Wie die weitere Entwicklung beweist, hat sich dieser Neuansatz bewährt. In der Tat entstanden bald weitere solche klosterähnliche Niederlassungen und zwar nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen. Außer den Altvätern hatten sich ja auch Frauen dazu entschlossen, in der Einsamkeit Gott zu dienen. Zahlenmäßig scheinen sie allerdings in der Minderheit gewesen zu sein. In der Weisung der Väter jedenfalls tauchen neben den 128 Abbas lediglich drei solcher Ammas (›Wüstenmütter‹) auf, nämlich Sarrha, Synkletika und Theodora.
Die Leitung der ersten Gemeinschaft von Einsiedlerinnen übertrug Pachomios seiner Schwester, die später noch einer weiteren Vereinigung von Frauen vorstand. Er selbst verlegte seinen Sitz nach Pbow (heute: Ruinen beim ägyptischen Faw Qibli), von wo aus er zuletzt neun Männerklöster leitete.
Diese rasante Entwicklung war nicht von allen gern gesehen. Manche unterstellten den Mitgliedern der neuen Genossenschaften, eine höhere Form des christlichen Lebens verkörpern zu wollen, welche die Weltleute, vor allem wenn sie verheiratet waren, nicht praktizieren konnten. Dieser Gedanke war manchen Klerikern (von denen damals die meisten verheiratet waren) ein Dorn im Auge. Immer wieder kam es auch zu Spannungen zwischen den Mönchen und Nonnen einerseits und den Bischöfen andererseits, teils wegen hierarchiekritischer Haltungen der Ersteren, die nicht der bischöflichen Jurisdiktion, sondern einem Abbas oder einer Amma unterstanden, teils weil die Vorsteher einer Diözese es nicht besonders goutierten, dass bedeutende Teile der Bevölkerung in klösterliche Gemeinschaften abwanderten. Allerdings gab es auch Bischöfe, welche die neuen Gründungen unterstützten.
Die Spiritualität dieser neuen Gemeinschaften nährte sich vor allem aus der Bibel. Von zentraler Bedeutung waren die drei ›evangelischen Räte‹, die den Verzicht auf Privatbesitz, ehelose Keuschheit und Gehorsam gegenüber den Oberen beinhalten.
Die Begeisterungfür die neuen einsiedlerischen Lebensformenschwappte von Ägypten aus schnell in den Nahen Osten, aber auch auf Griechenland und Syrien über. Dort entstanden zu Beginn des 4. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Mönchssiedlungen und Niederlassungen von Monialen. Gleichzeitig schossen die Einsiedeleien wie Pilze aus dem Boden, sodass zunächst beide Formen untereinander koexistierten. Daneben gab es Mischformen, will sagen Siedlungen, in denen die Mönche oder Nonnen unter Leitung eines Oberen oder einer Oberin getrennt voneinander in eigenen Behausungen lebten, gleichzeitig aber regen Kontakt untereinander unterhielten.
Damit waren die Wege zum späteren ›klassischen‹ Mönchstum und gleichzeitig zu einem geistlichen und kulturellen Höhenflug des Christentums geebnet. Wobei es, dies sei schon jetzt vermerkt, immer wieder zu Entwicklungen kam, welche alles andere als ein Ruhmesblatt für die Kirche darstellen.
Abschied von der Weltoder Die Grünen sind im Kommen
Als berühmtester Vertreter des im Anschluss an die Ostkirche auch im Westen allmählich sich verbreitenden Ordenswesens gilt Martin von Tours (um 316/317–397). Geboren wurde er in Pannonien (im heutigen Ungarn) als S ohn eines römischen Offiziers. Als sein Vater nach Pavia versetzt wurde, ließ sich Martin dort unter die Taufbewerber einreihen. Im Alter von 15 Jahren trat er auf Wunsch seines Erzeugers bei einer Reiterabteilung in Gallien in den Heeresdienst; man hatte damals offenbar nichts einzuwenden gegen Kindersoldaten. Mit 18 Jahren empfing er von Hilarius, dem späteren Bischof von Poitiers, die Taufe. Noch als Soldat soll er am Stadttor einem frierenden Bettler die Hälfte seines Mantels geschenkt haben, worauf ihm, so die Legende, in der folgenden Nacht Christus erschien, bekleidet mit dem geschenkten Mantelstück. Der übrig gebliebene halbe Mantel, die capa, wie man damals sagte, wird seit jeher als kostbare Reliquie aufbewahrt, und zwar in einer eigens dafür gebauten Capella, zu deren Betreuung man einen Capellanus bestellte. Wenn Martin seinerzeit seinen Mantel nicht zerschnitten hätte, gäbe es heute weder Kapellen noch Kapläne.
