Steinhauf schob das Mundstück seiner Pfeife von einem Mundwinkel in den anderen. Sie brannte nicht. Seit seiner Woche versuchte er, sich das Rauchen abzugewöhnen.
„Ich weiß es nicht“, gab Katharina zu.
„Haben Sie den Schützen gesehen, der den Mann angeschossen hat?“
„Nein, nur sein Komplize war bei mir in der Wohnung.“
Steinhauf holte den Tabaksbeutel, den er ständig mit sich führte, aus seinem Mantel und begann die Pfeife zu stopfen.
„Können Sie ihn irgendwie beschreiben?“
„Nein.“
„Und es gibt nichts, an dem Sie ihn vielleicht wiedererkennen würden?“
„Nein, leider nicht.“
Dicke Rauchwolken stiegen aus Steinhaufs Pfeife. „Schade“, murmelte er. „Wirklich sehr schade.“
„Was ist eigentlich mit den Filmdosen?“, fragte Katharina. „Meine Auftraggeber warten darauf.“
„Sie können sie mitnehmen“, erwiderte Steinhauf. „Die Tasche müssen wir allerdings sicherstellen. Und Ihre Wohnung wird versiegelt, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Können Sie vorläufig bei jemandem unterkommen?“
„Ja, ich bleibe so lange bei meinem Lebensgefährten.“ Sie nannte dem Kommissar die Adresse von Robert Tillmann.
„In Ordnung. Morgen müssen Sie allerdings noch aufs Revier kommen und das Protokoll unterschreiben.“
„Gut, mache ich.“
Katharina kehrte in ihre Wohnung zurück, holte die Filmdosen, packte ein paar Sachen zusammen und fuhr zu Roberts Wohnung in der Pestalozzistraße. Von dort rief sie Eckard Joswig an.
„Den Göttern sei Dank“, sagte der Produzent, als er hörte, dass sich die Filmdosen in Katharinas Besitz befanden. „Ich dachte schon, es sei schiefgegangen. Können Sie mir die Filme sofort vorbeibringen?“
„Ja, mache ich.“
11
Eckard Joswig empfing die Detektivin unter dem Vordach seines Hauses. Er trug einen weinroten Hausmantel und dunkelblaue Pantoffeln.
„Kommen Sie herein“, rief er. „Brankov wird auch gleich kommen. Er ist ebenfalls froh, dass Sie es geschafft haben.“
Sie betraten die Halle und gingen ins Wohnzimmer. Katharina stellte die Tasche neben einem Sessel ab, setzte sich und ließ sich ein Glas Sherry geben. Joswig nahm ihr gegenüber Platz und leerte sein Glas in einem Zug.
„Das ist ein Gefühl wie bei einer Filmpremiere“, sagte er und füllte die Gläser nach. „Brankov kann die Negative morgen entwickeln lassen. Dann geht es an den Schnitt und an die Synchronisation. Ich bin nur froh, dass …“
Die Türklingel ertönte. Joswig sprang auf und kehrte mit Brankov zurück.
„Ich kann mich nicht lange aufhalten“, verkündete er. „Habe morgen ein paar wichtige Termine.“ Er deutete auf die Ledertasche. „Haben Sie die Filme da drin?“
Katharina nickte. „Die Tasche, in der sie zuvor waren, hat die Polizei zur Untersuchung mitgenommen.“
„Gut“, sagte Brankov. „Leihen Sie mir die Tasche bis morgen? Ich nehme sie gleich mit, damit wir sofort mit der Arbeit beginnen können.“
Katharina hatte nichts dagegen. Sie verabschiedete sich von Brankov und fuhr nach Hause. Dort ließ sie sich ein Bad ein, das ihre Müdigkeit vertrieb. Aber während der ganzen Zeit, die sie mit Nagelbürste und Schwamm Schiffchen spielte, wälzte sie in ihrem Kopf die Ereignisse der vergangenen Stunden hin und her. Es bedrückte sie, dass sie im Grunde genommen noch keinen Schritt weitergekommen war. Das größte Fragezeichen bildete für sie immer noch der Diebstahl der Negative. Insgeheim musste sie Kommissar Steinhauf recht geben. Wer kam bloß auf die Idee, Filme zu klauen, um dann Lösegeld zu erpressen?
Welche Rolle spielte der Produzent in dieser Geschichte? War er wirklich nur das unfreiwillige Opfer, wie er Katharina glauben machen wollte? Die Detektivin hoffte, in den nächsten Tagen wenigstens einen Teil dieses Geheimnisses lüften zu können. Sie wollte die Wahrheit herausfinden.
12
Am darauffolgenden Morgen fuhr Katharina zum Kommissariat, um das Protokoll zu unterschreiben.
„Haben Sie schon eine Spur von den Tätern?“, fragte sie beiläufig.
Kommissar Steinhauf schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Die ganze Angelegenheit ist sehr seltsam. Ich habe schon erlebt, dass Kinder entführt wurden, Männer, Frauen … mir sind sogar einige Fälle bekannt, in denen es die Täter auf Haustiere abgesehen hatten … aber Filme … hm … sehr eigenartig.“
„Ja, da gebe ich Ihnen recht“, sagte Katharina, während sie ihm das unterschriebene Protokoll gab.
Er warf einen kurzen Blick darauf und legte es dann zur Seite. „Wir haben inzwischen einige Nachforschungen über die Leute angestellt, die in diesen Fall verwickelt sind. Wie ich hörte, waren Sie früher selber einmal bei der Mordkommission.“
„Ja.“
„Und dann wurden Sie entlassen, weil …“
„Nein“, widersprach Katharina. „Ich wurde nicht entlassen. Ich habe gekündigt, weil mir die Methoden einiger Kollegen gegen den Strich gingen.“
„Natürlich“, sagte Kommissar Steinhauf gedehnt. „Und seitdem arbeiten Sie als Privatdetektivin. Mal mehr, mal weniger erfolgreich.“
„Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich etwas mit der Erpressung zu tun habe?“
„Nein, dieser Gedanke ist mir überhaupt nicht gekommen. Er wäre auch ziemlich abwegig. Aber wie verhält es sich mit Ihrem Auftraggeber?“
„Joswig?“
Steinhauf nickte.
„Ich arbeite nicht für Joswig, sondern für die Versicherung.“
„O ja, natürlich. Ich vergaß. Nichtsdestotrotz könnte er darin verwickelt sein.“
„Wie kommen Sie darauf?“, wollte Katharina wissen.
„Wir haben einige Nachforschungen angestellt“, wiederholte Steinhauf. „Dieser Herr Joswig ist kein unbeschriebenes Blatt.“
„Was heißt das?“
„Eigentlich dürfte ich Ihnen diese Information gar nicht geben, denn schließlich handelt es sich um eine laufende Ermittlung.“
„Warum tun Sie es dann?“
„Na, sagen wir mal, weil ich mir davon eine Gegenleistung erhoffe.“
„Was für eine Gegenleistung?“
Steinhauf lächelte. „Falls Ihnen etwas zu Ohren kommen sollte, das für unsere Ermittlungen von Bedeutung ist, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich informieren würden.“
„Das hätte ich sowieso getan.“
„Ja, davon bin ich überzeugt.“
„Also, was ist nun mit Joswig?“
Steinhauf zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Wussten Sie, dass er vorbestraft ist?“
„Nein“, antwortete Katharina sichtlich überrascht. „Weswegen?“
„Steuerhinterziehung. Er saß ein Jahr im Gefängnis.“
„Aber