme geschaffen hat, werden wir sie nicht lösen“. Aber genau vor diesem Dilemma stehen wir, und Kreativität kann der Schlüssel sein, was hier essayistisch ausgeführt werden soll. In einem ersten Schritt soll noch etwas beim Begriff verweilt werden, um Kreativität als Gestaltungswillen zu verstehen. In einem zweiten Schritt werden globale Herausforderungen beschrieben und in einem dritten, abschließenden Punkt geht es um die Schwierigkeit zur Umsetzung in einer „überforderten Gesellschaft“.
Kreativität als Gestaltungswille
Versucht man eine Definition, so kommt man auf den einfachen Nenner: „Kreativität ist die Fähigkeit des Menschen zu schöpferischem Denken und Handeln.“ An erster Stelle steht damit der Antrieb, diese Welt gestalten zu wollen. Das Greifen nach den Möglichkeiten des Menschlichen, stellt sich dem Fatalismus und damit der Resignation, sich den Sachzwängen zu ergeben, entgegen. Es ist nicht zuletzt ein Ausbrechen aus gewohnten Denkschemata und damit festgelegten Bahnen. Das entspricht auch den erweiterten Ergebnissen der Hirnforschung. Im übertragenen Sinne könnte man sagen, die üblichen Bahnen, Synapsen, werden verlassen oder neue gesucht. Nicht umsonst wurden Leonardo da Vinci, Alexander Graham Bell und James Watt verlacht und Zeit ihres Lebens ausgegrenzt und als völlig verrückt angesehen, da ihre Ideen, Entdeckungen und Entwicklungen fernab des Üblichen und gesellschaftlich Standardisierten standen. Kreativität ist immer wieder auch Normenbruch. Kreativität ist damit auch immer wieder Aufbegehren und Ausbrechen aus gesellschaftlich anerkanntem und legitimiertem Verhalten. Aber es wird dabei auch schnell deutlich, dass man um die Ziel- und Sinnfrage nicht umhin kommt. Kreativ waren auch Menschen wie Adolf Eichmann mit seiner Logistik der Vernichtungsmaschinerie, ebenso der Schöpfer der Atombombe und des Dynamits. Letztgenannter bietet ein erhellendes Beispiel, denn schließlich hat man dem bekannten Rüstungsindustriellen und Erfinder des zerstörerischen Sprengstoffes lange nachgesagt, er habe seinen Reichtum aus schlechtem Gewissen angelegt, um künftige herausragende Erfindungen, die vor allem auch der Menschlichkeit dienen sollten, zu küren. Ganz entsprechend seines Erfinders ist deshalb der Friedensnobelpreis weiterhin der beachtetste. Und die Geschichte der Guillotine darf nicht fehlen, zumindest als Hinweis für Nichthistoriker. Denn ihr Erfinder, der französische Arzt Joseph-Ignace Guillotin, wollte damit zu einer Humanisierung des Vollzugs der Todesstrafe beitragen. Die oftmals überforderten, erschöpften und auch alkoholisierten Henker benötigten nämlich oft mehrere Hiebe und trennten den Kopf vom Körper erst nach schmerzvollen Fehltreffern. Seine Humanisierung ermöglichte jedoch eine erste Rationalisierung des Mordens und wurde so zum Symbol der jakobinischen Schreckensherrschaft. Kreativität hat keinen Wert an sich. Sie ist ein Mittel zum Zweck. Menschen haben durch ihre Kreativität, durch ihren Gestaltungswillen die Welt verändert. Einzelne Frauen und Männer haben in ihrem Fachbereich oder auch in globalen Zusammenhängen Revolutionen ausgelöst. Ideen, einmal geboren durch kreative Köpfe, ließen sich von keinem Bajonett mehr aufhalten. Aber es geht nicht nur um die „Großen der Geschichte“, den Bewohnerinnen und Bewohnern des Walhalls der Kreativen. Veränderung der eigenen Lebenswelt, und seien es auch noch so kleine Lebenswelten in Wellblechbaracken und Lehmhütten, entspringt der Kreativität. Zweifellos, auch die Not gebiert Kreativität. Aber der Gestaltungswille wird auf die Rettung der Lebensexistenz beschränkt und beschnitten. Menschen werden ihrer Kreativität verlustig oder auch vorsätzlich beraubt, wenn sie zu Arbeitssklaven degradiert werden. Durch Strukturen der Ausbeutung werden Menschen in Unmündigkeit geboren oder haben sich auch selbst freiwillig in sie hineinbegeben. Der (Auf-)Ruf der Aufklärung: „Sapere aude“ gilt weiter! Aber er richtete sich wie im 18. Jahrhundert an jene, deren Lebensunterhalt grundlegend gesichert ist. Unsere Welt braucht Kreativität, braucht kreative Köpfe, um sie zu verändern. Den bekannten Ausspruch Margret Thatchers mit ihrer Formel TINA (There is no alternative) kann nur der bereits zitierte Satz Einsteins gegenübergestellt werden. Edward de Bono, der bereits in den 1950er Jahren eine Definition von Kreativität vorlegte, betonte die Fähigkeit des „lateral thinkings“, was in der deutschen Literatur als