Nach dem Austritt aus dem Heer lebte Martin zunächst auf der in der Nähe der ligurischen Küste gelegenen Insel Gallinara als Eremit. Anschließend zog er nach Poitiers und gründete an dem nicht weit entfernten Ort Ligugé eine Siedlung für Einsiedler, die sich bald zu einem berühmten Kloster entwickelte. Um 371 wurde Martin Bischof von Tours und errichtete auch in Marmoutier ein Kloster, das schnell zu einem in ganz Gallien bekannten geistlichen Mittelpunkt wurde. Als Bischof behielt Martin seine monastische Lebensweise bei, für deren Ausbreitung er sich gegen den Widerstand des Weltklerus weiterhin einsetzte.
Weniger bekannt aber nicht minder wirksam als Martins Initiativen sind die Impulse, die von anderen Förderern des Mönchslebens ausgingen. Erwähnt seien der nachmalige Bischof von Arles, Honoratus († 429 oder 430), der um 410 auf der Insel Lerinum (heute Lérins) bei Nizza ein Kloster gründete, dessen Mönche sich vor allem wissenschaftlich hervortaten; ferner Hieronymus (347–419), der 385, vermutlich aus Enttäuschung, dass er nach dem Tod Damasus’ I. nicht zum Bischof von Rom gewählt wurde, nach Betlehem auswanderte, wo er zusammen mit Freunden drei Frauenklöster und ein Kloster für Männer gründete, für die er auch als Berater tätig war. Unbestritten ist, dass Hieronymus die Spiritualität auch späterer Klöster nachhaltig prägte. Großen Einfluss auf die weitere Entwicklung übte auch Johannes Cassianus (360–435) aus, ein Skythe, der schon früh nach Palästina kam, sich in Betlehem und in Ägypten umsah und anschließend zehn Jahre in einer Mönchsniederlassung am Nildelta lebte, bevor er sich in der östlichen Kaiserstadt Konstantinopel in einem Kloster niederließ. Ihm verdanken wir ein Regelwerk mit dem Titel De institutis coenobiorum et de octo principalibus vitiis (Das Mönchstum und die acht Hauptlaster). Darin berichtet Cassianus vom ägyptischen Klosterleben. Eine der Hauptaufgaben eines Mönchs besteht ihm zufolge in der Bekämpfung der acht Hauptsünden (Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Habsucht, Zorn, Traurigkeit, Überdruss, Ruhmsucht, Hochmut). Weiter lehrt Cassianus, dass die Vollkommenheit der Mönche nicht schon darin besteht, dass sie die Welt verlassen, sondern in der Übung der Tugenden. Allerdings ist es nicht nur die Meditation im Kloster, die zur Vervollkommnung führt. Dieses Ziel kann auch auf einem anderen Weg, nämlich durch das aktive Leben, das die ›Weltleute‹ führen, erreicht werden. Schon aus diesem Grund haben Mönche und Monialen keinerlei Veranlassung zur Überheblichkeit.
Von seinen Erfahrungen mit ägyptischen Mönchen berichtet Cassianus auch in den Collationes patrum, den Unterredungen mit den [Wüsten-] Vätern, eine Schrift, in der er seine Erfahrungen mit den Mönchen Ägyptens in Form von Gesprächen wiedergibt. Mit diesem Werk gelang es Cassianus, die östliche Mönchsspiritualität auch im Westen des Reiches zu verbreiten.
Große Bedeutung für die Entwicklung des Ordenswesens in den westlichen Kirchenprovinzen kam in der Folge auch der Regel des Aurelius Augustinus von Hippo (354–430) zu.
Nach dem Besuch der Grammatikschule in Madauros (dem heutigen algerischen M’Daourouch) und einem Studium der Redekunst schlug sich der gut 20-jährige Akademiker zunächst in seiner Heimatstadt Thagaste und später in Karthago als Rhetorikprofessor durch. Um 383 übersiedelte er nach Rom, worauf ihm ein Jahr danach Freunde zum Posten eines Rhetoriklehrers in Mailand verhalfen. Beeindruckt von den Predigten des dortigen Bischofs Ambrosius trennte er sich von seiner Konkubine und seinem Sohn Adeodatus und ließ sich in der Osternacht des Jahres 387 taufen. Anschließend gab er seinen Beruf auf und kehrte in seine Heimatprovinz Africa zurück. Auf einem väterlichen Landgut bei Thagaste lebte er zusammen mit gleichgesinnten Freunden in klösterlicher Zurückgezogenheit. Als er 391 während